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      Insgesamt kann die Gründung der V.A.G als direkte Reaktion auf den weltweit verschärften Wettbewerb gewertet werden. Zur Struktur der Handelsmarke V.A.G konkretisiert VW: »Die Vertriebsorganisation basiert nach wie vor auf dem Franchise-System, d.h. die Einzelhändler nehmen als freie Unternehmer die Vertriebsaufgaben nach einheitlichen Richtlinien des Volkswagen Konzerns wahr. Ende 1978 beschäftigt die weltweite V.A.G-Verkaufsorganisation in 10.600 Betrieben über 211.000 Mitarbeiter.«42

      Gerüchteweise verlautete, dass die neue Vertriebsorganisation auch den Boden für eine Reihe von Fahrzeugen der Ober- und Luxusklasse bereiten sollte, die der VW-Konzern schon bald auf den Markt bringen wollte. Als Markenname für die Luxusdivision stand »Horch« zur Debatte. Allerdings waren die Rechte an der Traditionsmarke noch im Besitz der Daimler-Benz AG, die dem VW-Konzern untersagte, den Namen Horch und das Horch-Markenlogo zu verwenden.

      Die Neupositionierung der Konzernmarken war die Ursache für das Ende des kleinen Audi 50, der im Juli 1978 nach nur vier Jahren Bauzeit und gerade einmal 180.828 produzierten Exemplaren vom Markt genommen wurde. Ein geplantes Facelift, das den Audi 50 optisch vom baugleichen VW Polo entfernen und näher an die neu entwickelten Audi-Modelle rücken sollte, wurde nicht mehr umgesetzt. Damit beendete die Marke Audi ihr Angebot in der Kleinwagenklasse – bis zur Rückkehr dorthin sollte es viele Jahre dauern.

      NSU-Fans mussten in diesen Monaten miterleben, wie ihre Marke im VW-Konzern in der Bedeutungslosigkeit verschwand: Die Fertigung des Ro 80 war eingestellt worden, der Wankelmotor war kein Thema mehr und neue Modelle der Marke NSU waren innerhalb des V.A.G-Verbunds nicht vorgesehen.

      Hierzu schrieb der Buchautor Jerry Sloniger: »Zuletzt meldete sich noch eine Gemeinschaft zur Förderung des Wankelmotors zu Wort und verkündete, ihre 150 Mitglieder seien furchtbar böse, VW mache Fehler über Fehler in Entwicklung, Lizenzpolitik und Verkaufsförderung. Sie forderten schlicht, der Vorstand möge zurücktreten. Sie vergaßen dabei, daß VW mittlerweile 99 % der Audi-NSU-Aktien besaß und jetzt [...] von einem reinen Finanzmann geleitet wurde.«43

      Umso schmerzlicher war für die Wankel-Anhänger der Blick nach Japan, wo Mazda einen schnittigen Sportwagen mit Wankelmotor und Porsche-924-Optik auf den Markt gebracht hatte. Der neu entwickelte 2-Rotoren-Wankelmotor erreichte eine Leistung von 105 PS (77 kW) bei 6.000 U/min sowie ein maximales Drehmoment von 147 Nm bei 4.000 U/min. Unter der Modellbezeichnung Mazda RX-7 sollte der Wagen im Frühjahr 1979 auch nach Deutschland kommen.

      Obwohl es um NSU und DKW im Zuge der V.A.G-Einführung immer ruhiger geworden war, so waren die beiden Marken doch immer noch Bestandteile des VW-Konzerns. Ein Lebenszeichen kam im Sommer 1978 aus Ingolstadt, wo der Nachfolger zur Notlösung VW Typ 181 (»Kurierwagen«) entwickelt worden war. Unter dem Namen VW Iltis präsentierten die Verantwortlichen ein geländegängiges Gefährt mit zuschaltbarem Allradantrieb.

      Der Volkswagen Iltis verzichtete auf die Käfer-Technik des Typ 181, aber seine Abstammung vom alten, bereits 1968 eingestellten Modell DKW Munga war trotz seines wassergekühlten Viertaktmotors aus dem V.A.G-Regal nicht zu verhehlen. Technisch anspruchsvoll hingegen war der Allradantrieb des Iltis konzipiert – unter dem Namen »Quattro« sollte er bei Audi bald in Serie gebaut werden. Auch Zivilisten konnten den Volkswagen Iltis ganz regulär bestellen und zulassen. Im Weg stand dabei nur der hohe Preis von anfangs 34.000 Mark (ca. 17.000 Euro), womit der Iltis rund doppelt soviel kostete wie ein Audi 80. Dementsprechend war es kein Wunder, das insgesamt nur rund 400 VW Iltis in Zivilversion vermarktet werden konnten.44

      So gut das Jahr 1978 für den VW-Konzern gelaufen war, so gab es doch einige bittere Pillen zu schlucken. Zum einen war der Versuch von VW-Chef Toni Schmücker gescheitert, den Mehrheitsanteil am Computerriesen Nixdorf zu erwerben und damit das Kerngeschäft zu diversifizieren. Der VW-Konzern saß auf übervollen Kassen und auf Geld, das angelegt werden wollte – doch Heinz Nixdorf lehnte das Angebot ab und gab der Deutschen Bank den Zuschlag. Die bezahlte für eine Beteiligung in Höhe von 25 Prozent die Summe von 200 Millionen Mark (ca. 100 Millionen Euro).

