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Dombey und Sohn. Charles Dickens
Читать онлайн.Название Dombey und Sohn
Год выпуска 0
isbn 9783754173183
Автор произведения Charles Dickens
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Mr. Feeder, der an einem andern kleinen Pult saß, studierte seinen Virgil und suchte vier jungen Gentlemen das Versmaß verständlich zu machen. Von den übrigen vieren zupften sich zwei krampfhaft an den Haaren ob der Lösung eines mathematischen Problems; einer mit einem Gesicht, von vielem Weinen einem schmutzigen Fenster ähnlich, gab sich Mühe, vor dem Mittagessen durch eine hoffnungslose Anzahl von Zeilen durchzuzappeln, und ein anderer saß in versteinerter und verzweifelter Betäubung, die sich vom Frühstück an seiner bemächtigt zu haben schien, über seiner Aufgabe.
Da« Erscheinen eines neuen Knaben erregte nicht das Aufsehen, wie man es hätte erwarten sollen. Mr. Feeder, B.A., der um der größeren Abkühlung willen seinen Kopf zu rasieren pflegte, so daß man statt der Haare nur kurze Stoppeln sah, reichte ihm seine knöcherne Hand mit der Bemerkung, es freue ihn, den neuen Ankömmling zu sehen – eine Begrüßung, die Paul herzlich gern erwidert haben würde, wenn es ihm nur ein bißchen von Herzen gegangen wäre. Von Cornelia dazu aufgefordert, reichte sodann Paul den vier jungen Gentlemen an Mr. Feeders Pult die Hand, eine Prozedur, die später auch an den fieberischen Mathematikern, an dem tintigen jungen Gentleman, der mit der Zeit um die Wette arbeitete, und zuletzt auch an dem betäubten Knaben, der sich ganz kalt und welk anfühlte, vorgenommen wurde.
Da Paul dem jungen Toots bereits vorgestellt war, so erging sich dieser junge Gentleman seiner Gewohnheit nach nur in einem schweratmigen Kichern und fuhr in seiner Beschäftigung fort. Letztere war nicht eben schwer zu nennen; denn da Toots bereits in mehr als einem Sinne so viel »durchgemacht« und auch, wie schon früher angedeutet wurde, in seinem Lenze zu blühen aufgehört hatte, so stand es ihm jetzt frei, seine Studien nach Belieben zu verfolgen. Letztere bestanden hauptsächlich darin, daß er lange Briefe von vornehmen Personen unter der Adresse ›P. Toots, Esquire, Brighton, Sussex‹ an sich selbst schrieb und sie mit großer Sorgfalt in seinem Pult aufbewahrte.
Nach Beendigung dieser Förmlichkeit führte Cornelia Paul nach dem Hausgiebel hinauf – eine etwas langsame Wanderung, weil der Knabe auf jeder Treppe mit beiden Füßen anlangen mußte, ehe er eine weitere ersteigen konnte. Endlich erreichten sie jedoch das Ziel der Reise und traten in ein Vorderstübchen, das gegen die wilde See hinausging. Cornelia zeigte ihm daselbst ein reinliches kleines Bett mit weißen Behängen dicht am Fenster. Oben stak bereits eine Karte, auf welche mit sehr dicken Schatten- und sehr feinen Haarstrichen der Name »Dombey« geschrieben war. Durch eine ähnliche Belehrung erfuhr man, daß die beiden andern kleinen Bettstellen desselben Zimmers beziehungsweise einem Briggs und Tozer gehörten.
Als sie wieder in der Halle unten anlangten, sah Paul den blödsichtigen jungen Menschen, welcher Mrs. Pipchin so tödlich beleidigt hatte, plötzlich einen sehr großen Trommelschlegel ergreifen und auf eine aufgehängte Metallplatte loshämmern, als sei er wahnsinnig geworden oder als wolle er Rache üben. Statt jedoch einen Verweis zu erhalten oder augenblicklich in Haft genommen zu werden, blieb besagter Übeltäter, trotz des schrecklichen Getöses, das er verursacht hatte, völlig unangefochten. Cornelia Blimber sagte jetzt zu Dombey, in einer Viertelstunde werde das Mittagessen aufgetragen, und er tue am besten, wenn er jetzt ins Schulzimmer gehe zu seinen »Freunden«.
Demgemäß ging Dombey ehrerbietig an der Uhr vorbei, die sich stets mit gleicher Besorgnis nach seinem Befinden erkundigte, öffnete die Schulzimmertür ein klein wenig und schlich sich wie ein verirrter Knabe ein, obschon ihm hintendrein das Zuschließen einige Mühe machte. Seine Freunde standen, mit Ausnahme des steinernen, der unbeweglich an seiner Stelle sitzenblieb, im Zimmer umher, und Mr. Feeder streckte sich in seinem grauen Schlafrock, als sei er ohne Rücksicht auf die Unkosten fest entschlossen, die Ärmel abzureißen.
