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und wir hielten uns so, wie wir uns die ganzen Jahre über festgehalten hatten.

      Wann immer möglich, durchlebten wir alles gemeinsam, sofern die Arbeitszeit uns nicht trennte. Ansonsten aber genossen wir das Leben, die Sonne, die Natur! Jetzt sogar dies, den Übergang in die neue Welt, ins Totenreich, ins Paradies.

      „Das im heiligen Buch beschriebene tausendjährige Friedensreich ist längst vorbei und erscheint vielen wie ein Mythos. Viele hatten sich wieder abgewandt von der Lehre der Priester. Viele, das hieß nach Hochrechnungen etwas die Hälfte der Menschen, die dem Glauben nach nicht in eine glückliche Ewigkeit ziehen würden. Aber ehe du in das Paradies oder in die Hölle kommst, bist du wie auf einem Zwischenbahnhof“, erklärte ich José.

      Bei diesem Gedanken tat sich etwas. Wir entschwanden. Ich sah, wie José sich in einem Nebel langsam auflöste. Sicher tat ich es ihm gerade nach. Wir wurden in eine Ewigkeit gezogen, daran glaubte ich fest. Fast schade, dass ich nicht mehr erfahren würde, wie es mit dem LKW-Fahrer weitergehen würde. Und doch fühlte ich, das etwas nicht stimmte. José’s Neugier hielt ihn gefangen. Ich fühlte gleichzeitig, dass mich dieses Geschehen binden würde. Binden an die Normalität. Binden an dieses Leben. Ich würde nicht eintreten können in das Ziel, das meinen Glauben ausmachte, weil wir etwas Neuem begegnet waren und José seine Neugier befriedigen musste. José blickte sich noch einmal zu mir um. „Lass los“, sagte ich sanft, doch ich wusste, er konnte nicht anders. So blieb ich auch, als Geist zwischen den Welten und wusste noch nicht, welche Rolle wir spielen würden.

      2. Dimanco (Sonntag) - wo ist José?

      Der harte Untergrund wich einem sandigen Boden! Erstaunt schaute ich nach unten. Ja, dort war jetzt warmer, sandiger Boden. „Das passt", dachte ich, „weil wir ja jetzt in das Paradies kommen!" Wieso ich gerade auf das Paradies kam, vermochte ich nicht zu sagen. Ich fühlte Glück und Frieden, als sich um mich herum die Welt änderte. Mit einer unvorstellbaren Behaglichkeit schaute ich zu José, dessen Gesicht sich zu einer Fratze verzog. Er reckte seine Hand zu seinem Körper, als wolle er wieder in ihn hinein. „José, lass los. Du must das alte Leben loslassen“, sagte ich sanft. Ich spürte die Kraft, die an mir, an meiner Seele zog, um mich endgültig vom Fleisch zu trennen. Ich musste hierbleiben und José helfen! Es begann wehzutun, als ich mich gegen diese Kraft stemmte, die mich mitnehmen wollte, in die Ewigkeit an die ich zeitlebens geglaubt hatte. Mir wurde bewusst, dass mein wohliges Lächeln erstarb. Es rauschte um uns herum und gleichzeitig blieben die Blätter auf dem Boden der Erde reglos liegen. Ich kann es nicht anders beschreiben, als Sturm in einem Wasserglas. Wir waren drinnen gefangen und außerhalb war das bisherige Leben. Ich musste eine Entscheidung treffen. Jetzt!

      3. Dimanco (Sonntag) - Ankunft

      Die Sonne warf ihre Strahlen auf dieses Fleckchen, an dem ich stand. Aus Gewohnheit grub ich meine Zehen tief in den feinen Sand hinein. Mein Herz pumpte vor Freude, mein Blut puckerte, ich spürte es überall, so kribbelte es in mir. Ich konnte nicht erwarten, was jetzt wohl geschehen würde. Und jetzt, jetzt endlich wurde es hell um mich herum. Meinen Körper spürte ich nicht mehr. Er wurde leicht. Die Berührung mit José war verloren. Ich aber genoss diesen Augenblick, diesen herrlichen Moment des Lebens.

      Vor mir öffnete sich eine neue Welt. Ich fühlte den Sand in einer Feinheit durch meine Zehen rieseln, die unbeschreiblich war. Völlig verwundert beobachtete ich das Schauspiel. Sandkorn für Sandkorn schlängelte sich durch meine Zehen und ließ diese noch tiefer in den warmen Boden hinein. Als ich einatmete, durchströmte mich eine Freiheit und Leichtigkeit, wie ich sie noch nie erfahren hatte. Tief zog ich die Luft in meine Lungen und genoss diese Frische. Langsam hob ich den Kopf und wagte einen Blick in mein neues Umfeld. Der Blick war weitläufig. Mich umgab pure Natur. Bunt, schillernd. Ich wusste gar nicht, wohin ich zuerst schauen sollte. Ein Glücksgefühl durchströmte mich in einer warmen Welle.

