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habe ich mir meine Zukunft aber nicht vorgestellt! Als dumme Hausmagd einem Mann dienen, und wie eine Hündin, ein paar Bälger werfen? Das ist nicht meine Welt!«

      »Ich hoffe du blutest nicht gerade. Das wäre nicht schön für die Hochzeitsnacht.«

      »Was?«, frage Molly entsetzt. »Nein, vielleicht sollte ich sagen, dass ich menstruiere. Das schreckt ihn hoffentlich ab und er will mich nicht.«

      »Ihm wäre es wahrscheinlich egal, ein echter Seemann segelt auch durchs Rote Meer«, lachte Gyttha.

      »Das ist krank! Wenn er es versucht, trete ich ihn!«, knurrte Molly.

      »Ach, Kindchen. Es mag dir jetzt nicht richtig erscheinen, aber du wirst lernen, deinem Mann eine gute Frau zu sein. Vergiss deinen Liebsten. Schenke deinem Mann ein paar Kinder und es wird dir gut ergehen. Darauf hast du mein Wort. Die Kerle mögen dir rau und ungehobelt erscheinen, doch sind sie nicht herzlos.« Gyttha ergriff tröstend Mollys Hand. »Du hast wirklich zarte Hände, wie eine Edelfrau. Dein Mann wird es lieben, damit gestreichelt zu werden«, lächelte sie.

      »Wer ist er? Wen soll ich heiraten?«, fragte Molly bedrückt. »Wenn ich schon jemanden heiraten muss, will ich wenigstens wissen, wer dieser Kerl ist!«

      »Diese Frage kann ich dir jetzt noch nicht beantworten. Das wissen wir erst heute Abend. Ich muss jetzt an die Arbeit. Ruh dich aus, damit du schön für deinen Bräutigam bist. Nachher sehe ich nach dir und bade dich. Bis dann!«

      Gyttha nahm das Tablett mit dem Geschirr und verließ die Hütte. Krampfhaft überlegte Molly, ob sie beim nächsten Mal durch die Tür stürmen sollte, wenn Gyttha wiederkam. Freilich musste sie darauf acht geben, Gyttha nicht zu verletzen, das wäre unrecht, wo sie so freundlich zu ihr gewesen war.

      »Es ist zum Auswachsen!« Trotzig starrte Molly auf die so hochgepriesenen, zarten Hände. Wütend ballte sie diese zu Fäusten. »Soll er nur kommen, der Glückliche! Diese Hände können auch anders!«

      *

      Die Sorgen, mit deren Last sich der Bevorzugte gegenüber dem Unterdrückten entschuldigt, sind eben die Sorgen um Erhaltung der Bevorzugung.

      (Franz Kafka)

      »Entschuldigt, Herr!«, verbeugte sich der Diener vor dem Jarl. »Gerade eben traf die Brieftaube ein.«

      »Dann reiche mir diesen blöden Kackvogel!«

      »Verzeiht, Herr. Ich habe ihn nicht bei mir.«

      »Bist du völlig bescheuert? Glotze nicht auf meine Stiefel und stehe hier so bekloppt herum! Lauf und bringe ihn mir!«, ranzte der Jarl und gab dem Pagen einen gepfefferten Tritt. Genervt verdrehte der Herr die Augen. »Herrgott noch mal! Wieso werde ich immer mit dem dümmsten Personal abgestraft?!«

      Den Diener wunderte es gewaltig, warum die Brieftaube all diese Mühen und unzählige Meilen hinter sich brachte, um wieder hier auf Slott Mørkhuset zu landen. Er an ihrer Stelle, wäre so weit wie möglich davongeflogen, um ja nicht wieder unter der Knute dieses schrecklich widerwärtigen Cholerikers dienen zu müssen...

      Im Großen und Ganzen bedarf es keiner weiteren Charakterbeschreibung, welche den Jarl Bjarne Allvaturson genauer vorstellt. Denn das tat er gerade selbst, - wie er leibt und lebt. Und was das Gefolge von ihm hielt, erfuhren wir durch den Pagen.

      Dem Jarl bedeutete sein Ruf sehr viel. Vor allem, wenn sein schlechter ihm weit vorauseilte. Er war der Meinung, wenn das Volk wüsste, mit wem es zu tun habe, sei schon alles geklärt, und könne von Anfang an, alle Hoffnungen auf Milde fahren lassen. Schönfärbereien, schmeichelnde Worte, höfisches Gehabe, all das war dem Jarl tiefst zuwider. Er wälzte sich in der von ihm erzeugten Angst, wie ein Schwein in der Suhle. Er liebte es, wenn das Personal, verängstigt wie die Mäuse, mit wehenden Gewändern davon huschte, um ihm seine Wünsche zu erfüllen. Je schneller, desto besser. So sollte es sein und nicht anders. Ohnehin waren diese Bauerntölpel nicht nur ungeschickt, sondern obendrein störrisch und ungehorsam. Sie mussten eine angeborene Vorliebe für die Bestrafung haben, ansonsten würden sie parieren, und nicht steif wie die Stockfische herumstehen, was geradezu wie eine Einladung zum Schlagen und Treten wirkte. Passivität machte Bjarne aggressiv, Hyperaktivität ließ ihn ausrasten. Ergo: Egal, wie man sich dem Jarl Allvaturson gegenüber verhielt, er reagierte herablassend und feindselig. Schmerzhaft feindselig.

