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Polizeipräsidium. Jiggs Allerman war schweigender Zeuge all dieser Vorgänge gewesen. Terry hatte die Anwesenheit des Amerikaners vollständig vergessen. Erst jetzt bemerkte er ihn wieder und trat zu ihm.

      Jiggs beobachtete gerade die Beamten des Erkennungsdienstes, die den Toten fotografierten. »Ist dies nun schon ein Bandenmord? Oder liegt ein anderes Motiv zugrunde? Ich wage das im Augenblick nicht zu entscheiden.« Er schüttelte den Kopf. »Was ich nicht recht verstehen kann, sind die Fingerabdrücke auf dem Aktenbogen. Haben Sie sich die schon genau angesehen? Sie sind ungewöhnlich grob.«

      Der Sergeant sah sich um. »Das ist mir auch aufgefallen. Die Linien sehen so merkwürdig verschwommen aus. Man sollte fast glauben, die Abdrücke seien absichtlich gemacht ...«

      »Zu der Schlußfolgerung bin ich ebenfalls gekommen«, bestätigte Jiggs. »Dann der Revolver auf dem Fußboden! Haben Sie jemals gehört, daß ein Gangster sein Schießeisen zurückläßt? Er hätte ja ebensogut seine Visitenkarte neben sein Opfer legen können!«

      Terrys Assistent kam an, und der Chefinspektor gab ihm den Auftrag, eine genaue Durchsuchung des Hauses vorzunehmen. »Besonders eingehend nehmen Sie sich Tanners Wohnung vor! Sehen Sie sich genau nach Patronen, und sonstigen Beweisstücken um, die ihn mit dem Verbrechen in Verbindung bringen könnten! Vor allem suche ich nach einem Testament, das Mr. Decadon heute abend geschrieben hat und das verschwunden ist. Schauen Sie sich in allen Kaminen und an anderen Plätzen um, wo Asche liegen könnte! Es. besteht der Verdacht, daß Tanner das Testament verbrannt hat.«

      Nachdem der Tote fortgeschafft und die Spuren des Verbrechens beseitigt waren, rief er Leslie herein. Ihr Gesicht war blaß, und ihre Lippen zitterten; die Reaktion machte sich jetzt bei ihr geltend.

      »Gehen Sie jetzt bitte nach Hause, Miss Ranger! Ich gebe Ihnen einen meiner Beamten zur Begleitung mit. Der Himmel weiß, wie ich den Mann darum beneide ... Kommen Sie aber morgen um die gewöhnliche Zeit wieder hierher! Ich habe noch einige Fragen an Sie zu stellen; das kann ich Ihnen leider nicht ersparen.«

      »Der arme Mr. Decadon ...!« sagte sie leise.

      »Ich weiß! Ich weiß!« Er wagte es, behutsam den Arm um ihre Schultern zu legen. »Sie müssen jetzt alles zu vergessen suchen, was Sie heute erlebte haben! Morgen ist ein neuer Tag – da sieht die Sache ganz anders aus. Eines nur möchte ich wissen: Haben Sie gehört, daß Tanner mit dem alten Herrn in der Bibliothek sprach? Und wann war das?«

      Sie konnte genaue Angaben darüber machen, die mit Tanners Aussagen durchaus übereinstimmten.

      »Und kurz bevor die Schüsse fielen, haben Sie Stimmen gehört?«

      »Ja. Aber ich erkannte nur Decadons Stimme, die andere nicht.«

      »Sie hörten doch auch die Geräusche, als die Schlüssel in der Bibliothekstür und in der Bürotür umgedreht wurden? Wir können also annehmen, daß jemand den Gang entlangging, Ihre Tür zum Korridor abschloß, in die Bibliothek eindrang und dann, ohne Rücksicht auf Decadons Anwesenheit, die Verbindungstür zwischen Ihrem Büro und der Bibliothek absperrte.«

      »Ja, so muß es wohl gewesen sein«, entgegnete sie müde. Er nahm sie am Arm. »Genug für heute abend! Jetzt gehen Sie heim, legen sich hin und träumen – wenn möglich: von mir!«

      Sie versuchte zu lächeln, aber es gelang ihr nicht ganz.

      »«Was halten Sie von der Sache, Jiggs?« fragte Terry, als Leslie gegangen war.

