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sie noch böse auf mich.“ Sofort wird sie aber wieder ernst und erklärt: „Ich habe nirgendwo richtigen Unterricht bekommen. Lediglich meine Mutter hat darauf bestanden, dass ich mich mit dem Instrument vertraut mache. Sie hat mir sicherlich ihre große Liebe zur Musik mitgegeben. Dabei muss ich wohl erwähnen, dass meine Mutter aus einer sehr musikalischen Familie kommt. Mein Großvater war sogar irgendwo Hofkapellmeister, was immer das für ein merkwürdiger Titel ist und er hat ganz Europa bereist und sogar vor Kaisern und Königen gespielt. Ich glaube, er hat lange Zeit in Leipzig gearbeitet.“

      Ein Strahlen geht über das Gesicht des Mannes. Also doch eine junge Frau von Welt, eine Europäerin, vielleicht sogar adliger Abstammung oder verwandt mit dem deutschen Kaiser, herrlich, welch ein Glanz!

      „Na, dann haben Sie das Musikalische ja schon mit der Muttermilch eingeflößt bekommen, Mrs. Blake“, lacht der Hoteldirektor. „Übrigens klingt Carol Blake aber sehr amerikanisch.“

      Säuerlich murmelt Carol: „Mein Vater war Brite, wahrscheinlich deswegen der Vorname und mein verstorbener Gatte war Amerikaner.“ Gerade noch rechtzeitig ist ihr das mit dem Ehestand eingefallen.

      Der Mann nickt, räuspert sich und schaut dann genüsslich an dem Körper des Mädchens herab, was ihr wieder ein ungutes Gefühl über den Rücken rieseln lässt.

      „Der Grund meines Kommens ist allerdings nicht nur, um Ihnen hier Komplimente zu machen, sondern ich wollte sie vielmehr, auch im Namen meiner Frau übrigens, bitten, jeden Abend für unsere Gäste zu singen. – Natürlich nicht umsonst. Sie und demnächst ihr Baby“, sein Blick bleibt an der Wölbung ihres Leibes hängen, „dürfen dafür so lange hier im Hotel wohnen und essen, wie Sie es möchten.“

      Carol starrt den kleinen, ältlichen Mann mit dem unruhigen Zucken des rechten Augenlides, verblüfft an, dann begreift sie das Gehörte. Ihre innere Anspannung fällt von ihr ab und sie strahlt: „Mr. Wolters, das ist aber ein wirklich großzügiges Angebot. Ich danke Ihnen von ganzem Herzen dafür und kann natürlich nicht anders, ich muss es annehmen.“

      Mit einem Handschlag wird der „Arbeitsvertrag“ besiegelt und das Girl lässt sich, nachdem der Mann das Zimmer wieder verlassen hat, mit einem Aufatmen zurück auf das Bett sinken.

      „Hallo. Baby, hast Du das gehört?“, flüstert sie leise. „Wir sind zu Hause. Wir beide sind hier willkommen. Wachse, mein Kleines, ich hoffe, Du wirst Deinem Pa einmal sehr ähnlich werden.“ Sie seufzt, streichelt zärtlich über ihren Bauch und murmelt: „Irgendwann werden wir versuchen, ihn zu finden, damit Du ihn kennen lernen kannst. Dein Vater ist der tollste Mann auf der ganzen Welt.“

      Die Zeit vergeht überall gleich schnell oder langsam, ganz so, wie man mit ihr umgeht.

      Carol stellt fest, dass auch die Männer überall gleich sind, die Annäherungsversuche sehen hier in Plumquartpinie kaum anders aus, wie in Ebony Town und das Mädchen steht ihnen hier wie dort gleichermaßen freundlich ablehnend gegenüber.

      Vieles hier in dem kleinen Ort in Nevada erinnert sie an Wyoming, besonders die Neugier der Leute. Doch auch an ihrem neuen Wohnort beantwortet sie keinerlei Fragen, die ihre Vergangenheit betreffen und das macht sie natürlich erst recht interessant, denn jeder spekuliert wild drauflos, woher sie wohl kommen mag und vor allen Dingen, was der Kindsvater gemacht hat und wie um Himmels Willen, er ums Leben gekommen sein könnte.

      Von irgendwoher taucht plötzlich sogar das Gerücht auf, dass er ein berüchtigter Outlaw gewesen ist und die junge Frau deshalb mit dem Ungeborenen ein neues Leben in der Fremde beginnen musste.

      Carol, die schon immer ein sehr feines Gespür für Stimmungen hatte und zudem mit äußerst scharfen Ohren gesegnet ist, hört die ganzen Spekulationen und schmunzelt insgeheim über die wüsten Vermutungen, allerdings ohne sich jemals dazu zu äußern.

      Schon wenige Tage nach ihrer Ankunft in Plumquartpinie wird ihr überraschenderweise angeboten, einige Stunden in der Woche an der Schule des Ortes zu unterrichten, nachdem irgendwem der Dorfhonoratioren zu Ohren gekommen ist, dass sie Fremdsprachen beherrscht.

