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ihm respektvoll Platz. Guerin fragte sich, ob die Leute hier einfach nur auf Zack waren, oder ob sich die Gerüchte über seine spektakulären Fälle und phänomenale Aufklärungsquote bereits bis zu ihnen herumgesprochen hatten. Er schickte bis auf zwei Kollegen alle nach Hause. Wie erwartet, hatte der »Schatz«, in diesem Fall ein Alukoffer, nicht einfach in der Kajüte gelegen. Das Schiff hatte einmal einen Innenbordmotor besessen, und daher lagen viele Teile der technischen Ausrüstung wie Tanks für Wasser oder Treibstoff unterhalb des Kajütenbodens. Zugang zu diesem etwa achtzig Zentimeter hohen Unterdeck boten einige Klappluken. Man konnte sich dort unten bewegen, jedoch nur auf allen vieren. Als Guerin sich selbst ein Bild vom Fundort des Koffers machte, entdeckte er zudem einen vergleichsweise sauberen Schlafsack unter einem der Lukendeckel, der sich von unten verriegeln ließ. Vermutlich die letzte Zuflucht des Obdachlosen, wenn er jemanden kommen hörte. Hinter der vorgebauten Wand am Rand des Rumpfes fand sich eine Stelle, an der ein Mensch auch auf diesem Deck aufrecht stehen konnte. In dieser schrankartigen Konstruktion befand sich auf Augenhöhe ein Türspion, durch den man die gesamte Kajüte überblicken konnte. Den Alukoffer hatten die Spurensicherungsbeamten eher zufällig darin entdeckt, weil sie das Glas des Spions von außen entdeckt hatten und ihm nachforschten. Das Versteck an sich dürfte schon länger bestanden haben. Neu wirkte nur dieser Spion. Guerin überlegte sich, ob all der Müll in der Kabine bloß davon abhalten sollte, genauer hinzusehen. Alles in allem ein guter Platz, um sich auch für längere Zeit zu verstecken.

      Das Spurensicherungsteam hatte den Koffer für den Kommissar wieder zugeklappt und an die Fundstelle zurückgelegt. Guerin ließ ihn ungeöffnet zum Justizpalast schaffen, dann schickte er die letzten Kollegen nach Hause. Endlich allein! Er wollte den Ort auf sich wirken lassen, und dazu musste er ebenso verlassen sein, wie der Landstreicher ihn normalerweise erlebte.

      5. Kapitel

      Irgendwann hatte Muriel genug davon, auf Danners Erwachen zu warten. Sie schlüpfte in ihre Kleider und rückte ihr ausladendes Dekolleté zurecht. Auch der geschlitzte Rock ihres Kleides, der den Blick auf ihre gebräunten Schenkel freigab, sollte seine Wirkung nicht verfehlen. Sie stellte sich neben das Boot und warf einen Kieselstein ins Wasser, um auf sich aufmerksam zu machen. Danner hob den Kopf, sah sich um.

      »Hallo!« Sie winkte ihm lächelnd zu.

      Er wirkte verschlafen. »Hallo«, gab er kraftlos zurück. Erst als er erkannte, wer ihn da geweckt hatte, schob er sich die Brille auf die Nase. »Sie, Madame?«

      »Ich wollte Sie nicht stören«, entschuldigte sie sich.

      »Aber nicht doch. Welch eine angenehme Überraschung. Kommen Sie bitte an Bord, Madame!« Er schien leicht verwirrt, aber auch sehr erfreut.

      Gespielt zögerlich balancierte Muriel über das angelegte Landungsbrett. Danner hatte sich inzwischen erhoben, war vom Oberdeck heruntergestiegen und bot ihr seine Hand an. »Bitte, Madame!«

      Sie griff beherzt zu und ließ sich an Deck ziehen, wobei sie den Rock etwas raffte und ihm viel Bein zeigte. Als sie sich extra weit vorbeugte, um ihre Tasche abzustellen, spürte sie seine Blicke auf ihrem Busen fast körperlich. Meinrad hatte ja keine Ahnung, dass er genau das tat, was sie bezweckte.

      Mit leicht belegter Stimme sagte er: »Kann ich Ihnen etwas anbieten? Ein Glas Wein, vielleicht?«

      Sie gab sich verlegen. »Ich vertrage Alkohol nicht besonders gut auf leeren Magen.«

      Er reagierte sofort. »Aber natürlich, Madame. Das hätte mir auch direkt einfallen können. Ich esse jeden Abend in diesem ausgezeichneten Restaurant da oben!«

      Er deutete eifrig flussaufwärts. »Es wäre mir eine Riesenfreude, wenn Sie mich heute begleiten würden!«

      Sie wand sich kokett. »Wie nett von Ihnen. Aber das kann ich doch nicht annehmen. Einfach so?«

      »Aber weshalb denn nicht? Ich würde mich unbeschreiblich darüber freuen. Es ist so schön hier. Auch das Boot ist perfekt. Jedoch so ganz allein? Ihre Gesellschaft würde meinen Aufenthalt endgültig unvergesslich machen.«

