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war Palmyrin Rosette auf's Neue in eine Art Schlummer versunken, den man für passend hielt, zu respectiren.

      »Beruhigen Sie sich, mein Kapitän, sagte Ben-Zouf. Er wird leben, ich stehe Ihnen dafür. Diese Leutchen bestehen ja fast nur aus Nerven. Ich habe noch weit ausgetrocknetere gesehen, welche noch viel weiter herkamen.

      – Und woher denn, Ben-Zouf?

      – Aus Egypten z.B., mein Kapitän, in einem hübschen eisenbeschlagenen Kasten.

      – Das waren wohl Mumien, Dummkopf!

      – Wie Sie sagen, Herr Kapitän!«

      Da der Professor tief zu schlummern schien, schaffte man ihn nun in ein warmes Bett und mußte die Lösung der brennenden Fragen bezüglich seines Kometen wohl oder übel bis nach dem Erwachen des Gelehrten vertagen.

      Kapitän Servadac, Graf Timascheff und Lieutenant Prokop – die Repräsentanten der Akademie der Wissenschaften unserer kleinen Kolonie – konnten sich, statt geduldig bis zum anderen Morgen zu warten, nicht enthalten, die allerunwahrscheinlichsten Hypothesen aufzustellen. Welcher Komet war es im Grunde, dem Palmyrin Rosette den Namen »Gallia« gegeben hatte? Bezog sich dieser Name nur auf das von der Erdkugel abgesprengte Stück? Galten jene in den einzelnen Notizen gefundenen Berechnungen der Entfernungen und Geschwindigkeiten nur für den Kometen Gallia oder für das neue Sphäroïd, das jetzt Hector Servadac und seine fünfunddreißig Gefährten durch die Sonnenwelt trug? Sollten sich diese Ueberlebenden von der alten Et de als Bewohner jener Gallia ansehen oder nicht?

      So lauteten etwa die Hauptfragen. Wer konnte aber dafür stehen, ob Alles, was sie mühsam ausgeklügelt, nicht jämmerlich zusammenfiel, wenn sich ihre Voraussetzung, sich auf einem von der Erdkugel abgerissenen Bruchstück zu befinden, unerwarteter Weise nicht bestätigen sollte?

      »Nun, zerbrechen wir uns den Kopf nicht weiter, rief endlich Hector Servadac, Professor Rosette ist hier, um uns das Richtige zu sagen, und er wird es daran nicht fehlen lassen.«

      Da Kapitän Servadac einmal auf Professor Rosette zu sprechen kam, so theilte er seinen Genossen Einiges über seinen früheren Lehrer mit, z.B. daß er ein Mann sei, mit dem sich nur schwer in gutem Einvernehmen leben lasse und der zu seinen Nächsten gewöhnlich in ziemlich gespanntem Verhältnisse stehe. Er schilderte ihnen denselben als ein unverbesserliches Original von größter Starrsinnigkeit und heftigem Temperamente, im Grunde aber als einen sehr braven Mann. Seiner Ansicht nach würde es am besten sein, seinen Unwillen immer ruhig austoben zu lassen, wie man etwa ein Unwetter unter Dach und Fach vorüberziehen lasse.

      Nach Vollendung dieser kleinen biographischen Skizze durch Kapitän Servadac nahm Graf Timascheff das Wort und sagte:

      »Halten Sie sich versichert, Kapitän, daß wir Alles thun werden, um mit Professor Rosette auf gutem Fuße zu bleiben. Durch die Mittheilungen seiner Beobachtungen wird er uns natürlich einen geographischen Dienst erweisen, doch halte ich das nur unter einer Bedingung für möglich.

      – Und diese Bedingung wäre? fragte Kapitän Servadac.

      – Nun die, daß er selbst wirklich der Verfasser jener von uns aufgefangenen Documente ist.

      – Und daran könnten Sie zweifeln?

      – Nein, Kapitän. Alle Wahrscheinlichkeiten sprechen ja gegen mich und ich erwähnte das nur, um keine ungünstige Hypothese unberücksichtigt zu lassen.

      – Ei, wer sollte denn jene verschiedenen Notizen verfaßt haben, wenn nicht mein alter Lehrer? bemerkte Kapitän Servadac.

      – Vielleicht doch ein anderer auf irgend einem anderen Punkte der Erde zurückgebliebener Astronom.

      – Das kann nicht wohl der Fall sein, fiel Lieutenant Prokop da ein, da nur jene Documente uns mit dem Namen ›Gallia‹ bekannt machten und Professor Rosette dasselbe Wort gleich zuerst aussprach.«

      Auf diesen sehr richtigen Einwurf gab es wirklich keine Antwort, und es wurde unzweifelhaft, daß nur der Einsiedler von Formentera der Urheber jener Nachrichten sein könne. Was er auf jener Insel zu schaffen hatte, durfte man ja aus seinem eigenen Munde zu erfahren hoffen.

