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Höschen, von glänzend schwarzem Satin – wie die kleinen Buben es in der Turnstunde tragen – und dem gestreiften Hemd, das Hals und Arme entblößt ließ.

      Sie musterte ihn, kritisch und kalt. „Du bist seit voriger Woche noch etwas dicker geworden, mein Süßer,” konstatierte sie, wobei sie mit der Peitsche höhnisch gegen ihre grünen Stiefel klopfte.

      „Entschuldige,” bat er leise. Sein weißes Gesicht, mit der strengen Linie des Kinns, den empfindlichen Schläfen und den schön geschnittenen, klagenden Augen, behielt seinen ganzen Ernst und eine fast tragische Würde über dem grotesk hergerichteten Körper.

      Die Schwarze machte sich am Grammophon zu schaffen. In die Jazzmusik hinein, deren rhythmischer Lärm plötzlich einsetzte, sagte sie rauh: „Fang schon an!” Dabei fletschte sie die beiden Reihen ihrer gar zu weißen Zähne und bewegte grimmig die Augen: dies genau war das Mienenspiel, das er jetzt von ihr erwartete und verlangte.

      Ihr Gesicht stand vor ihm wie die schreckliche Maske eines fremden Gottes: Dieser thront mitten im Urwald, an verborgener Stelle, und was er fordert mit seinem Zähneblecken und Augenrollen, das sind Menschenopfer. Man bringt sie ihm, zu seinen Füßen spritzt Blut, er schnuppert mit der eingedrückten Nase den süß vertrauten Geruch, und er wiegt ein wenig den majestätischen Oberkörper nach dem Rhythmus des wild bewegten Tamtams. Um ihn vollführen seine Untertanen den verzückten Freudentanz. Sie schleudern die Arme und Beine, sie hüpfen, schaukeln sich, taumeln; aus ihrem Gebrüll wird Wonnegestöhn, aus [79] dem Gestöhn wird ein Keuchen, und schon sinken sie hin, lassen sich fallen vor den Füßen des schwarzen Gottes, den sie lieben, den sie ganz bewundern – wie Menschen nur Den lieben und ganz bewundern können, dem sie das Kostbarste geopfert haben: Blut. – Hendrik hatte langsam zu tanzen begonnen. Aber wohin war die triumphale Leichtigkeit, die von Publikum und Kollegen an ihm bewundert wurde? Sie war verschwunden; nur unter Qualen schien er jetzt die Füße zu setzen – freilich unter Qualen, die auch Wonnen waren: dies verrieten das selbstvergessene Lächeln der fahlen, aufeinander gepreßten Lippen und der benommene Blick.

      Juliette ihrerseits dachte nicht daran, zu tanzen; sie ließ den Schüler sich alleine plagen. Nur durch Händeklatschen, rauhe Schreie und rhythmisches Schaukeln des Leibes feuerte sie ihn an. „Schneller, schneller!” forderte sie wütend. „Was hast du denn in den Knochen? Und du willst ein Mann sein?! Du willst ein Schauspieler sein und dich auch noch für Geld sehen lassen? – Da, du komisches Stückchen Elend …”

      Die Peitsche fuhr ihm über die Waden und über die Arme. Diesmal traten ihm keine Tränen in die Augen, welche trocken und glühend blieben. Nur seine zusammengepreßten Lippen zitterten. Prinzessin Tebab schlug noch einmal zu.

      Er arbeitete, ohne jede Unterbrechung, eine halbe Stunde lang, als handelte es sich um ein ernsthaftes Training anstatt um eine etwas schauerliche Lustbarkeit. Schließlich keuchte er heftig. Er taumelte. Sein Gesicht war schweißbedeckt. Mühsam brachte er hervor: „Mir ist schwindlig. Darf ich aufhören …?”

      Sie erwiderte, mit einem Blick auf die Uhr, kurz und sachlich: „Mindestens noch eine Viertelstunde mußt du springen.”

      Da die Musik wieder plärrte und Juliette wieder frenetisch [80] in die Hände klatschte, versuchte er noch einmal den komplizierten Step. Aber die gequälten Füße, in ihren koketten Halbschuhen und Söckchen, verweigerten ihm den Dienst. Hendrik schwankte eine Sekunde lang; stand dann still; wischte sich mit der zitternden Hand den Schweiß von der Stirne.

      „Was machst du für Scherze?” grollte sie. „Du hörst auf, ohne meine Erlaubnis?! Das wäre ja das Allerneueste und noch das Schönere!”

      Sie zielte mit der roten Peitsche nach seinem Gesicht; er duckte sich noch rechtzeitig, um diesem fürchterlichen Schlage zu entgehen. Abends ins Theater kommen mit einer blutigen Strieme von der Stirn bis zum Kinn: das wäre denn doch etwas zu viel gewesen. Trotz der benommenen Stimmung, in der er sich befand, blieb ihm klar, daß er sich dergleichen keinesfalls leisten durfte. „Laß das!” sagte er kurz. Während er sich schon von ihr abwendete, fügte er noch hinzu: „Genug für heute.”