      Sie zögert zunächst, den Job anzunehmen, denn eigentlich hat sie selbst viel zu wenig Schule besucht, um als Lehrerin arbeiten zu können, aber da sie es ausgezeichnet versteht, mit Menschen umzugehen und sich auch hervorragend auf Kinder einstellen kann, denn sie ist den Kinderschuhen ja selbst kaum entwachsen, hat sie schließlich doch allen ihren Mut zusammengerafft und zugesagt.

      Sie gesteht sich aber sehr ehrlich ein, dass sie wohl kaum die Traute aufgebracht hätte, sich selbst noch einmal als Schülerin in die Bank zu setzen, aber auf der anderen Seite des Pults, da riecht die Luft dann doch nicht ganz so dünn.

      Zu Anfang bereitet ihr der geregelte Schulbetrieb die größten Schwierigkeiten. Sie versucht sich an die Zeit zu erinnern, als sie jeden Morgen in die kleine Dorfschule in Pennsylvania musste und ihr fällt ein, dass sie häufig wegen zu spät Kommens oder Störens des Unterrichts nachsitzen musste.

      Sogar der Gedanke daran lässt sie noch heute, nach so vielen Jahren, frösteln und sie nimmt sich vor, dass sie weder Strafarbeiten aufgeben noch nachsitzen lassen wird. Wehmütig erinnert sie sich daran, dass sie immer glücklich war, wenn sie in Krankheitszeiten von ihrer Mum unterrichtet worden ist. Sie hat dann in einer Woche mehr gelernt, als in einem halben Jahr in der Schule und brauchte nicht ein einziges Mal nachzusitzen.

      Carol reißt sich zusammen und anpassungsfähig wie sie nun einmal ist, hat sie auch diese Klippe ihrer eigenen kleinen Unzulänglichkeit umschifft und sich selber alle Stolpersteine aus dem Weg geräumt. Sie braucht gar nicht nachzudenken, um zu wissen, dass sie in Zukunft einen Batzen Verantwortung hat, wenn das Baby erst einmal auf der Welt ist und so sieht sie den Unterricht als Chance, sich schon einmal ein wenig in Verantwortung zu üben.

      Die Kinder von Plumquartpinie haben gerne Unterricht bei der immer fröhlichen und unkonventionellen Frau, denn da das junge Mädchen keinerlei Ahnung von Unterrichtsplanung oder gar so etwas wie Lehrplänen hat, unterrichtet sie aus dem Gefühl heraus und macht so das Lernen für alle, auch für die schwächeren Kinder spielerisch einfach.

      Da Plumquartpinie keine Lehrkraft hat, die der französischen Sprache mächtig ist, beginnt Carol ihre Tätigkeit als Dorfschullehrerin mit dem Fach Französisch. Sie vermittelt die Sprache den Kindern auf die denkbar simpelste Art und Weise, indem sie mit ihnen singt und kleine, lustige Unterhaltungen führt. Sie benötigt dazu kein Lehrbuch und das ist gut so, denn in dem ganzen kleinen Städtchen ist kein einziges Französischbuch aufzutreiben. Die Kinder jedenfalls sind begeistert und können bereits nach wenigen Unterrichtstunden kleine Gespräche miteinander führen.

      Nach diesem wunderbaren Start ist es nicht verwunderlich, dass die junge Frau schon nach einer Woche den Musikunterricht ganz eigenverantwortlich übernehmend darf und sie ist glücklich darüber, dass alle Kinder diszipliniert und brav sind. Es ist nicht ein einziger Rabauke Marke Carol Blake darunter.

      Unsere kleine Freundin liebt die ihr anvertrauten Kinder sehr und ist in den wenigen Schulstunden unbeschreiblich glücklich, denn dann vergisst sie regelmäßig ihren Kummer und wird selbst wieder das, was sie eigentlich noch ist, ein Kind.

      Nach kurzer Zeit stellt sie fest, dass an der Schule weder Mal- noch Handarbeitsunterricht erteilt wird. Auf ihre erstaunte Nachfrage hin wird ihr erklärt, dass die bisherige zweite Lehrerin der Schule einem bösen Reitunfall zum Opfer gefallen ist und dass aus diesem Grunde so lange, bis sich ein neuer hauptberuflicher Lehrer gefunden hat, der Unterricht eben auf kleinem Feuer weiterlaufen muss und alle weniger wichtigen Fächer nicht unterrichtet werden können.

      Das Angebot, selbst die Stelle als hauptberufliche Lehrerin zu übernehmen, lehnt Carol allerdings dankend ab, denn sie fürchtet zum einen, wenn das Baby da ist, mit allem überfordert zu sein, zum anderen möchte sie nicht gern publik machen, dass sie noch immer nicht rechnen kann. Außer ihr selber weiß nur David von diesem Mangel und so soll es nach Carols Willen auch unbedingt bleiben.

      Der andere Lehrer, der gleichzeitig die Leitung der Schule inne hat, hat volles Verständnis für die werdende Mutter und drängt sie nicht weiter, da ihm klar ist, dass auch die junge Frau nur

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