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zu lösen, sprang ich über den Zaun, rannte die gepflasterte und mit Stachelbeersträuchern eingefaßte Allee hinauf und pochte um Einlaß, bis meine Knöchel schmerzten und die Hunde heulten. Aber es war vergeblich.

      »Nichtswürdige Insassen!« dachte ich; »für eure grobe Ungastlichkeit verdientet ihr gänzliche Isolierung. Ich wenigstens würde meine Türen nicht während des Tages verriegelt halten. Übrigens mache ich mir nichts daraus, ich will hineinkommen.«

      Entschlossen ergriff ich die Klinke und rüttelte heftig daran. Josefs saures Gesicht blickte aus einem der runden Stallfenster.

      »Wat 's los?« schrie er. »De Här is drunnen uf der Schafweid. Geht 'nunner, wann 'r mit ihm sprechen wollt.«

      »Ist niemand im Haus, um die Tür zu öffnen?« rief ich als Antwort.

      »Da is niemand als die Fraa, un die macht nit uff, und wann 'r Eich bis in d' Nacht abschinnen dut.«

      »Warum? Können Sie ihr denn nicht sagen, wer ich bin? He, Josef?«

      »Ich bedank mich davor! Ich will nix damit z' dun han«, brummte er und zog den Kopf zurück.

      Es begann stärker zu schneien. Ich erfaßte die Klinke, um einen neuen Versuch zu machen, als ein junger Mann ohne Rock, eine Mistgabel schulternd, hinten im Hof erschien. Er rief mir zu, ihm zu folgen, und nachdem wir eine Waschküche und einen gepflasterten Vorraum durchschritten hatten, auf dem sich ein Kohlenschuppen, ein Brunnen und ein Taubenhaus befanden, erreichten wir schließlich das große, warme, liebenswürdige Gemach, in dem man mich gestern empfangen hatte. Es glühte herrlich im Glanz eines mächtigen Feuers, das aus einem Berg von Holz, Torf und Kohlen hervorlohte. Und nahe dem Tisch, der mit einem reichlichen Nachtmahl besetzt war, bemerkte ich zu meiner Freude die »Fraa«, eine Persönlichkeit, deren Existenz ich bisher durchaus nicht vermutet hatte. Ich verbeugte mich und wartete, da ich annahm, sie würde mich auffordern, Platz zu nehmen. Sie lehnte sich jedoch in ihren Stuhl zurück und sah mich an – und blieb regungslos und stumm.

      »Rauhes Wetter!« bemerkte ich. »Ich fürchte, Mrs. Heathcliff, die Tür muß unter den Folgen der lässigen Aufmerksamkeit Ihrer Dienstboten leiden: ich hatte harte Arbeit, mich ihnen hörbar zu machen.«

      Sie öffnete nicht den Mund. Ich starrte sie an – wie sie mich; wenigstens ruhten ihre Blicke auf mir, kühl und gleichgültig und verwirrend.

      »Setzen Sie sich«, sagte der junge Mann barsch. »Er wird bald kommen.«

      Ich gehorchte; und ich räusperte mich und rief die niederträchtige Juno, die bei dieser zweiten Begegnung die äußerste Spitze des Schwanzes zu bewegen geruhte, gewissermaßen zum Zeichen, daß sie meine Bekanntschaft anerkannte.

      »Ein schönes Tier!« begann ich wieder. »Gedenken Sie sich von den Kleinen zu trennen, gnädige Frau?«

      »Sie sind nicht mein«, sagte die liebenswürdige Wirtin, abweisender als selbst Heathcliff geantwortet haben könnte.

      »Ah, dies sind Ihre Lieblinge?« fuhr ich fort, mich nach einem dunklen Kissen wendend, auf dem, wie mir schien, junge Katzen lagen.

      »Merkwürdige Lieblinge!« sagte sie verächtlich.

      Unglücklicherweise war es ein Haufen toter Kaninchen. Ich räusperte mich nochmals und rückte näher zum Feuer, meine Bemerkung über das schlechte Wetter wiederholend.

      »Sie hätten nicht herauskommen sollen«, sagte sie, indem sie sich erhob und nach den bemalten Büchsen auf dem Kaminsims langte.

      Sie hatte bisher im Schatten gesessen, jetzt erst hatte ich einen klaren Anblick ihrer Gestalt und ihres Gesichtes. Sie war schlank und anscheinend noch sehr jung: eine herrliche Figur und das entzückendste kleine Gesicht, das ich je gesehen habe; feine Züge, sehr blond; flachsfarbene, nein goldene Locken, lose auf den zarten Hals niederfallend, und Augen, die, wenn sie freundlich geblickt hätten, unwiderstehlich gewesen wären. Zum Glück für mein empfängliches Herz schwankte ihr Ausdruck nur zwischen Verachtung und einer Art Verzweiflung, die für diese jungen Augen außerordentlich befremdend war.