      Muriel gab sich geschlagen. »Wenn Ihnen so viel daran liegt. Hungrig bin ich tatsächlich.«

      Danner blühte richtiggehend auf. »Nehmen Sie doch bitte kurz Platz. Ich ziehe mich rasch um.«

      Muriel setzte sich brav hin. Er verschwand in der Kabine. Deutlich zu hören, dass er sich duschte. Sie nickte zufrieden. Er schien zu wissen, was sich gehörte. Sie würde zwar einiges in Kauf nehmen, um an sein Vermögen zu gelangen, aber wenn sie sich dabei nicht ekeln musste, umso besser. Wenn er sich Mühe gab, würde sie ihm seine letzten Monate genau so versüßen, wie er es verdiente und danach seine hingebungsvoll trauernde Witwe geben. Zumindest so lange, bis alles geregelt sein würde.

      ***

      Guerin ließ es sich nicht nehmen, bei der Sichtung des Kofferinhalts von Anfang an dabei zu sein. Ähnlich wie ein Rechtsmediziner diktierte der Leiter der Abteilung Spuren seine Eindrücke in ein Aufnahmegerät: »Koffer der Marke Del Sey, Paris. Graue Hartschale, Kanten aus eloxiertem Aluminium. Größe 70 x 55 x 13 Zentimeter. Schlösser nicht verriegelt.«

      Der Techniker sah kurz hoch. »Kann ich öffnen, Herr Kommissar?«

      Guerin nickte zustimmend. »Bitte!«

      Der Techniker rollte mit den Augen, als der Deckel aufsprang. »Das dürfte einige Zeit dauern, Herr Kommissar, bis wir damit durch sind. Wollen Sie wirklich so lange warten?«

      Guerin zuckte mit den Schultern. »Bis Sie eine grobe Übersicht haben, bleibe ich.«

      »Ok.« Der Techniker griff zu einer Kamera und knipste etliche Bilder. Danach klaubte er eine schwarze Brieftasche aus dem Sammelsurium im Innern des Koffers und begann, die einzelnen Fächer zu leeren und auf dem Tisch auszubreiten. Auch davon machte er Fotos. Danach beschriftete er Zettel, die den Gegenständen beigefügt wurden.

      Guerin räusperte sich. »Irgendwas, womit sich der Kerl auf dem Boot identifizieren ließe oder uns sonst weiterhilft?«

      Der Techniker grinste. »Zaubern kann ich nicht, Herr Kommissar! Das dauert nun mal.«

      Guerin gab nach. »Ich genehmige mir einen Kaffee, dann komme ich wieder.«

      »Lassen Sie sich ruhig Zeit, Herr Kommissar«, empfahl der Mann.

      Als Guerin eine halbe Stunde später den Raum wieder betrat, hatte der Techniker bereits eine respektable Liste verfasst. Unter anderem war eine eckige Blechdose mit Deckel aufgeführt. Ihr Inhalt interessierte Guerin: mehrere Portemonnaies und Brieftaschen. Alle enthielten Kleingeld und weitere übliche Dinge wie Quittungen, Fotos, Heiligenbildchen und so weiter, die im Einzelnen noch nicht erfasst waren. Keine Ausweise oder Bankkarten. Gesamtbetrag aller Börsen etwa fünfundzwanzig Euro. Lose im Koffer: ein lädiertes Jagdmesser mit Horngriff, ein Medaillon mit Silberkette, ein zerfleddertes Pornoheft, mehrere Kugelschreiber, ein Notizbuch, schwarz, kaum Einträge. Eine Papierschere, Büroklammern und Gummibänder. Ein Umschlag mit einigen schwarz-weißen Fotos. Kulturbeutel eines Mannes, darin: gebrauchte Rasierklingen, Nagelpflegewerkzeug, zwei Pinzetten, Rasierwasser und ein Parfum, frische und gebrauchte Papiertaschentücher, Zahnstocher, ein Streifen Tabletten mit der Aufschrift Ibuprofen, also ein Schmerzmittel.

      Der Techniker winkte ihn heran. »Das hier könnte vielleicht doch interessant sein. Eine evangelische Taufurkunde. Name des Kindes: Georg Wetzel, geboren am 26. Mai 1949, getauft am 21. August 49. Die Taufpatin hieß Dora Müller.«

      Guerin runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, ob das was mit unserem Mann zu tun hat. Eigentlich passt der Koffer nicht zu ihm, eher die Blechdose.«

      »Das ist auch mein Eindruck«, bestätigte der Techniker. »Womöglich hat er den Koffer gefunden«, er stockte. »Oder entwendet.«

      »Könnte passen«, bestätigte Guerin. »Aber einige der Dinge dürften doch von ihm selbst stammen. Welcher normale Reisende würde ein solches Konvolut an unpraktischen Dingen mit sich herumschleppen?«

      »Es erinnert mich an Kram, den jeder irgendwo

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