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Volkswirtschaften der Eurozone immer mehr in einem Gleichklang bewegen und sich ihre Wachstumsraten immer mehr aneinander annähern, dann sieht die Wahrheit (leider) anders aus.

       Die Eurozone wächst auseinander

      24. April 2012

      Ich habe mir mal auf den Eurostat-Seiten die Zahlen zum Wirtschaftswachstum der Jahre 2000-2011 in der Eurozone herausgesucht. Meine Frage war: Haben sich die Wachstumsraten in den verschiedenen Staaten aneinander angenähert?

      Hier die Rohdaten über das Wirtschaftswachstum:

      Die Länder unter 4 Millionen Einwohner habe ich weggelassen, denn die Wirtschaftsentwicklung solch kleiner Einheiten ist stark von der Entwicklung der regional verankerten Branchen abhängig. Man kommt damit in Bereiche, die von einer regionalen Strukturpolitik angesprochen werden müssen. Mir geht es allerdings nicht um die Güte regionaler Strukturpolitik, sondern um die Wirkungen eines gemeinsamen Währungsraums und einer zentralisierten Geldpolitik.

      Das übliche Maß für die Streuung innerhalb eines Datensatzes ist nun die Standardabweichung. Um die Frage zu beantworten, ob sich die Wachstumsraten der Eurozonen-Mitglieder einander angenähert haben, ist es darum sinnvoll, die Entwicklung der Standardabweichung der Wachstumsraten (bezogen auf den Durchschnitt der Euro-17) zu betrachten.

      Hier diese Entwicklung in einem Diagramm:

      Streuung der Wachstumsraten in der Eurozone

      Man sieht es auch an der berechneten Trendgerade f(x). Die Streubreite der Wachstumsraten steigen tendenziell. Das heißt: Europa entwickelt sich wirtschaftlich auseinander.

      Eine Erklärung für die Entwicklung braucht man nicht lange zu suchen. Vor der Eurozeit konnten Staaten mit unterdurchschnittlichem Wirtschaftswachstum ihre Währung abwerten. Ihre Waren wurden so im Ausland billiger und wurden daraufhin entsprechend mehr nachgefragt, was wiederum die Wirtschaft ankurbelte. Diesen Ausgleichsmechanismus gibt es seit dem Euro nicht mehr.

      Je weiter nun das Wachstum im Euroland auseinanderdriftet, desto schwieriger hat es allerdings die Europäische Zentralbank EZB. Ihre zentrale Geldpolitik trifft auf völlig unterschiedliche Verhältnisse vor Ort. Sie kann damit immer weniger der jeweiligen nationalen Wirtschaftsentwicklung gerecht werden.

      Setzt sich der Trend fort, steht die Zerreißprobe in der Eurozone noch bevor.

      Angesichts der Wachstumsunterschiede innerhalb der Eurozone verwunderte es, wenn behauptet wird, der Euro sei stabil. Hat die Europäische Zentralbank tatsächlich die ultimative Geldpolitik gefunden, die bei sehr unterschiedlichen Wirtschaftslagen innerhalb der Eurozone überall die Geldentwertung im Zaum halten kann?

       War der Euro wirklich so stabil?

      3. Juni 2011

      Auch bei der Verleihung des Aachener Karlspreises wurde (es war nicht anders zu erwarten) das Hohelied auf die Stabilität des Euros gesungen – nicht zuletzt vom Preisträger selbst, dem EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet. In seiner Dankesrede sagte er: “In den ersten zwölf Jahren nach der Euro-Einführung betrug die durchschnittliche jährliche Inflationsrate 1,97 %. Dieser Wert steht in vollem Einklang mit der Definition von Preisstabilität der Europäischen Zentralbank (EZB): eine Preissteigerungsrate von unter, aber nahe 2 % auf mittlere Sicht.”

