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mit den girrenden und heiseren Tönen ihrer Stimme. Sie zerdehnte eigensinnig die Vokale, steckte den Kopf zwischen die Schultern und bewegte sich auf eine Art, die zugleich zauberhaft schwerelos und befangen schien: halb einem eckig-mageren dreizehnjährigen Jungen ähnlich, halb einer lieblich scheuen Elfe, sprang und flatterte, schwebte und schlenderte sie über die Szene. Ihr Erfolg war so groß, daß kein anderer neben ihr aufkommen konnte. Die Zeitungskritiken – lange Hymnen auf ihr Genie – erwähnten ihre Partner nur flüchtig. Hendrik aber, der einen geckenhaft grotesken Kavalier zu geben hatte, wurde sogar getadelt. Man warf ihm Übertreibungen und Manieriertheit vor.

      »Sie sind reingefallen, mein Lieber!« girrte die Martin und winkte ihm tückisch mit den Zeitungsausschnitten. »Das ist ein richtiger Mißerfolg. Und was das Schlimmste ist: Sie werden überall Henrik genannt – das ärgert Sie doch besonders. Tut mir so leid!« Sie versuchte, ein betrübtes Gesicht zu machen; aber ihre schönen Augen lächelten unter der hohen Stirn, die sie in ernste Falten legte. »Tut mir so leid, wirklich. Aber Sie sind ja auch miserabel in der Rolle«, sagte sie beinah zärtlich. »Vor lauter Nervosität zappeln Sie auf der Bühne wie ein Harlekin – tut mir ja so furchtbar leid. Natürlich merke ich trotzdem, daß Sie enorm viel Talent haben. Ich werde dem Professor sagen, daß er Sie in Berlin spielen lassen muß.«

      Schon am nächsten Tage wurde Höfgen zum Professor befohlen. Der große Mann betrachtete ihn aus seinen nahe beieinanderliegenden, versonnenen und dabei scharfen Augen; ließ die Zunge in den Backen spielen; machte, die Arme auf dem Rücken verschränkt, große Schritte durchs Zimmer; brachte ein paar knarrende Laute hervor, die etwa wie: »Na – aha – das ist also dieser Höfgen …« klangen, und sagte schließlich – wobei er, den Kopf gesenkt, in napoleonischer Haltung vor seinem Schreibtisch stehenblieb: »Sie haben Freunde, Herr Höfgen. Einige Leute, die etwas vom Theater verstehen, weisen mich auf Sie hin. Dieser Marder zum Beispiel …« Dabei hatte er ein kurzes, knarrendes Lachen. »Ja, dieser Marder«, wiederholte er, schon wieder ernst; um dann, mit respektvoll hochgezogenen Brauen, hinzuzufügen: »Auch Ihr Herr Schwiegervater, der Geheimrat, hat mir von Ihnen gesprochen, als ich ihn neulich beim Kultusminister getroffen habe. Und nun auch noch Dora Martin …«

      Der Professor versank wieder in Schweigen, das er einige Minuten lang nur ab und zu durch einen knarrenden Laut unterbrach. Höfgen wurde abwechselnd bleich und rot; das Lächeln auf seiner Miene verzerrte sich. Der nachdenkliche und kalte, zugleich verhangene und durchdringende Blick dieses fleischigen, untersetzten Herrn war nicht leicht zu ertragen. Hendrik begriff plötzlich, warum der Professor, der so gewaltig zu schauen verstand, von seinen Verehrern »der Magier« genannt wurde.

      Schließlich unterbrach Höfgen das peinlich-stumme Examen, indem er mit seiner singenden Schmeichelstimme bemerkte: »Im Leben bin ich unscheinbar, Herr Professor. Aber auf der Bühne …« Hier richtete er sich auf, breitete überraschend die Arme und ließ die Stimme im Metallton leuchten. »Auf der Bühne kann ich ganz drollig wirken.« Diese Worte begleitete er mit dem aasigen Lächeln. Nicht ohne Feierlichkeit fügte er hinzu: »Für diese Wandlungsfähigkeit hat mein Schwiegervater einmal sehr hübsch charakterisierende Worte gefunden.«

      Bei der Erwähnung des alten Bruckner zog der Professor respektvoll die Brauen hoch. Aber seine Stimme klang kalt, als er nach mehreren Sekunden bedeutungsvollen Schweigens sagte: »Na – man könnte es ja mal mit Ihnen versuchen …« Höfgen war freudig aufgefahren; der Professor winkte ernüchternd ab. »Erwarten Sie sich nicht zuviel«, sagte er ernst und prüfte Hendrik immer noch kalt mit den Augen. »Es ist kein großes Engagement, was ich Ihnen anbieten will. – In der Rolle, die Sie hier spielen, wirken Sie gar nicht drollig, sondern ziemlich miserabel.« Hendrik zuckte zusammen; der Professor lächelte ihm freundlich zu. »Ziemlich miserabel«, wiederholte er grausam. »Aber das schadet ja nichts. Man kann es trotzdem versuchen. Was die Gage betrifft …« Hier wurde des Professors Lächeln beinahe schelmisch, und seine Zunge spielte besonders eifrig im Munde. »Wahrscheinlich sind Sie, von Hamburg her, ein relativ anständiges Einkommen gewohnt. Sie werden sich bei uns zunächst mit weniger zufriedengeben müssen. – Sind Sie anspruchsvoll?« Der Professor erkundigte sich in einem Ton, als geschähe es nur aus theoretischem Interesse. Hendrik beeilte sich, zu versichern: »Mir liegt gar nichts am Geld. – Wirklich nicht«, sagte er mit der glaubwürdigsten Betonung; denn er sah den Professor eine skeptische Grimasse schneiden. »Ich bin nicht verwöhnt. Was ich brauche, das ist ein frisches Hemd und eine Flasche Eau de Cologne auf dem Nachttisch.« Der Professor lachte noch einmal kurz. Dann sagte er: »Die Details können Sie mit Katz besprechen. Ich werde ihn instruieren.«

