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rein rechnerisch pro Monat ungefähr eine“, grinste nun selbst Aaron.

      „Nee. Wenn ich abends weg bin, gehe ich meistens nicht alleine heim.“

      „Wie gut, dass wir heute Mittag aus sind…“

      „Ja, und wie gut, dass du ein Typ bist“, entgegnete Stig mit schallendem Gelächter und lehnte sich nach hinten.

      Der geöffnete Kragen seines Hemds legte eine silberne Kette frei. Aaron schluckte und sah dann betreten auf den Platz unter ihnen. An dem Brunnen spielten einige Schulkinder. Es war heiß, irgendwie zu heiß für diese Jahreszeit. Eine Traube Touristen hatte sich vor dem Dom versammelt. Aaron erkannte nicht, ob sie ihn bereits besichtigt hatten oder ob sie ihn noch besichtigen würden. Zwei, drei Mal war er dort gewesen – höchstens. Von außen wirkte er imposant, majestätisch, prachtvoll. Innen war es ihm zu düster, zu muffig. Kaum Licht, kaum Luft. Von außen allerdings, das musste er zugeben, verfehlte der Dom keineswegs seine Wirkung.

      Stig verharrte weiterhin in seiner Pose. Hin und wieder ließ er die Brustmuskeln spielen. ‚Ein echter Macho‘, dachte Aaron und konnte es ihm nicht verübeln.

      „Frauen sind wie Straßenbahnen“, griff Stig den Gesprächsfaden wieder auf, „nach der einen kommt immer ‘ne andere.“

      „Aber je später es wird, desto weniger fahren“, konterte Aaron.

      „Aber es fahren welche“, zwinkerte Stig ihm zu und schob sein Messer auf dem Tisch hin und her.

      „Aber vielleicht nicht mehr so weit wie frühere…“

      „Aber, aber, aber – wie bist du denn drauf? Werd‘ doch mal locker! Ist ja schlimm. Ich leb‘ doch nicht im Kloster“, er schlug ihm auf den Oberarm.

      Aaron sagte nichts. Er beobachtete die kleinen Bläschen, die in seinem Wasser aufstiegen und an der Oberfläche zerplatzten. Unweigerlich dachte er an sich, an seine Träume. Hatte Stig womöglich Recht? Sollte Aaron nicht alles etwas lockerer nehmen? Anscheinend lebte Stig ja ganz gut damit. Aaron starrte noch eine Weile auf die Bläschen in seinem Wasserglas, während sich Stig eine Zigarette anzündete und den Qualm genüsslich in die Richtung seines Freundes blies, der angewidert die Nase rümpfte und wieder aufsah. Erst jetzt bemerkte er die kleine Rose, die in einer schmalen Vase frisch und duftend zwischen ihnen stand.

      „Schöne Blume.“

      „Gibt’s doch zurzeit überall auf den Tischen“, raunzte Stig und zog erneut an seiner Zigarette.

      „Was macht deine Arbeit“, erkundigte sich Aaron.

      „Läuft. Verdiene gut.“

      „Macht’s denn auch Spaß?“

      „Meine Arbeit? Nö. Hauptsache das Geld stimmt. Macht dir deine Arbeit etwa Spaß?“

      „Ja, schon. Aber bei mir stimmt dafür das Geld nicht so“, grinste Aaron.

      „Dann würde ich mir was anderes suchen.“

      „Ich komme ja hin. Dafür macht es mir halt Spaß. Bist du noch in derselben Kanzlei?“

      „Ja. Hey, da kommt die Süße wieder“, Stigs Augen hafteten, kaum, dass es gesagt war, abermals auf der Kellnerin, die ihnen einige Minuten später ihren Pizzen brachte, Aaron die vegetarische, Stig die Don Giovanni.

      Ihr Gespräch plätscherte so dahin. Eine Belanglosigkeit jagte die andere. Als sie fertig gegessen hatten, trennten sich ihre Wege.

       II.