»Heih ho hum!« rief Mr. Feeder, indem er sich wie ein Karrengaul schüttelte. »Jawohl, jawohl! Y-a-a-ah!«
Paul erschrak sehr über Mr. Feeders Gähnen, denn es war ein Gähnen in großartigem Maßstab, und der betreffenden Person schien es fürchterlich ernst damit zu sein. Auch die Knaben insgesamt – mit Ausnahme des einzigen Toots – schienen ganz schachmatt zu sein und bereiteten sich für das Mittagessen vor. Einige banden sich ihre sehr steifen Krawatten neu um, und andere wuschen ihre Hände oder bürsteten sich in einem anstoßenden Vorzimmer die Haare, sahen aber dabei aus, als ob sie sich nicht sonderlich auf die Mahlzeit freuten.
Der junge Toots, der bereits fertig war und deshalb nichts zu tun hatte, konnte allein etwas von seiner Zeit für Paul aufwenden und sagte deshalb mit schwerfälliger Gutmütigkeit:
»Setz dich, Dombey.«
»Danke, Sir«, entgegnete Paul.
Die Mühe, die er sich nun gab, auf einen hohen Fenstersitz hinaufzuklettern, an dem er wieder herunterglitt, schien Toots' Geist für die Rezeption einer Entdeckung vorzubereiten.
»Du bist ein sehr kleines Bürschlein«, sagte Mr. Toots.
»Ja, Sir, ich bin klein«, entgegnete Paul. »Danke, Sir.«
Denn Toots hatte ihm auf den Sitz geholfen und noch obendrein diesen Akt in recht liebevoller Weise erfüllt.
»Wer ist dein Schneider?« fragte Toots, nachdem er ihn eine Weile gemustert hatte.
»Bis jetzt hat stets ein Frauenzimmer meinen Anzug gemacht«, sagte Paul. »Die Schneiderin meiner Schwester.«
»Mein Schneider ist Burges und Co.«, versetzte Toots. »Fash'nabl. Aber sehr teuer.«
Paul hatte Verstand genug, seinen Kopf zu schütteln, als wollte er damit sagen, dies sei leicht begreiflich; und in der Tat, so dachte er auch.
»Dein Vater ist notorisch reich, nicht wahr?« fragte Mr. Toots.
»Ja, Sir«, antwortete Paul. »Er ist Dombey und Sohn.«
»Und wer?« fragte Toots.
»Und Sohn, Sir«, versetzte Paul.
Mr. Toots machte in gedämpfter Stimme einige Versuche, die Firma seinem Gedächtnis einzuprägen, da ihm übrigens dies nicht gelang, so bemerkte er gegen Paul, er möchte ihm den Namen morgen früh wieder sagen, da er einigen Wert darauf lege. Und in der Tat sann er auf nichts Geringeres, als augenblicklich ein vertrauliches Privatschreiben von Dombey und Sohn an sich selbst abzufassen.
Mittlerweile hatten sich die übrigen Zöglinge – den steinernen Knaben stets ausgenommen – um ihn versammelt. Sie waren sehr höflich, aber alle blassen Aussehens, sprachen nur in gedämpften Lauten und schienen geistig so niedergedrückt zu sein, daß im Vergleich mit dem allgemeinen Ton dieser Gesellschaft Master Bitherstone ein wahrer Eulenspiegel genannt werden konnte. Und doch wußte Bitherstone, wie hart man mit ihm umging.
»Nicht wahr, du schläfst in meinem Zimmer?« fragte ein feierlicher junger Gentleman, dessen Hemdkragen bis über die Ohrläppchen hinaufstieg.
»Master Briggs?« fragte Paul.
»Tozer«, sagte der junge Gentleman.
Paul antwortete mit Ja, und Tozer deutete auf den steinernen Zögling mit der Bemerkung, daß dieser Briggs sei. Paul hatte bereits die Überzeugung in sich getragen, daß derselbe entweder Briggs oder Tozer sein müsse, obschon er sich für die Stimme in seinem Innern keine Rechenschaft zu geben vermochte.
»Hast du eine starke Konstitution?« fragte Tozer.
Paul entgegnete, er glaube kaum. Tozer erwiderte hierauf, es komme ihm gleichfalls so vor, wenn er Paul ansah; es sei übrigens schade, denn man könne sie hier brauchen. Er fragte sodann Paul, ob Cornelia mit ihm den Anfang machen werde, und als dieser mit Ja antwortete, brachen alle jungen Gentlemen, Briggs ausgenommen, in dumpfes Stöhnen aus.
Es wurde jedoch erstickt durch das Klingen der Metallplatte, welche jetzt ganz wütend erdröhnte, und nun fand ein