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Die Schatzinsel. Robert Louis Stevenson
Читать онлайн.Название Die Schatzinsel
Год выпуска 0
isbn 9783754934005
Автор произведения Robert Louis Stevenson
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Es kam näher und immer näher, und wir saßen da und hielten den Atem an. Dann gab es einen scharfen Schlag gegen die Haustür, und dann konnten wir hören, wie die Klinke gedreht wurde und wie der Riegel klirrte. Offenbar versuchte der Kerl ins Haus zu kommen. Dann war es lange Zeit totenstill, drinnen und draußen. Schließlich begann wieder das Tap-tap und entfernte sich zu unserer unbeschreiblichen Freude und klang immer leiser, bis es endlich ganz aufhörte.
»Mutter,« sagte ich, »nimm das Ganze und lass uns gehen!«
Ich war überzeugt, dass die verriegelte Tür Verdacht erregt haben müsste und dass uns bald das ganze Hornissennest um die Ohren schwirren würde. Aber wie zufrieden ich war, dass ich die Tür verriegelt hatte, das kann niemand sich vorstellen, der diesen fürchterlichen Blinden nicht gesehen hat.
Meine Mutter wollte jedoch, so groß auch ihre Furcht war, keinen Heller mehr nehmen, als was ihr zukam; sie wollte sich aber auch nicht mit weniger zufrieden geben; denn sie war eigensinnig.
Sie sagte, es sei ja noch lange nicht sieben; sie kenne ihr Recht, und ihr Recht wolle sie haben. Sie stritt noch mit mir darüber, da hörten wir einen kurzen, leisen Pfiff, in ziemlich weiter Entfernung vom Berge her. Das war für uns beide mehr als genug. Sie sprang auf und rief:
»Ich will nehmen, was ich habe!«
»Und ich will dies nehmen, um die Rechnung auszugleichen,« sagte ich und griff nach dem Wachstuchpaket.
Im nächsten Augenblick tasteten wir beide uns im Dunkeln die Treppe hinunter; denn wir ließen die Kerze neben der leeren Kiste stehen und dann hatten wir schon die Tür geöffnet und waren in vollem Rückzug.
Wir waren keine Sekunde zu früh gegangen. Der Nebel zerteilte sich schnell; der Mond schien bereits ganz hell über die ganze Landschaft, und nur gerade unten auf dem Grunde des Hohlweges und bei der Haustür unseres »Admiral Benbow« hing noch ein dünner Schleier, der die ersten Schritte unserer Flucht verhüllte. Noch lange nicht auf halbem Wege nach dem Dorf, ganz dicht am Fuß des Berges, mussten wir in das helle Mondlicht hinaustreten. Und noch mehr: der Schall von Schritten mehrerer schnellaufender Menschen war bereits zu hören, und als wir uns umsahen, zeigte uns ein Licht, das hin und her schwankte und schnell näher kam, dass einer von den Leuten eine Laterne trug.
»Liebes Kind,« sagte meine Mutter plötzlich, »nimm das Geld und laufe! Mir wird übel.«
Da dachte ich, jetzt sei es sicherlich mit uns beiden zu Ende. Wie verwünschte ich die Feigheit der Nachbarn! Wie tadelte ich meine arme Mutter wegen ihrer Ehrlichkeit und ihrer Geldgier, wegen ihrer vorigen Waghalsigkeit und jetzigen Schwäche!
Zum Glück waren wir grade an der kleinen Brücke; ich führte sie, die an allen Gliedern bebte, bis an das Geländer; und da stieß sie einen Seufzer aus und sank gegen meine Schulter.
Ich weiß nicht, woher ich die Kraft nahm, und ich fürchte, ich habe sie hart angefasst, – aber es gelang mir, sie über den Uferrand zu schleppen und noch ein Stückchen unter den Brückenbogen zu ziehen. Weiter konnte ich sie nicht bekommen; denn die Brücke war zu niedrig, so dass ich kriechen musste.
Hier mussten wir nun bleiben – meine Mutter lag kaum versteckt, und wir waren noch in Hörweite vom »Admiral Benbow«.
Fünftes Kapitel: Der Tod des Blinden
Meine Neugierde muss wohl stärker gewesen sein als meine Furcht; denn ich konnte nicht bleiben, wo ich war, sondern kroch wieder die Böschung hinauf, wo ich meinen Kopf hinter einem Busch Heidekraut verbarg; von dort aus konnte ich die Landstraße vor unserem Hause übersehen.
Kaum lag ich in diesem Versteck, da begannen auch meine Feinde schon sichtbar zu werden. Es waren sieben oder acht Männer; sie liefen schnell, ihre Schritte klangen laut auf der Landstraße, und der Mann mit der Laterne war den anderen um ein Stückchen voraus. Drei von ihnen liefen mit angefassten Händen, und ich konnte trotz dem Nebel sehen, dass der Mann in der Mitte der blinde Bettler war.