      Lange würde es nicht mehr dauern und die warme Julisonne wäre hinter den Häuserdächern verschwunden. Ein wenig drohend wirkten die Schatten, die immer länger werdend über den engen Platz krochen. In der Stadt war es bereits ruhiger geworden. Viele befanden sich längst auf dem Heimweg oder tätigten noch hier und da ein paar Einkäufe, ehe sie danach den anderen folgten. In einer Loggia, leicht erhöht, saßen zwei junge Männer, die sich hier nach der Arbeit verabredet hatten.

      „Wir haben uns ja seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen“, meinte Stig.

      „Nein“, korrigierte Aaron, „drei, vier Monate sind keine Ewigkeit.“

      „Kam mir länger vor…“

      „Du hast mich wohl vermisst“, sagte Aaron und konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.

      „Das hättest du wohl gerne. Ist vermutlich eher umgekehrt“, widersprach Stig.

      „Du überschätzt dich.“

      Aaron stierte in die Augen seines Freundes, dass diesem das neckische Grinsen zu einer ernsten Miene gefror. Ein junger Kellner brachte zwei Weizen. Mit einem schüchternen „Bitteschön“ stellte er sie ab und entfernte sich. Stig spielte nervös an seinem Schlüsselbund, den er auf den Tisch gelegt hatte.

      „Ist diesmal leider keine Kellnerin“, stichelte Aaron.

      „Ach“, zischte Stig verärgert.

      „Ist irgendwas nicht in Ordnung?“

      Er schaute zuerst zur Seite, dann kurz zu seinem Freund, dann wieder zur Seite.

      „Nein, was soll sein?“

      „Du bist irgendwie anders?“

      „Ich? Anders? Nein, ich bin noch ganz der Alte“, brach er in ein Gelächter aus, das wenig überzeugend rüberkam. Er schien es selbst zu merken und verstummte blitzartig.

      „Nein, alles in Ordnung. Du denkst dir mal wieder zu viel.“

      „Und du dir zu wenig. Wie ging’s denn aus?“

      „Was?“

      „Na, das mit der Kellnerin…“

      „Normal halt.“

      „Ein paar Mal rumgemacht und das war’s?“

      „Ja.“

      „Stört dich das plötzlich“, wunderte sich Aaron.

      Sein Kumpel wich jedem Blickkontakt aus. Er zeichnete mit seinen Fingerspitzen simple Muster auf das beschlagene Glas. Er machte einen eigenartigen Eindruck auf Aaron. Fühlte dieser sich früher heimlich zu ihm hingezogen, empfand er heute nichts. Keine gesteigerte Sympathie, aber auch keine Abscheu. Ihm kam alles so seltsam neutral vor.

      „Nein, es stört mich nicht.“

      „Bist du nicht gut drauf?“

      „Wieso das denn“, antworte Stig fast schon aggressiv.

      „Das letzte Mal hast du mir noch stolz von deinen Weibergeschichten erzählt und gemeint, ich solle lockerer werden…“

      „Die interessieren dich doch eh nicht. Ist sowieso immer dasselbe.“

      „Langweilt es dich etwa auf einmal?“

      „Machst du jetzt einen auf Hobby-Psychologen?“

      „Nö. Ich hab ja nur gefragt.“

      „Du fragst immer nur. So wie du könnte ich nicht leben.“

      „Wie lebe ich denn?“

      „Zu brav. Zu langweilig.“

      ‚Wenn du wüsstest‘, dachte Aaron und lachte innerlich. Gleichzeitig tat es Stig irgendwie Leid, was er gesagt hatte. Der Aaron, der dort saß – war das tatsächlich der Aaron, den er all die Jahre wahrgenommen hatte? Verglichen mit ihm war Aaron in der Tat der reinste Langweiler, aber wenn man andere Maßstäbe heranzöge? Zwar bliebe sein Freund vermutlich nach wie vor brav und langweilig, doch vielleicht wäre das normal? Stig umgriff sein Glas. Das kühle Bier tat ihm gut. Auf eine Zigarette hatte er keine Lust. Die Kippen türmten sich ohnehin längst bis zum Aschenbecherrand.

      „So wie du könnte ich auch nicht leben“, erwiderte Aaron.

      „Pff… Lass mich raten: Zu aufregend,

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