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vielleicht fünfhundert Schritte entfernt war.

      »Darf ich noch weiter mit bis dorthin?« fragte ich. »Oder fühlen Sie sich nun sicher?«

      »Sicher werde ich mich erst dann fühlen, wenn ich daheim bin.«

      »So kommen Sie!«

      Wir bogen in die Blöße ein. Doch blieb ich schon nach wenigen Schritten stehen, denn aus dem dunklen Schatten der Ombu-Bäume lösten sich fünf oder sechs Gestalten, deren eine auf uns zukam, während die andern stehen blieben.

      »Halt! Keinen Schritt weiter!« gebot ich. »Was treibt ihr hier?«

      Auch das Mädchen war erschrocken. Es schmiegte sich fester an mich.

      »Was wir hier treiben?« antwortete eine Stimme, welche mir bekannt vorkam. »Wir warten auf Sie, Sennor.«

      Ich nahm das Mädchen in den linken Arm, um den rechten zur Verteidigung frei zu bekommen. Ich fühlte, daß mein Schützling zitterte.

      »Ich bin – – kennen Sie mich denn wirklich nicht – Mauricio Monteso!«

      Er war es wirklich, der Yerbatero; das sah ich, als er jetzt näher trat.

      »Sie sind es?« fragte ich verwundert. »Das ist eine Ueberraschung! Aber ich wiederhole doch meine Frage: Was treiben Sie hier?«

      »Das werden Sie sofort erfahren. Wenn Sie Vertrauen zu uns haben, so treten Sie da unter den Baum, wo man uns nicht sehen kann!«

      »Warum?«

      »Sie werden es dann erfahren. Jetzt giebt es keine Zeit zur Erklärung, denn er wird gleich kommen.«

      »Wer?«

      »Derjenige, der die Sennorita angefallen hat, nämlich ihr eigener Vater.«

      »Ihr Va- – – das ist doch nicht möglich!«

      »O doch. Bitte, schweigen Sie jetzt, und halten Sie das Mädchen fest, damit sie nicht entfliehen und uns verraten kann!«

      Er trat nahe an das Mädchen heran, hielt ihr sein Messer vor das Gesicht und drohte:

      »Sennorita, wenn Sie jetzt einen einzigen Schritt thun oder ein einziges Wort sagen, so stoße ich Ihnen diese Klinge in Ihr liebes, kleines, falsches Herzchen. Verlassen Sie sich darauf, daß ich nicht scherze!«

      Das Mädchen zuckte zusammen und drängte sich noch fester an mich als vorher. Ich ergriff ihr Handgelenk, daß sie nicht fortkonnte. Auch die andern Männer waren wieder in den Schatten zurückgetreten. Jetzt nahten schnelle Schritte aus der Gegend, aus welcher ich mit dem Mädchen gekommen war. Ein Mann erschien und blieb für eine Sekunde an der Mauerecke des letzten Gartens stehen. Ich erkannte sogleich den Menschen, welcher das Mädchen angefallen hatte.

      »Kein Wort!« flüsterte der Yerbatero meiner Begleiterin zu.

      Ich sah, daß er ihr das Messer auf die Brust setzte. Sie zitterte am ganzen Leibe und hütete sich, einen Laut von sich zu geben. Der Mann an der Mauerecke legte die Hand über die Augen und sah nach der Hütte hinüber, in welcher das kranke Großmütterchen wohnen sollte. Wir hörten, daß er einige Worte brummte, dann setzte er sich in schnelle Bewegung nach der Hütte zu. Er mußte dabei an den Bäumen vorüber. Kaum hatte er diese erreicht, so warfen sich die Männer auf ihn und rissen ihn zu Boden. Er wollte schreien; aber der Yerbatero kniete ihm auf die Brust und drohte:

      »Schweig', sonst ersteche ich dich, Halunke! Deine Komödie gelingt dir dieses Mal nicht. Bindet ihm den Lasso um den Leib und die Arme, und schafft ihn nach der Hütte! Ihr wißt schon, wie.«

      Der Mann mußte sich aufrichten, man schnürte ihm den Lasso um und schaffte ihn fort. Nun befand sich nur noch der Yerbatero bei uns beiden.

      »Sennorita, haben Sie den Mann gekannt, welcher soeben mit meinen Kameraden verschwunden ist?« fragte er sie.

      »Ja,« hauchte das erschrockene Mädchen. »Es war mein Vater.«

      »Es war auch derselbe, der Sie scheinbar überfiel, um Sie zu küssen?«

      Sie schwieg.

