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      Alana Maria Molnár

      In Berlin wird noch

      geschossen

      Roman

      Imprint

       In Berlin wird noch geschossen – Roman

       Alana Maria Molnár

       published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

       Copyright: © 2012 Alana Maria Molnár

       ISBN 978-3-8442-3675-0

      Júlia Márton, die Ich-Erzählerin aus Band 1 „Einmal im Jahr die Sintflut“ wird flügge und verlässt das Dorf, um den Traumberuf ihres Vaters zu erlernen. Die Schule ist mehrere hundert Kilometer entfernt, sie wird im Internat des Gartenbautechnikums wohnen. Besuche zu Hause gibt es nur in den Ferien, Besuche von zu Hause eher selten, wegen der Entfernung.

      Die erste große Liebe ist auch die erste große Enttäuschung, eine ernsthafte Erkrankung der Grund zum Abbruch. Júlia landet nach nicht mal zwei Jahren wieder in ihrem Dorf.

      Eine Reihe von Untersuchungen und Behandlungen beginnt, die mit einem Kuraufenthalt in Hévíz endet, Ungarns berühmtesten Kurort.

      Dort lernt sie ihren späteren Ehemann kennen, der mit einer ganzen Gruppe von DDR-Bürgern auch dort weilt. Fried Reimann ist acht Jahre älter, mit Leib und Seele Seemann und stets erfüllt von Fernweh. Er träumt von Ländern, die er bereisen möchte, aber nicht kann, weil sein Land ja ein Gefängnis ist - sagt er. Was Júlia nicht versteht, weil sie kein Deutsch spricht und Fred kein Ungarisch. Das ändert sich bald, als Júlia, gleich nach ihrer Rückkehr aus der Kur, mit einem Privatlehrer fleißig deutsche Vokabeln samt nötiger Grammatik paukt.

      Mit Fred Reimann hält das Abenteuer im Hause Márton Einzug, oder das, was Eltern und Großmutter dafür halten.

      Es kommt wie es kommen soll: Kaum volljährig, gibt Júlia das Jawort, fährt mit einem Touristenvisum zu Besuch zu ihrem Ehemann und will in die DDR.

      Das weiß Fred zu verhindern. Eines Tages kommt er mit einem Seesack auf der Schulter und mit einer Chow-Chow-Hündin an der Leine im Dorf an. Er lernt die Sprache, um in Ungarn arbeiten zu können. Nach kürzester Zeit hat er ein beachtliches Vokabular an Schimpfwörtern, kennt bald alle Kneipen im Ort und in der Umgebung und kehrt öfter mit dekorativen blauen Flecken heim ...

      Die Autorin: Übersetzerin für die ungarische Sprache und bildende Künstlerin, lebt seit 1972 in Berlin.

      „Mit viiiiel Geduld und der

      richtigen Strategie

      kann man jedes Ziel erreichen.“

      (frei nach R.H.)

      Für meinen Mann R.H.

      Was willst du werden?

      Mit vierzehn Jahren ist es an der Zeit zu entscheiden, was aus einem werden soll im Leben, heißt es in der Schule. Keine Ahnung, antworte ich, wenn man mich fragt, was ich denn werden wolle. Vater nimmt die Sache in die Hand und arbeitet hart daran, mich für seine Leidenschaft Gartenbau zu erwärmen. Als praktische Beispiele meiner bereits vorhandenen Erfahrungen auf dem Gebiet erwähnt er die prächtigen Blumen, die ich aus Samen gezogen habe. Er war sehr überrascht und erfreut gewesen zu sehen, mit welchem Eifer und auch System ich an die Sache heranging. Das Heft, das ich zu diesem Zweck angelegt habe, sei der klare Beweis dafür, daß aus mir ein guter Gärtner werden kann, meint Vater.

      Er weiß nicht, daß ich meine Aufzeichnungen sorgfältig kopiert und Kálmán nach Siebenbürgen geschickt habe. Die begeisterte Antwort kam an Erikas Adresse. Auch Kálmán meint, ich müsse unbedingt etwas mit Blumen machen, oder überhaupt mit Pflanzen, ich sei dafür wie vom lieben Gott geschaffen.

      Wenn zwei gestandene Männer mir dazu raten, kann es nicht falsch sein. Im ganzen Land gibt es drei Schulen, Gartenbautechnikum genannt, die Vater nun anschreibt. Alle drei schicken die Bewerbungsunterlagen, denn ich muß ein Aufnahmeverfahren mit schriftlichen und mündlichen Prüfungen durchlaufen. Obwohl das meine Chancen vermindert, entscheidet Vater, daß ich mich nur in einer Schule bewerben sollte, und zwar in dem Städtchen mit dem zungenbrecherischen Namen Sátoraljaújhely, im nordöstlichsten Zipfel Ungarns. Die Stadt liegt an der slowakischen Grenze und ist gleichzeitig Grenzübergang. Die Wahl fällt nicht zufällig auf diese Schule, Vater kennt irgendwelche Leute, die wiederum einen der wichtigsten Lehrer kennen, der in der Prüfungskommission sitzt und darüber befindet, welche Bewerber aufgenommen werden.

