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sich an einer Madonnenfigur versucht hätte. Es fehlte eindeutig das demütige und gütige in ihrem Ausdruck.

      „Ich hab gude Neuichkeidn für sie. Endlich hommer des abdrünniche Weibsbild am Wiggl. Ich hobb aus zuverlässicher Quelle erfahrn, dass die mit an gschiedner Moh a schlamberds Verhäldnis hodd. Mei Nachbarin hodd dee Matz scho a boar Mal gseeng, wies mit dem Kerl in sei Haus nei is und aa wies erschd in der Früh widder rauskummer iss. Alles woss rechd iss! Für sowoss kommer sich ja bloß schämer.“

      Dabei lief sie im Gesicht dunkelrot an, ob nun wegen dieser Ungeheuerlichkeit oder wegen eines restlichen Funken Anstands, der ihr noch geblieben war. Die Geschichte war schnell in der Gemeinde herum, tatkräftig unterstützt von den einschlägig bekannten Gutmenschen. Barbaras Freund erwies sich als einzige Enttäuschung. Aus Angst um seinen guten Ruf ließ er Barbara wissen, dass er keine Zukunft für sie beide sähe. Wenigstens hatte er den Anstand, ihr dies in einem persönlichen Gespräch mit zu teilen.

      Die zutiefst enttäuschte junge Frau zog ihre Lehren aus dieser Hetzjagd und bat um ihre Versetzung. Zu ihrem großen Glück, bisher jedenfalls, hatte sie es hier in Röthenbach entschieden besser getroffen.

      Sie hatte teilweise die Nachfolge des im vorigen Jahr brutal zu Tode gekommenen Fräulein Lohmaier angetreten, allerdings nur so weit es die Pfarreiarbeit anging. Als Haushälterin konnte Barbara nicht einspringen, das hätten weder ihre haushaltstechnischen Kenntnisse, noch ihr straffer Zeitplan hergegeben. Dafür engagierte sie sich sehr in der Jugendarbeit und in der Organisation der Erwachsenengruppen der Gemeinde. Die Röthenbacher waren mit dieser neuen Konstellation ausnehmend zufrieden.

      „Schön ist die Welt, drum Brüder, lasst uns reisen

      wohl in die weite Welt, wohl in die weite Welt.“

      aus der „Mundorgel

      Im Goldenen Adler herrschte wieder einmal prächtige Stimmung, wie meistens am Freitagabend. Die Menschen hatten erneut eine schwere Arbeitswoche erfolgreich hinter sich gebracht und waren in froher Erwartung des langen Pfingstwochenendes. Die meisten Tische waren heute besetzt, Familien kamen geschlossen zum Abendessen, andere dagegen nur auf ein oder zwei Halbe Bier zum Feierabend. An mehreren Tischen wurde bereits eifrig Karten gespielt. Solange noch Essensgäste da waren, mussten die Schafkopfer sich jedoch möglichst zurückhalten. Erst nachher, wenn sie unter sich waren, durften sie schon einmal den gewinnbringenden Trumpf mit Schwung auf den massiven Wirtshaustisch niederdonnern lassen.

      Am Stammtisch hatte sich wie üblich die Schafkopftruppe um Peter Kleinlein versammelt, um dem geliebten Hobby zu frönen. Seit einiger Zeit waren sie wieder zu viert, Peter, der Metzgermeister Simon Bräunlein, der Dorffigaro Lothar Schwarm und ein Neuer, der den im vergangenen Jahr von der eignen Ehefrau vergifteten Georg Schiffermüller ersetzte. Lange hatten die drei Freunde auf die Aufnahme eines neuen vierten Spielers in ihre Runde und damit notgedrungen auch auf ihr freitägliches Feierabendvergnügen verzichtet. Schließlich war der im vorigen Jahr ermordete Georg Schiffermüller ein Jugendfreund von ihnen allen gewesen, den man nicht so mir nichts, dir nichts durch einen beliebigen Ersatzmann vergessen machen kann. Und den gelegentlichen Brunzkartler, den Leipold Fredi, seines Zeichens Vorsitzender des FCN-Fanclubs „Ewige Treue Röthenbach“ wollten sie auch nicht dauerhaft den Rang eines Stammspielers zuerkennen. Dazu ist ihnen seine nörgelnde Art denn doch zu anstrengend und zudem sein einziges Thema „Club“ oder „Glubb“, wie man es als Einheimischer aussprach, einfach zu langweilig und nervtötend.

      „Horch, der reechd mi dodaal auf mit sein dauerndn Gschmarri. Dou konn er mi ja garnedd konzendriern“, meinte Simon, als Peter eines Tages, als es gar zu sehr in den Fingern juckte, einen Vorstoß in diese Richtung gemacht hatte. Zustimmendes Nicken war vom dritten Mann im Bunde gekommen, Lothar Schwarm, der zwar selbst nicht unbedingt ein Mann von Initiative ist, der trotz allem aber schon über eine eigene Meinung verfügt. Von Berufs wegen ist er es einfach gewöhnt, fast schon reflexartig zuzustimmen. In seinem Salon muss er zwangsläufig den Ausführungen seiner zahlreichen Kundinnen zu diesem oder jenem Thema öffentlichen Interesses lauschen und hin und wieder ein verständnisvolles Nicken beisteuern. Widerspruch wäre extrem schlecht fürs Geschäft und nach vielen, langen Jahren immerwährender Zustimmung fehlte ihm dafür auch die Übung.