      Mitfühlende Menschen, - vorausgesetzt, jemand hätte etwas für den Jarl empfunden - außer Hass versteht sich, würden sagen, dass es dieser Mann in seiner Position nicht gerade leicht habe.

      Das Alleinstellungsmerkmal des Jarl, war seine Alleinstellung. Anders ausgedrückt: Er stand völlig allein da, vor allem, weil er es so wollte. Seine Stellung bedeutete ihm sehr viel. Er vereinte Absolutismus und Absolution in persona. Sein Wort ist Gesetz, seine Taten von der Heiligen Römischen Kirche abgenickt. Der Jarl gegen den Rest der verdammten, vernagelten Welt. Diese Vorreiterrolle gefiel ihm. Jeder senkte den Blick gen Boden, wenn er jemanden durch seine kalten, blauen Augen musterte. Bjarne war nicht gerade schön zu nennen, eher interessant. Groß, blond, stattlich. Vom Alter schwer einzuschätzen. Sagen wir, zwischen fünfunddreißig und vierzig. Fragen wir ihn lieber nicht nach seinem wahren Alter, sonst wird er wieder wütend. Und wenn er richtig wütete, war er durchaus in der Lage, die Bibel mit bloßen Händen zu zerreißen – und das tat er auch des Öfteren. Warum? Weil er damit Eindruck schindete. Ungeschicktes Personal bekam dann und wann von ihm ein Buch auf den Schädel geschlagen. Bjarne hoffte insgeheim, so möge die Bildung auf direktem Wege in den Kopf des Dummen einfließen. Bücher betrachtete er nicht als besonders kostbar, und dazu jederzeit ersetzbar. Ihm standen Unmengen Schreiber zur Verfügung. Diese durften sich durchaus geschmeichelt fühlen, von ihm Arbeit und Brot zu erhalten. Und überhaupt, die Bibel war seiner Meinung nach, ein eher langatmiges Buch. Religion spielte nur eine Rolle, wenn er aus der Bibel zitierte, während er jemanden strafend auspeitschte.

      Bjarnes gepflegtes Äußeres ließ nicht vermuten, er sei der Verwalter des hohen Norden, dem von ihm verhassten Arsch der Welt. Hier oben waren alle rau und ungepflegt, Funktionalität ging vor Eleganz. Doch er, als königlicher Verwalter, wählte seine Kleidung mit Geschmack, dem europäischen Stil entsprechend, der an den Königshöfen vorherrschte. Ein wahrer Gentleman. Zumindest rein äußerlich.

      Es gibt hier oben keinen wahren Gehorsam!, pflegte er zu bemängeln. Der Stursinn liegt den Leuten eindeutig im Blut. Das Blut der Ahnen, ist zu einem wahren Fluch geworden. Diese Menschen sind begriffsstutzig, eigensinnig und kaltblütig. Genau wie ihre Umgebung. Beinharter, verdammter Granit!

      So dachte der Jarl und nicht anders.

      Dabei gehörte er selbst zum Stamme der Eingeborenen. Allvatursons Vorfahre schlug sich jedoch schnell auf die Seite des Siegers, des ersten christlichen, norwegischen Königs, Olav Tryggvason, der seine Gefolgsleute mit entsprechenden Privilegien ausstattete. Bei verweigerter Gefolgschaft, wäre jeder Nichtgefolgsmann um einen Kopf gekürzt worden. Denn König Olav Tryggvason fuhr einen konsequenten Kurs: Entweder die christliche Taufe, oder Kopf ab!

      Und ihm, Bjarne Allvaturson, wurde ebenfalls das Vertrauen des amtierenden Königs zuteil. Er reiste an den Königshof, wurde vorstellig und sah wie das Gefüge aus Macht und Gepränge reibungslos funktionierte. Danach dachte er nur noch abwertend über die einheimischen Wilden, von denen er sich regelrecht umzingelt sah. Ab da, begann er an seiner wahren Herkunft zu zweifeln, bzw. zu verzweifeln. Es ging anders, wie er bei Hofe erfahren durfte. Für ihn kam allerdings dieses widerwärtig gestelzte Geschleime nicht in Frage. Blanker Gehorsam, weniger konnte man wirklich nicht vom Plebs verlangen. Ein gewisser Standard sollte vorherrschen. Der Herr befiehlt, die Knechte dienen. Das war ein gottgegebenes Naturgesetz.

      Heutzutage wird behauptet, viele führende Positionen in Politik und Wirtschaft wären von Psychopathen belegt. Aber glaubt jemand, dass dieses Phänomen eines der Neuzeit sei? Wohl kaum.

      Warum? Weil gewissenlose Unterdrückung anderer, immer wieder lohnenswert ist. Diese Struktur kommt nicht von ungefähr. Sie ist alt, - alt wie jede Form der Unterdrückung. Irgendwann musste einmal ein ganz cleverer Bursche beschlossen haben, ein König zu werden. Ein Führer, der alle anderen

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