      Die Audienz war beendet, Höfgen wurde mit einer Handbewegung entlassen. »Grüßen Sie bitte Ihren Herrn Schwiegervater von mir«, sagte der Professor, während er schon wieder, die Hände auf dem Rücken verschränkt, klein und gedrungen, in napoleonischer Haltung über den dicken Teppich seines Zimmers schritt.

      Herr Katz war der Generalsekretär des Professors; er leitete alles Geschäftliche in den Theatern des Meisters, sprach schon ebenso knarrend wie dieser und spielte wie dieser mit der Zunge in seinen Backen. Die Unterredung zwischen ihm und dem Schauspieler Höfgen fand noch im Lauf desselben Tages statt. Hendrik akzeptierte anstandslos einen Vertrag, den er dem Direktor Schmitz um die Ohren geschlagen haben würde: denn er war miserabel. Siebenhundert Mark Monatsgage – wovon noch die Steuern abgingen – und bestimmte Rollen waren ihm nicht garantiert. Mußte er sich dergleichen bieten lassen? Er mußte wohl, da er nach Berlin wollte und in Berlin unbekannt war. Noch einmal Anfänger sein! Es war nicht leicht und mußte ausgehalten werden. Opfer waren zu bringen, wenn man unbedingt nach oben wollte.

      Hendrik schickte einen großen Strauß gelber Rosen an Dora Martin; den schönen Blumen – die er vom Hotelportier hatte bezahlen lassen – legte er einen Zettel bei, auf den er in großen, pathetisch eckigen Buchstaben das Wort »Danke« schrieb. Gleichzeitig verfaßte er einen Brief an die Direktoren Schmitz und Kroge: kurz und trocken setzte er den beiden Männern, denen er so vieles schuldig war, auseinander, daß er, zu seinem Bedauern, den Vertrag mit dem Künstlertheater nicht erneuern könne, da der Professor ihm ein glänzendes Angebot gemacht habe. Während er den Brief ins Kuvert steckte, stellte er sich einige Sekunden lang die bestürzten Mienen in dem Hamburger Büro vor. Beim Gedanken an den tränenfeuchten Blick der Frau von Herzfeld mußte er kichern. In sehr animierter Stimmung fuhr er ins Theater.

      Er ließ sich in Dora Martins Garderobe melden, aber die Kammerfrau bedeutete ihm, daß ihre Herrin die Visite des Professors habe.

      »Ich habe Ihnen also diesen sonderbaren Gefallen getan«, sagte der Professor und schaute sinnend auf Dora Martins Schultern, deren Magerkeit der Frisiermantel bedeckte. »Dieser Bursche ist engagiert – dieser – wie heißt er noch?«

      »Höfgen«, lachte die Martin, »Hendrik Höfgen. Sie werden sich den Namen schon noch merken, mein Lieber.«

      Der Professor zuckte hochmütig die Achseln, spielte mit der Zunge in den Backen und brachte knarrende Laute hervor. »Er gefällt mir nicht«, sagte er schließlich. »Ein Komödiant.«

      »Seit wann haben Sie etwas gegen Komödianten?« Die Martin zeigte lächelnd ihre Zähne.

      »Nur gegen schlechte Komödianten habe ich etwas.«

      Der Professor schien ärgerlich. »Gegen Provinzkomödianten«, sagte er böse.

      Die Martin war plötzlich ernst geworden; ihr Blick verdunkelte sich unter der hohen Stirn. »Er interessiert mich«, sagte sie leise. »Er ist ganz gewissenlos« – sie lächelte zärtlich – »ein ganz schlechter Mensch.« Sie dehnte sich, beinah wollüstig; dabei ließ sie das kindliche, gescheite Haupt in den Nacken sinken. »Wir könnten Überraschungen mit ihm erleben«, sagte sie schwärmerisch zur Decke hinauf.

      Einige Sekunden später erhob sie sich hastig und scheuchte den Professor mit flatternden kleinen Gebärden zur Tür. »Es ist höchste Zeit!« machte sie lachend. »Hinaus! Schnell hinaus mit Ihnen! Ich muß mir meine Perücke aufsetzen.«

      Der Professor, schon zum Ausgang gedrängt, fragte noch: »Darf man denn das nicht sehen – wie Sie Ihre Perücke aufsetzen? Nicht einmal das?!« fragte er und bekam gierige Augen.

      »Nein,

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