      Die Misere fand erst ein Ende, als eines Abends ein Mann die Wirtsstube betrat, den die drei Freunde seit ihrer Jugend nicht mehr gesehen und ohne die präzisen geheimdienstlichen Vorabinformationen ihrer jeweiligen Ehefrauen auch sicher nicht sofort wiedererkannt hätten. Es handelte sich um den Russen, den Iwan halt, der nach fast einem ganzen Menschenleben, das ihn in bis die entlegensten Gegenden der Welt geführt hatte, auf seine alten Tage in seinen Heimatort Röthenbach zurückgekehrt war, um hier sein Leben ausklingen zu lassen. Womit er sich aber schon noch möglichst lange Zeit lassen wollte. So alt war er nämlich auch wieder nicht, aber das Ersparte reichte, um es endlich gut sein zu lassen. Das war vor etwa zwei Monaten.

      Eigentlich hieß der Mann Michael Kowalew, war in Nürnberg geboren und mit seinen Eltern als Dreijähriger nach Röthenbach gezogen. Seine Urgroßeltern hatte es wohl schon zu Napoleons Zeiten nach Deutschland verschlagen. Die Schulkameraden hatten ihm, zu einer Zeit als der heute unausweichliche und als Totschlagsargument so beliebte Begriff „political correctness“ noch nicht in aller Munde war, aufgrund seines Familiennamens zunächst den Spitznamen „der Russ“ gegeben oder weil er damals halt auch noch sehr klein war, „äs Russlä“. Wobei dieser Name äußerst irreführend ist. Ä Russlä ist in Franken ein kleiner kohlrabenschwarzer Bursche, schwarz, wie ein mit Ruß beschmierter Schlotfeger eben. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um einen kleinen schwarzen Hund, aber auch auf einen kleinen schwarzhaarigen Jungen kann dieser Name angewandt werden. Auf den kleinen Michael traf das alles überhaupt nicht zu, der Spitzname erschien auf den ersten Blick als totaler Fehlgriff. Mit seinen blonden Haaren und den blauen Augen entsprach er so gar nicht den Anforderungen für ein „Russlä.“ Dafür hatte er aber einen russischen Namen und das hatte den Ausschlag gegeben. Die ältere Generation, die gezwungenermaßen noch den Russlandfeldzug mitgemacht hatte, nannte ihn gelegentlich auch „den Iwan“, eine Sammelbezeichnung, ein Synonym, das man seinerzeit auf alle Russen anwandte. Nachdem jedoch das Russlä mit vierzehn Jahren bereits knapp einsachtzig groß war, ließ man mit der Zeit die Verkleinerungsform ganz fallen, später auch den Russn und einigte sich allgemein auf Iwan.

      Der Iwan hatte nach der Schule in einem großen Nürnberger Hotel Koch gelernt. Später, als Erwachsener, war er als Maitre de Cuisine auf einem Kreuzfahrtschiff rund um die Welt gefahren. Nun war er also wieder zuhause, der gute, alte Iwan. Das war ein Wink des Schicksals. Wenn einer den Georg ersetzen durfte, dann er, zumal er ein begeisterter Kartenspieler und ebenso brillanter Erzähler war. Er hatte immer neue Geschichten aus seiner wilden Zeit auf Lager und so unterbrachen die Schafkopfer gern mal ihr Spiel, um seinen Erlebnissen zu lauschen.

      Heute war er wieder in großer Erzähllaune und so gab er eines seiner zahlreichen, teilweise hanebüchenen Abenteuer zu Besten. Eines Tages, als sein Schiff für einige Wochen zur Reparatur in einem kleinen südchilenischen Hafen lag, war er seinen Ausführungen zu folge zusammen mit einem befreundeten holländischen Matrosen ganz allein, nur mit einem winzigen Zelt und einem störrischen Maultier durch die wilde Landschaft von Patagonien gereist. Richtiges Seemannsgarn eben.

      „Ihr könnt euch das wahrscheinlich gar nicht vorstellen, aber es war nachts so finster, dass man die eigene Hand nicht vor Augen sehen konnte. Kein einziger Stern am Himmel, kein Mond, kein gar nichts. Die Wolken hingen so dicht, dass man sie buchstäblich mit Händen greifen konnte. Ich war auf der Suche nach etwas Essbarem, als ich mir weit abseits vom Lager den Fuß verstauchte, so dass ich nicht mehr alleine zurück konnte. Mein Freund Claas van Matthijsen und die halbwilden Eingeborenen haben mich nur wieder gefunden, weil meine blonden Haare wie eine Fackel im Finstern leuchteten. Und kalt war es dort. Tag und Nacht pfiff ein eisiger Wind, der einem schon mal die Lust am Leben nehmen konnte. Sogar im Zelt war es so frostig, dass der Kaffee, kaum dass er gekocht war, zu Eiswürfeln gefror. Da hätten wir die Brühe lutschen müssen. Das war natürlich viel zu umständlich und deshalb haben wir schon zum Frühstück lieber gleich einen ordentlichen Schluck Rum getrunken.“

      Dabei

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