      Nun, nachts sind alle Katzen grau – und im Durchschnitt sind sie es auch. Ob die Europäer tatsächlich mit dem Euro zufrieden sein können, entscheidet sich nicht an Durchschnittswerten, sondern an der Preissteigerung vor Ort. Schauen wir uns darum die nationalen Zahlen seit Einführung des Euro-Bargeldes 2002 an. Lassen wir die kleinen Länder außer Acht und berücksichtigen nur die mit mehr als 4 Millionen Einwohnern. Das sind zwölf: Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien sowie ab 2009 die Slowakei.

      Es geht also von 2002 bis 2010 um 101 Daten über die durchschnittliche jährliche Preissteigerung . Zählen wir nach, wie häufig die Inflation im Rahmen des EZB-Zielkorridors lag, also bei 0,0-2,0 %.

      Ergebnis: 46-mal wurde das EZB-Ziel eingehalten, mehrheitlich aber, nämlich 55-mal wurde das EZB-Ziel verfehlt. Am zufriedensten können die Finnen mit dem Euro sein, hier riss die Latte nur 2008. Auch in Deutschland lag die Inflation nur in zwei von neun Jahren über der 2-Prozent-Marke.

      Anders sieht es in Irland aus. Seit Einführung des Euros lag die Preissteigerung hier nie innerhalb des EZB-Zielkorridors. 2002-2008 lag die Inflationsrate darüber, 2009 und 2010 hatten die Iren dafür eine Deflation. In Griechenland, Portugal und Spanien wurde das Inflationsziel nur einmal erreicht und auch in Italien nur dreimal: 2007, 2009 und 2010. Es ist wohl kein Zufall, dass alle heutigen Problemländer schlecht abschnitten.

      Gut war der Euro während der Krise 2009/10. Es gab Verfehlungen in jeweils drei Ländern. Miserabel war er allerdings im Wirtschaftsboom davor. 2008 wurde die 2-Prozent-Latte in allen elf betrachten Ländern gerissen. Es gab auch immer wieder hohe Inflationsraten von mehr als 4 %: Belgien 2008, Griechenland 2008 und 2010, Irland 2002, Spanien 2008.

      Die Bilanz des Euros ist also sehr durchwachsen. Das ist nur zum geringeren Teil die Schuld der EZB. Ihr muss man allerdings eine zu lockere Geldpolitik vor Ausbruch der Finanzkrise 2007/08 anlasten. (Und auch gegenwärtig ist die Geldpolitik nicht restriktiv genug, zukünftige Statistiken werden es zeigen.) Ansonsten aber sind die Verfehlungen Ergebnis der Fehlkonstruktion einer zu großen Währungszone. Eine europaweit einheitliche Geldpolitik passt häufig für die Situation vor Ort nicht.

      Anstatt allerdings die Fehlkonstruktion einer zu großen Eurozone einzugestehen, suchen die Politiker lieber die Sündenböcke woanders. Ihr erstes Ziel: Die Ratingagenturen.

       Kritik an Ratingagenturen: Lächerlich, aber nicht zum Lachen

      11. Juli 2011

      „Lächerlich hoch drei“, so bezeichnet Thomas Strobl die gegenwärtige Kritik von Politikern an den Ratingangenturen. Doch so lächerlich die Politikeraussagen sein mögen, leider ist die ganze Situation überhaupt nicht zum Lachen. Denn wenn EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier nun überlegt, das Rating von Krisenländern zu verbieten, dann zeigt das vor allem Hilflosigkeit, dann ist das schon so gut wie ein Offenbarungseid. Auf Deutsch gesagt: Denen geht der Arsch auf Grundeis.

      Vorangegangen war bekanntlich die Abwertung von Portugalanleihen durch die Ratingagentur Moody’s auf Ba2. Die Anleihen gelten somit als spekulativ; die Medien reden von Ramschanleihen. Die Aussetzung des Ratings (wie von Barnier gefordert) hätte allerdings genau dasselbe Signal gebracht. Unter Umständen wäre das Signal sogar noch verheerender gewesen. Denn die Märkte sind meistens eher bereit schlechte Nachrichten zu akzeptieren als große Unsicherheit. Lieber also eine schlechte Bewertung als gar keine.

      Auch der Ruf nach mehr

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