      Sie verstand, daß dies kein Spaß mehr war. Ohne etwas zu antworten, mit einem erleichterten kleinen Seufzer, schaute sie ihm zu, wie er in seinen üppig gefütterten, rotseidenen, übrigens an mehreren Stellen zerrissenen Schlafrock schlüpfte und sich auf dem Ruhebett niederließ.

      Das Sofa, welches man für die Nacht als Bett herrichten konnte, war tagsüber bedeckt mit Tüchern und bunten Kissen. Neben dem Kanapee stand die Lampe auf dem runden, niedrigen Rauchtisch.

      „Mache das grelle Licht aus!” bat Hendrik mit der singenden, wehleidig-melodischen Stimme. „Und komme zu mir, Juliette!”

      Durch das rosige Halbdunkel schritt sie auf ihn zu. Als sie neben ihm stehen blieb, seufzte er leise: „Wie gut!”

      „Hat es dir Spaß gemacht?” fragte sie ziemlich trocken. Sie hatte sich eine Zigarette angezündet und [81] reichte auch ihm Feuer; er benutzte zum Rauchen die lange, ordinäre Zigarettenspitze, das Geschenk der Rahel Mohrenwitz. „Ich bin völlig erledigt,” sagte er. Daraufhin verzog sie ihren gewaltigen Mund zu einem gutmütigen und verständnisvollen Lächeln. „Das ist recht,” sagte sie, wobei sie sich über ihn beugte.

      Er hatte seine breiten, bleichen, rötlich behaarten Hände auf ihre edlen, von schwarzer Seide überglänzten Kniee gelegt. Träumerisch sprach er: „Wie häßlich meine gemeinen Hände auf deinen herrlichen Beinen aussehen, Geliebte!” – „An dir ist alles häßlich, mein Schweinchen – Kopf, Füße, Hände, und alles!” versicherte sie ihm mit einer knurrenden Zärtlichkeit.

      Sie ließ sich neben ihn hingleiten. Das graue Pelzjäckchen hatte sie abgelegt; darunter trug sie eine knappe, hemdartige Bluse aus einem stark glänzenden, rot und schwarz karierten Seidenstoff.

      „Ich werde dich immer lieben,” sagte er erschöpft. „Du bist stark. Du bist rein.” Dabei schaute er, unter gesenkten Lidern, auf ihre harten und spitzen Brüste, die sich unter dem eng anliegenden, dünnen Gewebe deutlich abhoben.

      „Ach, das sagst du nur so,” meinte sie ernst und ein wenig verächtlich. „Das bildest du dir nur ein. Manche Leute haben das – daß sie sich immer so was einbilden müssen. Sonst fühlen sie sich nicht wohl.”

      Er tastete mit seinen Fingern nach ihren hohen und geschmeidigen Stiefeln. „Aber ich weiß doch, daß ich dich immer lieben werde,” flüsterte er, nun mit geschlossenen Augen. „Nie wieder finde ich eine Frau wie dich. Du bist die Frau meines Lebens, Prinzessin Tebab.”

      Sie wiegte mißtrauisch ihr dunkles, ernstes Gesicht über seinem weißen, ermüdeten. „Und dabei darf ich nicht einmal ins Theater gehen, wenn du spielst,” sagte sie unzufrieden.

      [82] Er hauchte: „Trotzdem spiele ich nur für dich – nur für dich, meine Juliette. Ich hole bei dir meine Kraft.”

      „Aber ich lasse mir’s nicht verbieten,” sagte sie trotzig. „Ich gehe ins Theater, ob du es mir erlaubst oder nicht. Nächstens einmal sitze ich im Parkett, und dann lache ich laut, wenn du auf die Bühne kommst, mein Affe.”

      Er sagte hastig: „Mach keine Witze!” Dabei hatte er erschreckt die Augen geöffnet und sich halb aufgerichtet. Der Anblick seiner Schwarzen Venus schien ihn wieder zu beruhigen. Er lächelte, und nun begann er sogar zu rezitieren.

      „Viens-tu du ciel profond ou sors-tu de l’abîme – o Beauté?”

      „Was ist denn das für ein Quatsch?” fragte sie ungeduldig.

      „Das ist aus diesem herrlichen Buch da,” erklärte er ihr, und deutete auf eine gelb broschürte französische Edition, die neben der Lampe auf dem Rauchtisch lag – es waren „Les Fleurs du Mal” von Baudelaire.

      „Das verstehe ich nicht,” sagte Juliette verdrossen. Er aber ließ sich nicht stören in seiner Ekstase, sondern fuhr fort: „Tu marches sur des morts, Beauté, dont tu te moques. – De tes bijoux l’Horreur n’est pas le moins charmant. – Et le Meurtre, parmi tes plus chères breloques,

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