Im nächsten Augenblick gab seine Stimme mir die Gewissheit, dass meine Vermutung richtig gewesen war; denn er schrie:
»Schlagt die Tür ein!«
»Jawohl, Herr!« antworteten zwei oder drei Stimmen, und die ganze Bande stürmte auf den »Admiral Benbow« los; der Laternenträger kam zuletzt. Dann konnte ich sehen, wie sie stillstanden, und hörte sie leise sprechen, wie wenn sie überrascht wären, dass sie die Tür offen fanden. Aber die Pause war nur kurz, denn der Blinde gab sofort neue Befehle aus. Seine Stimme klang lauter und heller, wie wenn er eifrig und wütend wäre.
»Hinein, hinein, hinein!« brüllte er und fluchte über ihre Langsamkeit. Vier oder fünf von den Männern gehorchten ihm sofort; zwei blieben bei dem schrecklichen Bettler auf der Straße. Es folgte eine Pause, dann hörte ich einen Ausruf der Überraschung, und dann brüllte eine Stimme aus dem Hause heraus:
»Bill ist tot!«
Aber der Blinde fluchte wieder und schalt sie wegen ihrer Langsamkeit.
»Sucht an seiner Leiche, ein paar von euch feigen Hunden, und die übrigen gehen nach oben und holen die Kiste!« rief er.
Ich hörte, wie sie unsere alte Treppe hinaufpolterten; das ganze Haus muss davon gezittert haben. Gleich darauf kam wieder ein erstauntes Geschrei; das Fenster in des Kapteins Stube wurde aufgestoßen, und eine Glasscheibe klirrte; Kopf und Schultern eines Mannes, der sich weit hinauslehnte, wurden im Mondschein sichtbar. Er rief zu dem blinden Bettler herunter, der immer noch auf der Straße stand:
»Pew! Sie sind uns zuvorgekommen! Sie haben die Kiste schon um und um gekehrt!«
»Ist es da?« brüllte Pew.
»Das Geld ist da.«
»Zum Geier mit dem Geld!« fluchte der Blinde; »ich meine: ist Flints Schrift da?«
»Wir sehen hier nichts davon!« antwortete der Mann von oben.
»Heda! Ihr da unten – ist sie an Bills Leib?« schrie der Blinde wieder.
Hierauf kam ein anderer von den Kerlen – wahrscheinlich jener, der unten geblieben war, um des Kapteins Leiche zu durchsuchen, vor die Haustür und sagte:
»Bill war schon durchsucht; sie haben nichts übriggelassen.«
»Es sind die Leute von der Wirtschaft – es ist der verdammte Bengel. Ich wollte, ich hätte ihm das Lebenslicht ausgeblasen!« rief der Blinde, Pew. »Sie waren gerade eben noch hier – sie hatten die Tür verriegelt, als ich hinein wollte. Auseinander, Jungens, sucht sie!«
»Allerdings, sie haben ihre Funzel hier gelassen,« sagte der Mann am Fenster.
»Auseinander und sucht sie! Stöbert das ganze Haus durch!« wiederholte Pew und schlug mit seinem Stock auf den Boden.
Nun folgte ein großes Hallo durch unsern ganzen alten Gasthof; schwere Stiefel trampelten auf und ab, Tische und Stühle wurden umgeschmissen, Türen eingetreten, dass die ganzen Felsen davon widerhallten. Aber einer nach dem anderen kamen die Männer wieder heraus auf die Straße und erklärten, wir seien nirgends zu finden. Und gerade in demselben Augenblick hörte ich wieder das Pfeifen, das meine Mutter und mich aufgeschreckt hatte, als wir des toten Kapteins Geld zählten; es war wieder ebenso deutlich vernehmbar, aber diesmal war es ein Doppelpfiff. Ich hatte gedacht, es sei sozusagen die Trompete des Blinden, durch die er seine Leute zum Sturmangriff gesammelt hätte; jetzt aber begriff ich, dass es ein Signal von der Bergeshöhe an der Dorfseite war, und zwar, wie aus der Wirkung auf die Freibeuter hervorging, ein Warnungszeichen, dass Gefahr herannahe.
»Da pfeift Dirk wieder,« sagte einer von den Leuten. »Zweimal! Wir werden ausreißen müssen. Kameraden!« »Ausreißen, »Schafskopf!« schrie Pew. »Dirk war ein Dummkopf und ein Feigling von Anfang an – um den braucht ihr euch nicht zu kümmern. Sie müssen ganz dichtebei sein, sie können nicht weit gekommen sein; ihr habt ja das Ding in der Hand! Sucht sie doch, ihr Hunde! Oh, Gottverdammich! Wenn ich Augen hätte!«