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sah sie dermaßen entgeistert an, dass sie es bleiben ließ.

      „Was ist den passiert?“, keuchte sie, während sie hinter ihm her hastete. „Leichenfund in der Kronbergstraße dreizehn“, gab er atemlos zurück.

      „Kronbergstraße dreizehn?“, wiederholte sie. „Das ist doch die Adresse ...“

      Krüger blieb stehen. „Ja genau. Darum bin ich so in Eile. Aber eigentlich läuft uns der Tote ja nicht weg. Habe ich Sie überhaupt begrüßt?“

      Nadja lächelte. „Nein. Haben Sie nicht.“

      „Guten Morgen, Frau Siller.“

      „Guten Morgen Chef“, gab sie zurück.

      In normalem Tempo gingen sie weiter. Krüger ließ sich sonst nicht so leicht aus der Fassung bringen.

      Aber diese Meldung: ein Toter in der Kronbergstrasse dreizehn, erstochen, wahrscheinlich vorletzte Nacht. Die Nacht, die er vor diesem Haus verschlafen hatte. Das durfte doch nicht wahr sein.

      ***

      Vor Ort war schon viel los. Einsatzfahrzeuge der Polizei, ein Leichenwagen. Und eine ganze Menge anderer Fahrzeuge, die kaum alle tatsächlich benötigt wurden, verstopften die Straße. Ein Leichenfund sprach sich schnell herum, dagegen konnte man nur wenig tun.

      Krüger parkte um die Ecke. Zu Fuß erreichten sie den abgesperrten Eingang. Von überall begrüßten ihn die anwesenden Beamten. Seine Begleiterin erntete bewundernde Blicke. Sie stiegen in den zweiten Stock und blieben an der offenen Wohnungstür stehen. Die Wohnung glich eher einer Müllhalde. Alles vollgestellt mit Abfällen. Kartons, Verpackungsreste, leere und halbvolle Flaschen. Ein Fahrrad versperrte den Weg zu einem Zimmer, das ohne Tür den Blick auf weiteren Unrat freigab.

      „Sind Sie soweit?“, fragte Krüger einen Beamten der Spurensicherung. „Können wir reinkommen?“

      „Nein sind wir nicht!“, fauchte der Mann. „Aber reinkommen können Sie trotzdem!“

      Ein schmaler Pfad führte ins Wohnzimmer. In einem Sessel saß ein Mann mittleren Alters. Sein Kopf lag zurückgesunken auf dem Oberteil der Lehne. Wohl deshalb hielt er sich im Sessel, ohne vornüber zu kippen. Die Ellenbogen ruhten auf den seitlichen Armpolstern. Die Hände des Toten umklammerten den Holzgriff eines Messers, das in seiner Brust steckte. Krüger warf einen Blick auf Nadja. Sie schien blass, hielt sich aber aufrecht. „Geht?“, fragte er.

      Sie nickte nur.

      „Wo ist der Pathologe?“, fragte Krüger in die Runde.

      „Schon wieder weg“, lautete die Antwort.

      „Der Tote heißt ...“ begann einer der Beamten. „Ich weiß wie er heißt“, unterbrach Krüger. „Heiko Stohler. Seit einem Jahr mein Hauptverdächtiger im Fall Obermann.“

      „So ein Zufall?“, wunderte sich der Beamte.

      „Wer hat den Toten gefunden?“, fragte Krüger weiter.

      „Wir!“

      „Sie?“

      „Ja. Ein anonymer Anruf: In dieser Wohnung finden Sie eine Leiche. Nichts weiter.“

      „Mann oder Frau?“, wollte Krüger wissen.

      „Frau, Herr Kommissar. Eindeutig.“

      „Das wurde aufgezeichnet?“

      „Selbstverständlich.“

      „Lassen Sie mir eine Kopie zukommen, bitte!“, brummte Krüger.

      ***

      „Der Augenschein am Tatort ist wichtig. Aber in diesem Fall hat es wahrscheinlich nicht viel gebracht“, sagte Krüger zu seiner Praktikantin, als sie die Wohnung verließen. „Bis die Spurensicherung in diesem Chaos etwas Brauchbares findet, kann es Tage dauern. Auch die Obduktion wird vermutlich kaum viel Neues bringen.

