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Die Herren von Hermiston. Robert Louis Stevenson
Читать онлайн.Название Die Herren von Hermiston
Год выпуска 0
isbn 9783754183571
Автор произведения Robert Louis Stevenson
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Als die Zeit verstrich, fühlte sich der alte, zähe Sünder immer mehr zu dem Sohne seiner Lenden und dem einzigen Stammhalter des neubegründeten Geschlechts hingezogen, und das mit einer Weichheit des Gefühls, die er selbst kaum zu glauben vermochte und die auszudrücken er sich völlig außerstande sah. Mit einem Gesicht, einer Stimme und einem Wesen, in vierzig Jahren geschult, Schrecken und Widerwillen einzuflößen, wird Rhadamanth vielleicht groß, niemals jedoch liebenswürdig erscheinen. Daß er Archie zu gewinnen versuchte, ist eine Tatsache, jedoch nicht gering genug zu bewerten, so unauffällig war der Versuch, so stoisch wurde sein Scheitern ertragen. Eiserne Naturen wie die Hermistons dürfen kein Mitgefühl beanspruchen. War es ihm mißlungen, seines Sohnes Freundschaft, ja auch nur dessen Duldung zu erringen – nun, so mußte er seinen Weg aufwärts über die mächtige, öde Treppenflucht seiner Pflicht allein, ungestützt, aber auch unverzagt fortsetzen. Vielleicht hätte er seinen Beziehungen zu Archie ein wenig mehr Freude abgewinnen können, das sah er zu Momenten ein; aber Freude war in der seltsamen Chemie des Lebens lediglich ein Nebenprodukt, auf das nur Narren rechneten.
Schwieriger ist es, Archies Standpunkt verständlich zu machen, da wir inzwischen alle erwachsen sind und die Tage unserer Jugend vergessen haben. Er machte auch nicht den leisesten Versuch, diesen Mann zu verstehen, mit dem er beim Frühstück und beim Abendessen beisammensaß. Scheu vor Schmerz, Gier nach Genuß – das sind die beiden einander ablösenden Pole der Jugend; und Archie neigte mehr zu dem ersteren. Der Wind blies kalt aus der einen Richtung – er kehrte ihr den Rücken, blieb so wenig wie irgend möglich in seines Vaters Gesellschaft und wandte, wenn dort, den Blick, soweit der Anstand das erlaubte, von seines Vaters Gesicht. Viele Hunderte von Tagen spielte das Lampenlicht bei der Tafel über diesen beiden Gesichtern – Mylords, gerötet, finster, geringschätzig; Archies, voll potentiellen Lebens, das jedoch in dieser Gesellschaft stets gedämpft und wie unter einem Schleier erglänzte; vielleicht gab es in der ganzen Christenheit keine zwei Wesen, die einander so radikal fremd waren. Der Vater sprach entweder mit großartiger Einfachheit nur von dem, was ihn selbst interessierte, oder bewahrte ein ungekünsteltes Schweigen. Der Sohn zerbrach sich währenddessen den Kopf nach irgendeinem ganz sicheren Thema, das ihm erneute Beweise von Mylords eingeborener Grobschlächtigkeit oder restloser Inhumanität ersparen möchte. Dabei betrat er die Wege der Unterhaltung zimperlich gleich einer Dame, die auf einer Nebengasse ihre Röcke hochrafft. Machte er einen Mißgriff und floß Mylord über von verletzenden Reden, so straffte sich Archies Gestalt, seine Stirn verfinsterte sich, sein Anteil an dem Gespräch erstarb; Mylord dagegen fuhr getreulich und unbekümmert fort, vor seinem schweigenden und beleidigten Sohne sein schlimmstes Selbst zu entbreiten.
»Nun, der ist ein armer Teufel, der nicht auch einen guten Tag zu genießen versteht«, pflegte er am Schluß solch einer nachtmahrähnlichen Unterhaltung zu bemerken. »Aber ich muß jetzt wieder an meinen Pflug!« Und er zog sich, wie gewöhnlich, in sein Hinterzimmer zurück, während Archie zitternd vor Feindseligkeit und Verachtung in die Dunkelheit und auf die Straße hinausstürzte.
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