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Es begann in Paris. Axel Adamitzki
Читать онлайн.Название Es begann in Paris
Год выпуска 0
isbn 9783753189468
Автор произведения Axel Adamitzki
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Aber der Künstler schien sie verstanden zu haben.
»Pierre? ... Pierre?«, überlegte er und schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Mademoiselle, ... da kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen. Aber schauen Sie sich doch einfach meine Bilder an. Sie werden sicherlich etwas finden.«
»Herzlichen Dank für die Auskunft. Aber es geht mir um diesen Künstler.«
Und wieder erschrak sie. Hatte sie das eben wirklich gesagt? ... Es geht mir um diesen Künstler? ... Ja!, das hatte sie. Und noch bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, ließ der unbekannte Maler all seinen Charme spielen und zeigte mit einer einladenden Handbewegung auf einen leeren Stuhl.
»Bitte, Mademoiselle, nehmen Sie Platz. Wenn sie keinen Eiffelturm möchten, denn werde ich ihr Porträt in einer Stunde in Öl verewigen. Ein so schönes Gesicht muss der Nachwelt erhalten bleiben.«
Christina lächelte.
»Nein, danke. Ich wollte mich nicht porträtieren lassen.« Und sie wendete sich ab.
»Moment, Mademoiselle. Jetzt fällt es mir ein. ›Pierre der Deutsche‹?«
»Ja?«
Christina antwortete knapp und drehte nur den Kopf ein wenig um. Sie wollte nichts kaufen, sie wollte auch kein Porträt in Öl. Auch nicht über einem charmanten Umweg.
»Ich hatte Sie eben nicht richtig verstanden. Tut mir leid. ›Pierre der Deutsche‹ sitzt da drüben.«
Der ältere Künstler zeigte auf einen freien Platz, etwa zwanzig Meter von ihm entfernt.
»Heute ist er leider noch nicht ... Seltsam ... Normalerweise ist er jeden Tag um diese Zeit schon lange hier.«
Augenblicklich schlug Christinas Herz hoch bis zum Hals. Es begann zu rasen. Doch halt! Bleib ruhig, sagte sie sich, bleib ganz ruhig. Denn noch immer konnte Pierre der Deutsche ein unsympathischer Mensch sein, der es lediglich verstand, gut mit Farben umzugehen.
Dennoch ... ihre Ungeduld war unübersehbar.
»Und Sie meinen, er wird noch kommen?«
»Ganz sicher. Außer ... ihm ist etwas passiert.«
Christinas Gesichtszüge versteinerten.
»Sie meinen ...?«
Er lachte. »Ach Unsinn. Es wird schon nichts passiert sein. Vielleicht hat er gestern einfach nur ein Gläschen zu viel getrunken. Aber halt, das kann nicht sein. Denn ich glaube, Ihr Pierre trinkt gar keinen Alkohol. Er wird sicher noch zutun haben und jeden Moment hier eintreffen.«
Ihr Pierre? Wie kam dieser Mensch nur dazu, ihn als ›ihren Pierre‹ zu bezeichnen?, fragte sie sich und spürte sogleich, wie ihre Wangen rot anliefen. Das war nun wirklich zu peinlich. Und augenblicklich hatte sie das Gefühl, die Blicke aller Vorbeigehenden hatten sich auf sie gerichtet. Und sie belächelt. Sie musste schnellstens hier verschwinden.
»Dann komme ich vielleicht später noch einmal vorbei.«
Und weg war sie.
»Wie sie möchten.«
Lächelnd, keineswegs anmaßend, blickte der ältere Künstler hinter Christina her.
Viele haben schon versucht ›Pierre den Deutschen‹ zu erobern, aber bislang hat noch jede Reißaus genommen, dachte er kurz. Doch rasch beschäftigte er sich wieder mit seiner Arbeit, einen Eiffelturm im Sommer, und hatte die Begegnung mit der jungen Touristin auch bald schon vergessen.
*
Ziellos lief Christina durch die Straßen von Paris. Ihre Gedanken waren bei dem älteren Künstler und bei ›Pierre dem Deutschen‹ und bei ihrem peinlichen Auftritt ... eben auf dem Künstlermarkt.
Manchmal bist du trotz deiner zweiundzwanzig ein unreifer Teenager, rügte sie sich und versuchte, ihre Haltung zurückzugewinnen. Es gelang ihr nicht. Immer wieder musste sie zur Uhr sehen. Und immer wieder stellte sie sich die Frage: Ob er wohl schon da ist?