      Ich stand auf einer großen Lichtung. Vor mir lag ein Tal mit tiefgrünen Wiesen, die bis an den Horizont reichten. Links und rechts waren sie von blühenden Sträuchern und dahinterliegend von reichhaltigen Wäldern in den tollsten Grüntönen begrenzt. Über der Wiese lag ein feiner Nebel, der schnell in einen strahlend blauen Himmel überging.

      Das alles nahm mich sofort gefangen. Dieser Ausblick mit all den warmen, fröhlichen und satten Farben war unbeschreiblich! Egal wohin ich schaute, zum Himmel, zum Boden oder in die Natur: Alles erstrahlte in einem so ausgefüllten Farbton, dass ich mich gar nicht sattsehen konnte! Dabei blendete weder die Sonne, noch die Vielfalt um mich herum. Ich konnte genießen. Einfach nur genießen!

      Es gab keinen Gedanken an dies oder das. Kein Bangen um irgendwas.

      Erneut sog ich die Luft ein. Sie fühlte sich an wie nach einem warmen Sommerregen. Sie war so rein, ja schien tatsächlich unberührt, dass ich nicht anders konnte, als einen Augenblick innezuhalten, die Augen zu schließen und zu staunen.

      „Aaaah, tut das gut", seufzte ich endlich.

      Im tiefsten Innern glücklich, öffnete ich die Augen. Um mich herum nahm ich schemenhaft Gestalten wahr. Sie drängten sich nicht auf, sondern warteten. Erst als ich innerlich bereit war sie in mein Leben zu lassen, näherten sie sich und wurden mit jedem Schritt, den sie näherkamen farbenfroher.

      Es waren viele, die mich in Empfang nahmen. Eine große Anzahl kannte ich nicht einmal. Vermutlich waren wir uns im Erdenleben begegnet und hatten einander geholfen, so wie man sich halt mal hilft oder im Vorbeigehen grüßt. In diesem ersten Augenblick hatte ich nur Augen für meine Eltern, für Oma, Opa, Freunde und Freundinnen. Fröhlich umarmten wir einander. Alle hatten ein nettes Wort für mich oder stellten sich vor: „Hallo! Wie schön dich zu sehen!" – „Wie lange ist das her!" – „Ich habe immer auf dich aufgepasst, für dich gehofft und gebetet!" – „Einfach nur schön, dass du jetzt auch da bist."

      Die freudigen Bekundungen stürmten auf mich ein, so dass ich gar nicht antworten konnte. Sie alle nahmen mich in den Arm, drückten mich und schauten mir durchdringend in die Augen. Mein Gott, selbst diese Blickkontakte waren viel intensiver als alles mir bisher bekannten. Vereinzelt klopften mir mittlerweile manche nur noch auf die Schulter oder gaben mir die Hand. Wir fanden lediglich für kurze Gesprächshäppchen Zeit.

      „Sie sind damals für mich eingetreten, wissen sie noch?"

      „Nein, ehrlich gesagt, … oh warten sie …, doch. Doch ich erinnere mich!" Verwundert erkannte ich, dass ein kurzes Innehalten und mich Besinnen mir auch die Erinnerung an längst vergessene Kleinigkeiten lieferte. Dies also war es für mich: mein eigener schwarz-weißer Film mit realen Personen. An manchen Stellen mit einem Glücksgefühl, an anderen Momenten mit dem schmerzenden Erkennen, was ich einem Mitmenschen oder Lebewesen angetan hatte. Besonders dann tat mir das Schulterklopfen wohl, denn ich fühlte: Ich hatte längst Vergebung erfahren.

      „Mir hast du deinen Lebtag nicht verziehen", ertönte eine tiefe Stimme. Sie war mir bekannt. Zu bekannt, als dass ich wirkliche Freude empfinden konnte. Wohl auch aus diesem Grund fühlte ich, dass ich eher ein Bild des Schreckens abgeben musste. Erstarrt, ja verstört stand ich vor meinem ehemaligen Lehrer, der mich seinerzeit mit schnell hintereinander folgenden Fragen durch meine Abschlussprüfung in die Fünf gepeitscht hatte. Sofort kam die Erinnerung wieder hoch, wie ich gedemütigt vor dem Prüfungskomitee stand.

      „Sie wussten genau, wo meine Schwächen lagen!"

      „Ja."

      „Das Referat, das ich gehalten hatte, haben sie einfach nicht bewertet. Sie sagten: Würden sie eine Note geben, wäre es für die Ausarbeitung eine Eins! Wie sagten Sie noch?", aufbrausend äffte ich ihn nach: „Aber ich gebe diesmal keine Note."

      Meiner Kehle entrann sich ein Schluchzer, über seine Gemeinheit: „Wissen sie noch?"

      „Ja."

      „Sie haben sogar die Nachprüfung verhindert!"

      „Ja."

      Beide starrten wir uns an. Ich spürte, wie er mit sich rang, aber er war überzeugt, damals

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