      »Antworten Sie, sonst fühlen Sie mein Messer! War er es?«

      »Ja.«

      »Auf wen war denn die Komödie abgesehen?«

      Sie senkte den Kopf und sagte nichts.

      Ich will Sie darauf aufmerksam machen, Sennorita, daß ich alles weiß und daß ich Sie nur frage, damit dieser fremde Sennor alles aus Ihrem Munde erfahren möge. Antworten Sie freiwillig und der Wahrheit gemäß, so wird Ihnen nichts geschehen. Verweigern Sie aber die Antwort, so werden Sie mein Messer schmecken!«

      »Warum sind Sie so streng mit mir, Sennor?« fragte sie jetzt. »Warum drohen Sie mir mit dem Messer und wohl gar mit dem Tode? Was ich gethan habe, ist doch nicht so sehr schlimm!«

      »Es ist sehr schlimm, schlimmer als Sie denken und wissen. Ich aber weiß mehr als Sie. Wer wohnt da drüben in der Hütte?«

      »Ich, der Vater und die Großmutter.«

      »Womit ernährt sich Ihr Vater? Er lebt vom Spiele. Nicht?«

      »Ich kann es nicht leugnen.«

      »Und eure Hütte ist der Ort, zu dem man die Vögel schleppt, die man rupfen will. Sie aber sind das Lockvögelchen, welches die Beute in das Netz bringt. Habe ich recht?«

      Erst nach einer Weile stieß sie hervor:

      »Muß ich nicht dem Vater gehorchen?«

      »Leider! Darum bin ich auch nachsichtig mit Ihnen, aber nur so lange, als Sie aufrichtig antworten. Heute sollten Sie den Sennor nach der Hütte bringen, nicht wahr?«

      »Ja.«

      »Sie mußten sich in einiger Entfernung von der Quinta des Sennor Tupido aufstellen. Ihr Vater stand bei Ihnen. Es war verabredet worden, daß er Sie überfallen wolle, sobald der Alemano komme. Dieser letztere solle Sie befreien und nach Hause begleiten? Um den Fremden ganz sicher anzulocken, sollten Sie sagen, daß Ihre Großmutter eine Deutsche sei?«

      »Ja.«

      »Jedenfalls haben Sie das auch gethan. Aber, wissen Sie denn, was geschehen sollte, wenn Sie diesen Sennor nach der Hütte gebracht hatten?«

      »Man wollte ein Spielchen machen.«

      »So sagte man Ihnen; aber man hatte etwas ganz anderes vor. Man wollte ihn ermorden.«

      »Santa madonna de la cruz! Das ist nicht wahr!«

      Die Entrüstung, mit welcher sie dies sagte, war eine ungeheuchelte; das hörte ich ihrem Tone an.

      »Es ist sehr wahr. Man hätte Sie und die Großmutter schlafen geschickt und den Sennor getötet.«

      »Mein Vater spielt gern, wie jedermann hier; aber ein Mörder ist er nicht!«

      »Armes Mädchen! Das ist eine Täuschung. Ihr Vater verkehrt mit den berüchtigtsten Bravos. Doch will ich gegen Sie lieber davon schweigen. Sie, Sennor, werden neugierig sein, zu erfahren, wie ich hierher und hinter diese Geheimnisse gekommen bin. Ich werde es Ihnen nachher erzählen. Jetzt aber können Sie sich Ihre Mörder einmal ansehen, ohne daß es für Sie eine Gefahr dabei giebt. Warten Sie, nachdem ich mich jetzt entfernt habe, noch ungefähr fünf Minuten. Dann gehen Sie langsam mit der Sennorita auf die Hütte zu. Das übrige werde ich besorgen.«

      »Warum gehen Sie nicht mit uns?«

      »Weil der Mond so hell scheint, und weil man Sie mit der Sennorita erwartet. Man blickt Ihnen ganz gewiß aus dem Fenster entgegen. Darum müssen Sie beide allein kommen, damit kein Verdacht erregt werde. Ich hingegen folge meinen Kameraden, welche auf einem Umwege voran sind, um von hinten an das Häuschen zu kommen.«

      »Was sind diese Ihre Kameraden?«

      »Brave Yerbateros, wie ich, die sich selbst vor dem Teufel nicht fürchten. Sie werden sie wohl noch kennen lernen. Also ich gehe,

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