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Weihnachtserzählungen - 308 Seiten. Charles Dickens
Читать онлайн.Название Weihnachtserzählungen - 308 Seiten
Год выпуска 0
isbn 9783742762993
Автор произведения Charles Dickens
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
könnte, sonst würdet ihr es selbst von mir nicht glauben. Nun,
was ist es sonst noch? Es ist eine Männerfalle und eine
Handschelle, ein Schließeisen und eine Beinfessel, alles in Gold
und alles in einem. Nun, was ist es sonst noch? Es ist ein Ehering.
Nun will ich euch sagen, was ich damit machen werde. Ich
werde diesen Artikel nicht für Geld anbieten, sondern ich will ihn
derjenigen unter euch Schönen geben, die jetzt lachen wird. Bei
dieser will ich morgen früh Punkt halb zehn mit dem
Glockenschlag einen Besuch machen und mit ihr spazierengehen,
um das Aufgebot zu bestellen.«
Sie lachte, und der Ring wurde ihr hinaufgereicht. Als ich am
nächsten Morgen zu ihr komme, sagt sie:
»Du lieber Himmel! Da seid Ihr ja! Es kann Euch doch nicht
Ernst gewesen sein?«
»Da bin ich«, sage ich, »und ich bin für immer der Eurige, und es
ist mein heiliger Ernst.«
So wurden wir getraut, nachdem wir dreimal aufgeboten worden
waren – was, nebenbei bemerkt, ganz unseren
Geschäftsgebräuchen entspricht und wieder einmal zeigt, wie
sehr diese Gebräuche die ganze Gesellschaft durchdringen.
Sie war kein böses Weib, aber sie hatte ein reizbares
Temperament. Wenn ich diesen Artikel unter Preis hätte
loswerden können, so hätte ich sie für kein anderes Weib in ganz
England hergegeben. Das soll nicht heißen, daß ich sie in
Wirklichkeit hergegeben habe, denn wir lebten zusammen, bis sie
starb, und das waren dreizehn Jahre. Nun, meine Lords und
Ladies und mein ganzes verehrtes Publikum, ich will euch in ein
Geheimnis einweihen, wenn ihr mir auch nicht glauben werdet.
Dreizehn Jahre reizbares Temperament in einem Palast würden
die Schlimmsten unter euch auf eine harte Probe stellen, aber
dreizehn Jahre reizbares Temperament in einem Karren würden
die Besten unter euch auf die Probe stellen. In einem Karren ist
man so sehr aufeinander angewiesen, müßt ihr verstehen. Es gibt
Tausende von Ehepaaren unter euch, die in fünf und sechs
Stockwerke hohen Häusern wie Öl auf dem Wetzstein 10
miteinander auskommen und die in einem Karren zum
Scheidungsrichter laufen würden. Ob das Rütteln des Karrens es
vielleicht schlimmer macht, das weiß ich nicht; aber in einem
Karren geht es einem auf die Nerven und läßt einen nicht los.
Böse Worte in einem Karren sind noch böser und Ärger in
einem Karren ist noch ärgerlicher.
Und dabei hätten wir ein so schönes Leben haben können! Ein
geräumiger Karren, an dem die großen Artikel draußen
aufgehängt waren, während das Bett, wenn wir auf der Fahrt
waren, zwischen den Rädern untergebracht war; ein eiserner
Topf und ein Kessel, ein Kamin für die kalten Tage, ein Ofenrohr
für den Rauch, ein Hängesims und ein Schrank, ein Hund und ein
Pferd. Was kann man noch mehr verlangen? Man macht halt auf
Pferd. Was kann man noch mehr verlangen? Man macht halt auf
einem Rasenplatz an einem Feldweg oder an der Landstraße,
man fesselt dem alten Gaul die Beine und läßt ihn grasen, man
zündet sein Feuer auf der Asche des vorigen Besuchers an, man
schmort seinen Braten, und man möchte den Kaiser von China
nicht zum Vater haben. Aber wenn man ein reizbares
Temperament im Karren hat, das einem böse Worte und die
härtesten Handelsartikel an den Kopf wirft, wie ergeht es einem
dann? Versucht einmal, eure Gefühle in diesem Fall
auszudrücken!
Mein Hund wußte genauso gut wie ich, wann sie in der richtigen
Verfassung war.
Noch bevor sie loslegte, pflegte er einmal aufzuheulen und
auszureißen. Woher er es wußte, war mir schleierhaft; aber er
wußte es so sicher und bestimmt, daß er aus dem tiefsten Schlaf
erwachte, aufheulte und davonlief, wenn es wieder einmal soweit
war.
Zu solchen Zeiten wünschte ich, ich steckte in seiner Haut.
Das Schlimmste aber war dies: Wir hatten eine Tochter, und ich
liebe Kinder von ganzem Herzen. Wenn sie nun wütend war, so
schlug sie das Kind, und das wurde so unerträglich, als das Kind
vier oder fünf Jahre alt war, daß ich oft mit der Peitsche über der
Schulter neben dem alten Gaul hergegangen bin, schlimmer
weinend und schluchzend als die kleine Sophy. Denn wie konnte
weinend und schluchzend als die kleine Sophy. Denn wie konnte
ich dagegen einschreiten? Mit einem solchen Temperament und
in einem Karren ist nicht daran zu denken, wenn es nicht zu einer
Prügelei kommen soll. Es liegt an der natürlichen Größe und den
Raumverhältnissen eines Karrens, daß es dann zu einer Prügelei
kommen muß.
Passierte das dann wirklich einmal, so wurde das arme Kind
noch mehr geängstigt als zuvor, und es erging ihm in der Regel
auch noch übler, und seine Mutter beklagte sich bei den
Nächstbesten, die uns begegneten, und da hieß es dann: »Da hat
dieser gemeine Kerl von einem Händler sein Weib geschlagen.«
Und dabei war die kleine Sophy so ein braves Kind! Wie sie
aufwuchs, fühlte sie sich immer mehr ihrem armen Vater zugetan,
obwohl er so wenig tun konnte, um ihr beizustehen. Sie hatte
wunderbar dichtes, glänzendes Haar, das in natürlichen Locken
ihr Gesicht umrahmte. Ich staune jetzt über mich selbst, daß ich
nicht in Raserei verfiel, wenn ich zusehen mußte, wie sie vor ihrer
Mutter um den Karren davonlief, und wie ihre Mutter sie dann
bei diesem Haar packte, zu Boden riß und auf sie losschlug.
Ich sagte, sie sei so ein braves Kind gewesen, und ich habe
Grund dazu.
»Mache dir das nächstemal nichts daraus, Vater«, pflegte sie mir
zuzuflüstern, während ihr Gesichtchen noch gerötet und ihre
leuchtenden Augen noch feucht 11
waren. »Wenn ich nicht laut schreie, dann kannst du wissen, daß
es nicht sehr weh tut. Und selbst wenn ich laut schreie, dann will