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Direktor der Boxley-Frauenklinik nahm seinen Sitz am Kopfende des langen Tisches ein und nickte seinen Kollegen zu, die sich versammelt hatten. Dann machte er eine respektvolle Verbeugung vor Sir John Denham, dem berühmten Chirurgen, der auf eine besondere Einladung hin an der Sitzung teilnahm.

      Dr. Parsons, der Direktor, schob ein kleines Päckchen zur Seite, das vor ihm lag, sah einen Augenblick auf die Adresse und stellte fest, daß es an ihn selbst gerichtet war. Allem Anschein nach war es die neue Serumsendung, die er bestellt hatte. Er ließ seine Blicke zur Rechten und zur Linken schweifen und lächelte bitter, als er die düsteren Gesichter seiner Kollegen sah. »Nun, Gentlemen«, begann er, »es sieht fast so aus, als ob wir die Boxley-Klinik schließen müßten.«

      »Steht es so schlecht?« fragte einer der Ärzte bestürzt.

      Dr. Parsons nickte, dann fragte er: »Sie hatten wohl auch kein Glück, Sir John?«

      Der Chirurg schüttelte den Kopf. »Ich habe alle möglichen Leute in London aufgesucht, die in der Lage wären, uns zu helfen. Es ist furchtbar, daß diese Klinik geschlossen werden muß, aber ich glaube, es gibt keinen anderen Ausweg.«

      Der Doktor nickte traurig. »Zwei von den vier Häusern habe ich bereits schließen müssen. Wir Ärzte sind schon vierzehn Tage ohne Gehalt, aber das schlimmste ist, daß eine Menge Aufnahmegesuche vorliegen. Vierundachtzig Patientinnen, deren Namen vornotiert sind, konnten wir nicht aufnehmen.«

      Sir John nickte bedrückt. »Es ist eine sehr ernste Lage, in der wir uns befinden. – Kennen Sie eigentlich Mr. Grandman?«

      »Ja, oberflächlich. Er ist mir so weit bekannt, daß ich ihn um Hilfe angehen konnte, aber ich hatte keinen Erfolg. Mr. Grandman wollte nichts davon hören, daß er uns mit einer größeren Summe helfen sollte. Dabei hat er früher tatsächlich einmal eine Stiftung gemacht. Aber ich muß soeben an Lord Claythorpe denken; er ist ein guter Freund von Grandman. Er hat für seine Nichte eine Perlenkette im Wert von fünfzigtausend Pfund als Hochzeitsgeschenk gekauft. Es stand in allen Morgenzeitungen.«

      »Ich habe es gelesen«, erklärte Sir John.

      »Manchmal fühlte ich mich wirklich versucht, Einbrecher zu werden«, erklärte der Direktor müde. »Man möchte sich fast der ›Quadrat-Jane‹ anschließen. Die hat doch das kostbare venezianische Armband gestohlen, das der Eigentümer jetzt durch Zeitungsinserate zurückzubekommen trachtet. Sie ist als Detektivin zu Grandman gegangen und hat dort alles ausgeräumt. Sämtliche Schmuckstücke der Gäste scheinen ihr in die Hände gefallen zu sein; dann hat sie sich während der Nacht davongemacht. Unter ihrer Beute befand sich auch dieses kostbare Armband, das früher einmal einem venezianischen Dogen gehört haben soll. Das Stück allein ist schon ein Vermögen wert.

      Auf jeden Fall versucht der Eigentümer, es wieder in seinen Besitz zu bringen. Er schreckt vor keinen Kosten zurück.«

      »Wer ist es denn?«

      »Lord Claythorpe. Seine Frau hat dieses prachtvolle Stück getragen. Sie war so eitel, es auf der Gesellschaft bei Grandman zeigen zu müssen. Claythorpe selbst ist ein erfahrener Sammler und soll ganz außer sich gewesen sein, als seine Frau ihm den Verlust mitteilte.«

      In diesem Augenblick klingelte das Telefon. Dr. Parsons zog den Apparat näher heran und runzelte die Stirn.

      »Ich habe den Leuten im Büro doch gesagt, daß ich während der Sitzung für niemanden zu sprechen bin.« Er nahm den Hörer ab. »Wer ist denn da?« fragte er ärgerlich.

      »Ist dort Doktor Parsons?« erwiderte eine Frauenstimme.

      »Ja, ich bin selbst am Apparat.«

      »Ich wollte Ihnen nur sagen, daß ich heute morgen Ihren Aufruf gelesen habe.«

      Dr. Parsons' Züge hellten sich sofort auf. Die Klinik war sein Lebenswerk, und jede Aussicht, daß man ihr helfen wollte, wenn auch in noch so geringem Maße, beglückte ihn.