      Zum anderen liefen im neuen Werk in den USA die Dinge nicht wie gewünscht. Statt langsam die Startschwierigkeiten abzuarbeiten und zu einer planvoll laufenden Produktion zu gelangen, besetzten wild streikende VW-Arbeiter das Fabrikgelände in Westmoreland County nahe Pittsburgh. Der Grund war, dass sie sich von der Gewerkschaft und von VW bei den jüngsten Tarifverhandlungen verraten fühlten. Dutzende von Streikposten hatten sich mittlerweile in Wild-West-Manier hinter quergestellten Autos verbarrikadiert, um jeden arbeitswilligen Eindringling zurückzuweisen. Damit war der ganze Zeit- und Produktionsplan hinfällig, so auch die Einführung der zweiten Schicht, mit der das VW-Werk erst rentabel arbeiten würde.

      Diese sich für 1979 abzeichnende Entwicklung in den USA war nicht unbedingt ein gutes Omen für weitere Montagewerke außerhalb von Deutschland, doch der weltweite Wettbewerb zwang VW zur Expansion. Nach zähen, sich über Jahre hinziehenden Verhandlungen war Anfang 1979 schließlich der Bau eines Montagewerks in Ägypten vereinbart worden, in dem mittelfristig 20.000 Käfer pro Jahr montiert werden sollten. Da in Deutschland die Käfer-Fertigung eingestellt worden war, mussten die Teilesätze aus Brasilien angeliefert werden. Für dieses Montagewerk wollte der VW-Konzern 50 bis 60 Millionen Mark (ca. 25 bis 30 Millionen Euro) investieren. Dieser Schritt war für den VW-Konzern enorm wichtig, denn die japanischen Wettbewerber hatten die Wolfsburger Fahrzeuge in Ägypten schon fast aus dem Markt gedrängt.

      In Deutschland hingegen gelang dem VW-Konzern im Frühjahr 1979 eine echte Sensation. In einer Zeit, in der aus Sicherheitsbedenken kaum noch ein Hersteller ein Cabriolet im Verkaufsprogramm hatte und die kleinen Roadster-Produzenten aus England wirtschaftlich am Abgrund standen, stellten die Planer bei VW ein eigenes offenes Fahrzeug vor: das Golf Cabrio. Zur Serienreife entwickelt und gebaut werden sollte das Golf Cabrio vom Karosseriespezialisten Karmann in Osnabrück, dessen Mitarbeiter reichlich gewachsenes Know-how bei der Produktion von offenen Fahrzeugen besaßen. Die Fertigung des immer noch bei Karmann montierten Käfer Cabrio sollte trotz der massiven Kundenproteste, die einen Weiterbau forderten, im Januar 1980 endgültig auslaufen.

      Technisch war das Golf Cabrio unspektakulär. Zwei Motoren standen zur Auswahl, so der 1,5-Liter-Motor mit 70 PS (51 kW) und der starke 1,6-Liter-Motor mit 110 PS (81 kW). Allerdings wurde das Golf Cabrio mit der starken Motorisierung nicht als GTI-, sondern mit nobler GLI-Ausstattung angeboten. Das Verdeck war gut gefüttert und im Gegensatz zu den Verdecken italienischer und englischer Fahrzeuge sogar regendicht. Damit war der offene Golf durchaus wintertauglich. Wie vorher beim Käfer Cabriolet und danach beim offenen Karmann Ghia, so hatten die Entwickler auch beim Golf Cabriolet das aufregende Gefühl des Offenfahrens mit solider Fahrzeugtechnik vereint.

      Zwei Wermutstropfen mussten die Fahrer des offenen Golf indes in Kauf nehmen: Erstens die Tatsache, dass die hinteren Seitenscheiben nicht voll versenkbar waren. Zweitens den massiven Überrollbügel, der zur Versteifung der Karosserie sowie zur Führung der hinteren Seitenfenster unverzichtbar war und dem VW Golf Cabriolet auch gleich seinen Spitznamen einbrachte: »Erdbeerkörbchen«. Doch der Überrollbügel und die nicht vollständig versenkbaren hinteren Seitenscheiben waren nicht die einzigen Gründe für die Skepsis, die dem offenen Golf anfänglich entgegengebracht wurde.

      Fakt war, dass der Mix aus Cabrio-Noblesse und kühl kalkulierter Großserientechnik etwas Neues war, das es so in der Kompaktklasse bislang nicht gegeben hatte. Der Mut des VW-Vorstands wurde jedenfalls bald belohnt: Nach einigen Anlaufschwierigkeiten avancierte der offene Golf zum Publikumsliebling – und weder Ford noch Opel noch sonst ein Großserienhersteller hatte ein vergleichbares Modell im Programm. Mit seinem Erfolg löste das Golf Cabrio einen neuen Cabrioboom aus, der bis heute anhält. 45

      Das serienreife Golf Cabrio war dabei längst nicht so kompromisslos wie der schon 1976 von Karmann präsentierte Prototyp eines Golf Cabriolets. Bei diesem voll fahrbereiten Prototyp lag das zusammengefaltete Verdeck bündig versenkt im Kofferraum. Das war optisch sehr ansprechend, ging jedoch zu Lasten der Alltagstauglichkeit, weil der Kofferraum damit über Gebühr schrumpfte. Der auffälligste Unterschied aber war der fehlende Überrollbügel. Nicht nur bei Karmann wurde der Verzicht auf den Überrollbügel als ästhetischer empfunden, denn ähnlich wie der Prototyp von Karmann hatte auch Italdesign bereits

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