      Wir stehen wieder am Anfang, obschon ich bereits fast alles über das Opfer weiß“, fuhr Krüger fort.

      „Wer hat ein Motiv?“, fragte Nadja.

      „Die anderen Erben natürlich. Aber das ist mehr als unwahrscheinlich. Es muss noch jemanden geben, der vom Tod Stohlers profitiert, wenn es sich nicht eine Beziehungstat handelt. Was natürlich auch möglich ist“, antwortete Krüger nachdenklich. „Hatte er denn eine Beziehung?“, fragte Nadja weiter.

      „Soviel ich weiß, nicht.“ Krüger blieb stehen. „Wobei eine Beziehung natürlich nicht nur auf ein Liebesverhältnis beschränkt sein muss.

      „Was mich beschäftigt, möglicherweise habe ich den Täter gesehen.“

      Nadja sah ihn mit großen Augen an. „Wie meinen Sie, Chef? Sie haben den Täter gesehen?“

      „Ich erkläre es Ihnen später“, gab Krüger zurück. „Erst muss ich mir selbst klar werden.“

      Auf der Fahrt stellte Nadja endlich die Frage, die sie die ganze Nacht beschäftigt hatte. „Ich sollte doch nach neuen Ansätzen suchen, Chef? Dabei ist mir aufgefallen, es muss doch jemanden geben, der die Wohnhäuser verwaltet? In den Akten findet sich kein Hinweis darauf.“

      Krüger lächelte: „Natürlich kümmert sich jemand um die Häuser. Ein Büro, das solche Dienste anbietet“, antwortete er.

      Nadja sah ihn fragend an. „Und weiter?“

      „Nichts weiter“, gab Krüger zurück.

      „Aber die müssten doch etwas wissen?“, bohrte Nadja nach. „Das ist ja genau der Trick“, antwortete Krüger. „Die wissen gar nichts. Nur Adresse und Bankkonto eines weiteren Büros im Ausland, das genauso für ein weiteres Büro arbeitet. Die Kette ist lang, fast endlos. Dadurch werden jegliche Besitzverhältnisse und damit auch die Steuern unklar. Ohne das eine böse Absicht nachzuweisen ist. Das ist durchaus üblich. Hat als solches jedoch mit dem Fall nichts zu tun.“

      „Dann war ja meine ganze Arbeit umsonst.“ Die Enttäuschung konnte sie nur schlecht verbergen.

      „Bestimmt nicht“, tröstete Krüger. „Das zeigt mir, dass Sie vernetzt denken. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für gute Polizeiarbeit.“

      „Hat er mich jetzt gelobt?“, überlegte sie.

      „Suchen Sie einfach weiter“, fuhr Krüger fort. „In diesen Akten liegen oft noch Hinweise, die man nicht gleich erkennt.“

      „Danke, Chef!“, antwortete sie nur.

      „Danke wofür?“

      „Einfach so“, gab sie zurück. „Dafür, dass ich richtig mitmachen darf. Man hat uns auf der Polizeischule gesagt: Die Praktikanten machen Kopien und wenn sie Glück haben, werden sie anständig behandelt.“

      „Wirklich?“

      „Ja.“

      In Krügers Kopf tauchten Bilder auf. Er und Hellman im Archiv. Staubige Akten, die endlosen ersten Tage.

      Hellmann. Der Bahnhof in Zürich. Erich Merz. Was der wohl jetzt machte? Hatte er sich vielleicht doch umgebracht?

      „Chef!“, rief Nadja. Er schreckte hoch.

      Der Wagen vor ihnen stand nur noch wenige Meter entfernt. Keine Chance mehr. Wie in einem Film erlebte Krüger den Aufprall.

      ***

      Wieder und wieder lief der gleiche Film bei Krüger. Das Heck eines Wagens raste auf ihn zu, dann krachte es. Er wurde nach vorne gerissen.

      Dann begann es von neuem. Bis er endlich wach wurde. Überall nur weiß. Der Raum, das Bett, die Decke.

      Ich bin im Krankenhaus, schoss ihm durch den Kopf.

      Er versuchte, sich aufzurichten. Stechender Schmerz in den Hüften.

      Vorsichtig schob er die Decke weg. Blaugrüne Flecken mit einem Stich ins Gelbliche. Der Gurt hatte

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