      »Ich freue mich, daß der Aufruf Eindruck auf Sie gemacht hat«, sagte er halb im Scherz und halb im Ernst, »und ich hoffe, daß es nicht nur bei Worten bleiben wird. Habe ich recht mit der Annahme, daß Sie mir eventuell helfen wollen?«

      Er hörte ein fröhliches Lachen am anderen Ende der Leitung.

      »Sie fordern das Publikum auf, achttausend Pfund zu zeichnen, um damit die Klinik weitere sechs Monate zu unterhalten.«

      »Ja, das stimmt.«

      »Ich habe Ihnen zehntausend geschickt!«

      Dr. Parsons hielt den Atem an.

      »Was, Sie haben mir zehntausend Pfund geschickt?« erwiderte er dann verblüfft. »Sie machen sicher nur einen Scherz!«

      »Nun, ich habe Ihnen nicht direkt zehntausend Pfund in barem Geld geschickt, sondern etwas, das soviel wert ist. Gestern Abend habe ich ein Päckchen an Sie aufgegeben. Haben Sie es erhalten?«

      Parsons sah sich um.

      »Ja, hier ist ein Päckchen, das in Clapham zur Post gegeben wurde. Stammt das von Ihnen?«

      »Ja, das ist von mir. Ich bin froh, daß es Sie erreicht hat.«

      »Was ist denn darin?« fragte der Doktor neugierig.

      »Ein sehr wertvolles Armband, das eigentlich Lord Claythorpe gehört.«

      »Wie bitte?« fragte Parsons bestürzt.

      »Es ist das Armband, das ich dem Lord gestohlen habe«, erklärte die junge Dame offen. »Er hat für seine Wiederbeschaffung eine Belohnung von zehntausend Pfund ausgesetzt. Geben Sie ihm das Armband zurück, und verwenden Sie die zehntausend Pfund Belohnung für die Weiterführung Ihrer Klinik.«

      »Mit wem spreche ich denn?«

      »Mit der jungen Dame, die die Zeitungen ›Quadrat-Jane‹ getauft haben.«

      Nach diesen Worten wurde am anderen Ende aufgelegt.

      Mit zitternden Fingern riß Dr. Parsons die Schnur auf, die das Päckchen zusammenhielt.

      Als die Wellpappe entfernt war, zeigte sich ein kleiner Holzkasten mit einem Schiebedeckel. Parsons öffnete ihn, und auf einem Polster von Watte sah er das berühmte venezianische Armband.

      Die Sache erregte großes Aufsehen. Die Presse, die schon seit Wochen über nichts Aufregendes mehr zu berichten gehabt hatte, stürzte sich mit Begeisterung auf diese Sensation. Es gab keine Zeitung, die die Geschichte nicht in großer Aufmachung gebracht hätte.

      Aber die Belohnung war nicht so einfach zu erhalten, wie sich die Presse und Dr. Parsons das gedacht hatten. Lord Claythorpe hatte durch einen Telefonanruf von der Sache gehört; Dr. Parsons selbst brachte das kostbare Stück in das vornehme Stadthaus des Lords am Belgrave Square.

      Der Lord war ein verhältnismäßig kleiner, hagerer Mann mit kahlem Kopf und gelbem Gesicht, der sich leicht ärgerte. Er empfing den Arzt in seiner prachtvollen Bibliothek. Die eine Wand war, wie der Besucher sah, mit den Türen kleiner Safes bedeckt, die dort eingelassen waren. Der Lord sammelte kostbare Steine und hatte sich, um sie vor Einbrechern zu schützen, ein besonderes System ausgedacht.

      Er hielt es nicht für sicher, seine kostbare Sammlung in einem einzelnen Safe aufzubewahren; er hatte sie in mehreren Stahlschränken untergebracht.

      »Jaja«, sagte der Lord und runzelte die Stirn, »das ist das wertvolle Schmuckstück. Es hätte mir furchtbar leid getan, wenn es wirklich verloren gewesen wäre. Hätte mein dummes – äh, meine Frau es nicht auf die Gesellschaft mitgenommen, dann hätte ich nachher nicht derartige Umstände gehabt. Es ist eine der größten Kostbarkeiten in ganz England.«

      Dann hielt er Dr. Parsons einen Vortrag über den künstlerischen und historischen Wert dieses Stückes, während der Arzt ungeduldig von einem Fuß auf den anderen trat. Der Lord schien nichts von der Belohnung wissen zu wollen. Schließlich verlor der Arzt die Geduld und machte eine diesbezügliche Andeutung.

      »Eine Belohnung?« erwiderte Claythorpe ungemütlich. »Ich

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