      Die Büchsen waren ihr fast unerreichbar. Ich machte eine Bewegung, ihr zu Hilfe zu kommen. Sie kehrte sich zu mir, zornig wie ein Geizhals, dem jemand den Vorschlag gemacht hat, ihm ein wenig beim Zählen seines Geldes zu helfen.

      »Ich brauche nicht Ihre Hilfe«, fuhr sie mich an, »ich kann sie allein herunterholen.«

      »Ich bitte um Verzeihung!« beeilte ich mich zu erwidern.

      »Hat man Sie zum Tee gebeten?« fragte sie, vor ihr sauberes schwarzes Kleid eine Schürze bindend, und beugte sich mit einem Löffel Teeblätter über den Topf.

       »Ich werde mich freuen, eine Tasse zu bekommen«, antwortete ich.

      »Hat man Sie eingeladen?« wiederholte sie.

      »Nein«, sagte ich lächelnd, »aber Sie sind ja die geeignete Persönlichkeit, dies nachzuholen.«

      Sie warf Tee und Löffel fort, nahm ihren Stuhl wieder ein und runzelte die Stirn und schob die Unterlippe vor, wie ein Kind, das weinen will.

      Nun stellte sich der junge Mann, der sich inzwischen einen entschieden schäbigen Rock angezogen hatte, vor dem Feuer auf und blickte mich von der Seite an, als bestände zwischen uns eine tödliche Fehde. Mir kamen Zweifel, ob er nur ein Dienstbote sei. Seine Kleidung war ordinär, und seine Sprechweise entbehrte völlig jener Überlegenheit, die Mr. und Mrs. Heathcliffs Benehmen zeigte. Seine dicken braunen Locken waren rauh und ungepflegt, sein Bart verwildert und seine Hände gebräunt, wie diejenigen eines gewöhnlichen Arbeiters. Dennoch war sein Benehmen frei, fast hochmütig, und er bezeigte der Dame des Hauses keine dienstbotenhafte Aufmerksamkeit. In Ermangelung klarer Beweise für seine Stellung, schien es mir das geratenste, sein seltsames Betragen nicht zu bemerken, und fünf Minuten später befreite mich Heathcliffs Eintritt wenigstens bis zu einem gewissen Grade aus meiner unbehaglichen Situation.

      »Sie sehen, mein Herr, ich bin meinem Versprechen gemäß gekommen!« rief ich munter; »und ich fürchte, das Wetter wird mich für eine halbe Stunde hier festhalten, falls Sie mir für diese Zeit Unterkunft gewähren können.«

      »Halbe Stunde?« sagte er, die weißen Flocken von seinen Kleidern schüttelnd. »Soll mich wundern, ob Sie Lust haben werden, durch dicken Schneesturm zu wandern. Wissen Sie, daß Sie Gefahr laufen, sich in den Sümpfen zu verirren? Selbst Leute, die mit den Mooren hier gut bekannt sind, verlieren an solchen Abenden häufig den Weg. Und ich kann Ihnen sagen, es ist vorläufig keine Aussicht auf einen Wetterumschlag.«

      »Vielleicht könnte einer Ihrer Leute meinen Führer machen und bis zum Morgen in Drosselkreuzhof bleiben – könnten Sie einen entbehren?«

      »Nein, keinen.«

      »O – –. Nun gut, dann muß ich mich eben auf meinen eigenen Spürsinn verlassen.«

      »Hm!«

      »Gibt's bald Tee?« fragte der mit dem schäbigen Rock und wandte seinen grimmigen Blick von mir zu der jungen Dame.

      »Soll er welchen haben?« fragte sie, sich an Heathcliff wendend.

      »Mach ihn fertig, hörst du!« war die grobe Antwort, die mich zusammenfahren ließ. Der Ton, in dem dies gesagt worden war, verriet ein wahrhaft böses Naturell. Ich sah mich nicht mehr veranlaßt, Heathcliff einen prächtigen Kerl zu nennen.

      Als die Vorbereitungen beendet waren, lud er mich mit einem »Nun, Herr, rücken Sie Ihren Stuhl heran« ein. Und wir alle, einschließlich des bäurischen Jünglings, setzten uns zu Tisch. Ein finsteres Schweigen herrschte, während wir aßen und tranken.

      Ich dachte, wenn ich diese Wolke heraufbeschworen habe, so muß ich einen Versuch machen, sie wieder zu vertreiben. Sie konnten doch nicht alle Tage so grimmig und stumm dasitzen: so übellaunig diese Menschen auch sein mochten, schien es mir doch undenkbar, daß sie dies böse Stirnrunzeln alltäglich zur Schau trugen.

       »Es ist merkwürdig«, begann ich also, während ich mir eine zweite Tasse Tee einschenken ließ, »es ist merkwürdig,

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