      »Ich stimme mit Ihrer Ansicht überein: Der Mörder kam von der Rückseite des Hauses.«

      »Es kann sehr wohl Tanner gewesen sein ...«

      »Gewiß! Aber ebensogut mag einer der Dienstboten die Tat begangen haben. Wir wollen uns einmal auf dem Grundstück umsehen.«

      Sie gingen den Gang bis zu Ende. Zur Linken sahen sie den Lift; rechts führte eine Treppe zur Küche hinunter. Unter den Stufen befand sich ein großer Schrank, in dem Mäntel, Schirme und Gummiüberschuhe aufbewahrt wurden. Jiggs öffnete die Tür zum Fahrstuhl und drehte das Licht an. Dann traten die beiden ein. Der Aufzug brachte sie direkt zum obersten Geschoß; man konnte ihn zwischendurch nicht anhalten.

      Auf einem schmalen Treppenabsatz stiegen sie aus. Links sahen sie eine Glastür, auf der mit roten Buchstaben ›Notausgang‹ stand. Terry versuchte den Handgriff, der sofort nachgab. Soviel er sehen konnte, führte eine schmale Eisentreppe im Zickzack auf den kleinen Hof hinunter.

      Terry trat wieder zurück, schloß die Tür und ging in Tanners Wohnung, die von zwei Beamten durchsucht wurde.

      »Ich habe bisher nichts finden können«, berichtete der eine. »Nur dies hier. Ich weiß nicht, was das bedeuten soll.« Er zeigte auf einen Stuhl, auf dem ein Paar schmutziger und zerrissener Stiefel stand. »Ich fand sie unter dem Stuhl«

      Sie befanden sich in Tanners Schlafzimmer, und der Sergeant machte darauf aufmerksam, daß ein kleiner Sekretär offenstand und eine Anzahl von Papieren auf dem Fußboden lag. Verschiedene Schubfächer mußten eilig ausgekramt worden sein. »Es sieht so aus, als ob schon vor uns jemand diesen Raum durchstöbert hätte. Vielleicht hat aber Tanner hastig etwas gesucht?«

      Terry sah wieder auf die Schuhe und schüttelte den Kopf. »Haben Sie keine Papierasche im Kamin gefunden?«

      »Nein. Es riecht auch nirgends nach verbranntem Papier.«

      »Hören Sie mal, Terry!« mischte Jiggs sich ein. »Sie ließen doch das Haus bewachen? Seit wann standen die Leute auf Posten?«

      »Seit etwa halb elf heute vormittag.«

      »Haben Sie auch auf der Rückseite jemand aufgestellt?«

      »Ja, einen Mann.«

      »Es ist leichter, an einem Posten vorbeizuschlüpfen, als der Aufmerksamkeit zweier Beamter zu entgehen. Wir wollen mal die Feuerleiter hinunterklettern und sehen, ob jemand auf diesem Weg hereinkommen konnte. Sie haben doch schon bemerkt, daß alle Fenster im Zimmer offenstehn? Es ist auch ein bißchen kühl.«

      Terry war diese Tatsache nicht entgangen. »Ich glaube, die Idee mit der Feuerleiter hat etwas für sich«, meinte er.

      Sie wandten sich wieder dem Notausgang zu. Terry ließ seinen Begleiter vor dem Fahrstuhl zurück, während er nach unten ging, um sich von einem Polizisten eine Taschenlampe zu leihen. Als er wiederkam, stand der Notausgang offen, und Jiggs war verschwunden. Terry leuchtete nach unten und entdeckte den Amerikaner auf dem zweiten Treppenabsatz.

      »Das ist besser als Streichhölzer!« rief Jiggs. »Sehn Sie mal hierher, Terry!«

      Der Chefinspektor eilte die eisernen Stufen hinunter und bemerkt, daß Jiggs einen Gummischuh in der Hand hielt. Beim Licht der Taschenlampe untersuchte er ihn schnell. Der Schuh war alt und abgetragen; später stellte es sich heraus, daß er Tanner gehörte.

      »Wie mag das Ding nur hierhergekommen sein?« fragte Jiggs.

      Sie stiegen die Feuertreppe weiter hinab, konnten aber nichts mehr finden. Die Treppe mündete unmittelbar auf den Hof. Jiggs ging voraus; Terry folgte ihm und leuchtete mit der Taschenlampe.

      »Dort drüben ist eine Tür in der Mauer!« stellte Jiggs fest. »Wohin mag die führen? Etwa auf die hintere Straße? Das wäre ...« Plötzlich blieb er stehen. »Um Himmels willen!« sagte er leise. »Sehn Sie mal her!«

      Dicht vor ihren Füßen lag eine zusammengekrümmte Gestalt: ein Mann in zerlumpten Kleidern. An dem einen Fuß trug er einen Gummischuh, am andern einen Lederpantoffel;

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