Und wieder wuchs ihre Ungeduld. Sie wollte es hinter sich bringen. Sie wollte wissen, was für ein Mensch ›Pierre der Deutsche‹ war. Zumindest auf den ersten Blick. Mehr nicht!
Und doch ... jetzt musste sie sogar über sich selbst lachen. Seit gestern schwirrten ihre Gedanken um einen Menschen, den sie nicht kannte, von dem sie lediglich ein kleines, wunderschönes Bild hatte, das ihr ... und das musste sie zugeben, ... das ihr das Herz geöffnet hatte. Sie hielt es nicht mehr aus, sie wollte ihren Seelenfrieden zurück. Auch wenn der Traum zerplatzen würde.
Christina hob den Kopf, orientierte sich so gut es ging und lief, ohne Umwege, zurück zu dem Künstlermarkt an der Seine.
Sie hatte ihren Weg so gewählt, dass sie schon von Weitem sehen konnte, ob Pierre in der Zwischenzeit seinen Platz eingenommen hatte.
Und tatsächlich, da saß er.
Und, wie sieht er aus?, fragte sie sich sofort. Sie konnte es nicht sehen. Er hatte sich mit dem Rücken zu den Touristen gesetzt und malte. Offensichtlich ein Motiv von der anderen Seite der Seine.
Mit unsicheren Schritten ging sie auf ihn zu. Von dem Gewühl, von dem Gedrängel, von all dem Trubel um sich herum, nahm sie nichts wahr.
Kurz bevor sie Pierre erreicht hatte, drehte er sich um. Er suchte etwas. Eine neue Farbe oder einen anderen Pinsel. Und dabei trafen sich ihre Blicke. Das erste Mal. Christinas Knie wurden weich, sie hatte das Gefühl, sich setzen zu müssen. Doch sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden.
Er war es! Der Künstler aus ihrem Traum. Jung und gutaussehend. Er war es!
Aber konnte so etwas überhaupt sein? Gab es das, dass man einen Menschen im Traum kennenlernt? Und dass man ihn später im wirklichen Leben trifft? Gab es das?
Offensichtlich.
Und auch er blickte sie fortwährend an.
»Kann ich etwas für Sie tun, Mademoiselle?«
Christina blieb stumm. Ihre Erwartungen, Wünsche und Hoffnungen, betörend, weltvergessend und ungeahnt, wurden wahr, nein!, .... sie wurden übertroffen.
Ein Mann von etwa dreißig Jahren stand vor ihr. Mit ebenmäßigem Gesicht, mit dunklen, fast schwarzen Augen, die sie warm ansahen, mit dunkelblondem Haar, das lang war, und vom Wind getragen, durcheinanderflog, mit einem schlanken, durchtrainierten Körper, der jeder Gefahr trotzen würde. Ungezähmt!, ging es ihr augenblicklich durch den Kopf.
Ungezähmt!
Auf seine Kleidung schien er wenig Wert zu legen: Ein großkariertes Baumwollhemd und eine abgewetzte Jeans waren neben Sandalen, das Einzige, was er trug. Keine Strümpfe, keine Jacke, nicht einmal ein T-Shirt unter dem Baumwollhemd.
Ungezähmt passte ausgezeichnet.
4
Nachdem Christina langsam wieder festen Boden unter ihren Füßen spürte, versuchte sie sich abzulenken und sah sich seine ausgestellten Bilder an. Sie wurde nicht enttäuscht. Wärme, Nähe, Geborgenheit, waren die Gefühle, die in ihr ausgelöst wurden.
Durch die Bilder?
Sie wusste es nicht. Es war ihr auch egal.
»Kann ich irgendetwas für Sie tun?«, wiederholte Pierre seine Frage. Und noch immer mit diesem Lächeln in den Augen.
»Ich habe bei Monsieur Boulin ein wunderschönes Bild von Ihnen -«
»Ah! Sie sind Kundin von Monsieur Boulin?«, unterbrach er sie. »Diesem Halsabschneider?!«
Und augenblicklich veränderte sich die Stimmung. Die Freundlichkeit wich einer unverhohlenen Unnahbarkeit, geradewegs einer feindseligen Ablehnung.
»Kundin