      Zum Ueberfluß waren nicht nur seine Thür, sondern auch seine Bücher mitgenommen, und man hielt es für keine Indiscretion, dieselben einstweilen zu consultiren.

      Es geschah.

      Die Schriftzüge und Ziffern rührten offenbar von derselben Hand her, welche auch die Documente verfaßt hatte. Die Thür erwies sich vollständig bedeckt mit algebraischen Zeichen, die mittels Kreide geschrieben waren und welche man höchst sorgfältig zu bewahren suchte. Die Papiere bestanden in der Hauptsache aus losen Blättern mit mathematischen Figuren darauf. Hier kreuzten sich Hyperbeln, jene offenen Curven, darin beide Schenkel unendlich lang sind und sich immer weiter von einander entfernen; Parabeln, d.s. Curven, welche sich durch ihre zurückkehrende Form auszeichnen, deren Schenkel jedoch ebenfalls unendlich lang sind; endlich Ellipsen, d.s. immer in sich geschlossene Curven, wenn sie auch eine noch so verlängerte Form besitzen.

      Lieutenant Prokop bemerkte hierbei erläuternd, daß sich diese verschiedenen Bogen alle auf Kometenbahnen bezögen, welche parabolische, hyperbolische oder elliptische sein könnten, wodurch gleichzeitig gesagt ist, daß die in den beiden ersteren Fällen von der Erde aus beobachteten Kometen niemals nach unserem Horizonte zurückkehren können, während sie im dritten Falle periodisch und in mehr oder weniger größeren Zwischenräumen wieder erscheinen.

      Es lag also schon nach Einsichtnahme der Papiere und jener Thür auf der Hand, daß sich der Professor mit der Berechnung der Elemente eines Kometen beschäftigt habe; aus den verschiedenen, von ihm studirten Curven konnte man allerdings noch keine weiteren Schlüsse ziehen, da die Astronomen bei den Kometen von Anfang an stets eine parabolische Bahn voraussetzen.

      Aus Allem ging hervor, daß Palmyrin Rosette während seines Aufenthaltes auf Formentera ganz oder doch zum Theile die Elemente eines neuen Kometen berechnet habe, der im Kataloge noch nicht existirte.

      Datirte diese Rechnung aber aus der Zeit vor oder nach der Katastrophe des 1. Januar? – Das konnte nur er allein wissen.

      »Warten wir es ab, sagte Graf Timascheff.

      – Ich warte, aber ich brenne vor Verlangen, antwortete Kapitän Servadac, der seine Ungeduld kaum zu bemeistern vermochte. Ich gäbe einen Monat meines Lebens für jede Stunde, welche Professor Rosette weniger schliefe.

      – Da könnten Sie doch leicht ein schlechtes Geschäft machen, Kapitän, sagte da Lieutenant Prokop.

      – Wie, um das unserem Asteroïden noch bevorstehende Schicksal kennen zu lernen ...

      – Ich möchte Ihnen keine Illusionen rauben, Kapitän, erwiderte Lieutenant Prokop, doch selbst wenn der Professor über den Kometen Gallia noch so viel weiß, so ist damit noch nicht gesagt, daß er uns auch nur das Geringste über das Bruchstück, welches uns entführt, mittheilen können müsse. Steht überhaupt die Erscheinung des Kometen über dem Horizonte der Erde in irgend welchen Wechselbeziehungen zu der Fortschleuderung eines Fragmentes der Erdkugel in den Weltraum?

      – Zum Teufel, natürlich! rief Kapitän Servadac. Der Zusammenhang ist ganz einleuchtend. Es liegt klar zu Tage, daß ...

      – Daß ...? fragte Graf Timascheff, als hätte er schon die Antwort erwartet, welche der Andere eben geben wollte.

      – Daß die Erde von einem Kometen einen Stoß erhalten und daß dieser die Ursache wurde, dem die Fortschleuderung des Stückes, welches uns trägt, zuzuschreiben ist!«

      Auf diese, von Kapitän Servadac mit solcher Ueberzeugung ausgesprochene Hypothese, sahen sich Graf Timascheff und Lieutenant Prokop einige Augenblicke schweigend an. Trotz der Unwahrscheinlichkeit des Zusammentreffens der Erde mit einem Kometen, konnte man ein solches Ereigniß doch nicht geradezu unmöglich nennen. Ein Stoß dieser Art – ja, das lieferte die Erklärung zu den bis jetzt unerklärlichen Erscheinungen, das war die veranlassende Ursache jener so ganz außergewöhnlichen Folgen.

      »Sie könnten wohl recht haben,

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