      Vater begleitet mich zur Aufnahmeprüfung. Die Reise dauert viele Stunden. Was genau geprüft wird, wissen wir nicht, in den Unterlagen waren die Angaben spärlich. Die Schule hat aber den Ruf, die beste von allen dreien zu sein, die Absolventen bekommen mit dem Abschluß automatisch die Eintrittskarte für die Hochschule für Gartenbau in Budapest. Vater plant langfristig.

      Das alte Gebäude mit angeschlossenem Internat ist ein ganzes Stück vom Bahnhof entfernt, wir müssen uns beeilen.

      Der erste Teil des Aufnahmeverfahrens besteht aus drei schriftlichen Prüfungen, danach kommt ein Gespräch mit jedem einzelnen Bewerber. Die Aula ist voll, die Schüler müssen für die Klausuren auf zwei Räume verteilt werden. Eine schweißtreibende Angelegenheit, vor allem in Mathematik. Die Aufgaben in den anderen Fächern fallen mir leicht. Am Nachmittag dann das Gespräch, im Beisein des Direktors und drei anderer Lehrer.

      Bevor wir wieder zum Bahnhof gehen, entdeckt Vater den Freund, der für mich ein gutes Wort einlegen will. Er ist mit seinem Sohn da, mit Gáspár, einem schlacksigen Jungen mit dunklem krausem Haarschopf und einer römischen Nase. Gáspár schafft es, wie auch ich. Wegen seiner Haare heißt er vom ersten Tag an das Schaf.

      Der Drachen

      Die achte Schulklasse mit prachtvoller Abschlußfeier und dem obligatorischen Buchpräsent liegt hinter mir. Jedes Jahr habe ich für gute Leistungen ein Buch bekommen. Die ersten vier tragen die zierliche Perlenschrift der "kleinen Szabó". Die übrigen von Frau Hegedűs, meine Klassenlehreren ab der fünften Klasse, sie schreibt auffallend große Buchstaben. Der Direktor hält eine lange Rede, und Großmutter weiß besser, was er gesagt hat, als ich. Sie wiederholt es zu Hause, bei unserer familiären Feier. Tante Eszter und Onkel Béla sind da, meine Patentante und natürlich Großtante Klára. Laci fehlt, er ist schon irgendwo in den Ferien.

      Der Sommer erscheint mir kürzer als sonst, vielleicht wegen der Vorbereitungen. Es gibt eine Menge Sachen, die wir besorgen müssen, dazu gehören auch Schulkittel für den theoretischen Unterricht in der Schule und kräftige und auch warme Kleidung mit festen Schuhen für die Arbeiten im Freien. Vier Tage haben wir Theorie und einen Tag Praxis, nach Ende des regulären Schuljahres noch einmal zusammenhängend vier Wochen Praktika. Das bedeutet ab sofort kürzere Ferien.

      Bei der Einschulung ist Mutter dabei, einen großen Koffer haben wir mit der Bahn vorher schon aufgegeben. Die Fahrt erscheint mir diesmal kürzer als damals mit Vater, aber ich denke nicht viel darüber nach. Bei der Feier morgen wird Mutter nicht mehr da sein, sie fährt, gleich nachdem sie mich einquartiert habe, wie sie sagt, gleich wieder zurück. In dieser Stadt haben wir keine Bekannte oder Freunde, bei denen sie übernachten könnte.

      Das Geschlechterverhältnis in der Schule ist drei zu eins, zugunsten der Jungs. In meiner, der ersten Klasse, gibt es dreißig Jungs und zehn Mädchen. Das sei gut, sagt Mutter, dann tragen die euch auf Händen. Ihre Prophezeiung erfüllt sich nicht. Unsere Privilegien werden daraus bestehen, den Jungs die Hemden bügeln zu dürfen. Freilich erst in den höheren Klassen, und da auch nur die Hemden des Auserwählten.

      In einem Zimmer wohnen sechs Mädchen, im Alter gemischt. Die Kleiderschränke stehen auf dem Flur, immer in der Nähe der Zimmer. Vor dem Schrank, der mir zugewiesen wurde, steht schon ein leerer Koffer, Mutter hilft mir beim Einräumen der Sachen.

      »Ob dein Schrank nach einer Woche auch noch so aussieht?«

      Die Frau, die das fragt, wird unsere Aufseherin. Sie ist auffallend dünn, hat vorstehende Augen und Haare wie ein Wischmop. Mit qualmender Zigarette in der Hand und heiserer Stimme liest sie die Namen der Neuankömmlinge von einem

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