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Herablassung des Herrn, der sich ganz zu Hause fühlt.

      – Herr Professor, ließ sich der Graf vernehmen, es lag im Grunde keineswegs in meiner Absicht, daß ich auf Ihren Kometen gekommen bin, doch schulde ich Ihnen deshalb nicht geringeren Dank für Ihre gastfreundliche Aufnahme.«

      Hector Servadac fühlte die Ironie dieser Worte und sagte lächelnd:

      »Der Lieutenant Prokop, Befehlshaber der Goëlette Dobryna, auf welcher wir eine Rundfahrt um die Gallia ausgeführt haben.

      – Eine Umschiffung? ... rief der Professor lebhaft.

      – Gewiß, eine volle Weltumseglung!« bestätigte Kapitän Servadac.

      Dann fuhr er weiter fort:

      »Ben-Zouf, meine Ordon ...

      – Adjutant des General-Gouverneurs der Gallia!« fiel Ben-Zouf schnell ein, der diese beiden Aemter weder sich, noch seinem Kapitän streitig machen lassen wollte.

      Einer nach dem Anderen wurden sodann die russischen Matrosen, die Spanier, der junge Pablo und die kleine Nina vorgestellt, welch' Letztere der Professor durch seine Riesenbrille anstarrte wie ein Knecht Ruprecht, der die Kinder nicht leiden mag.

      Isaak Hakhabut trat selbst vor und sagte:

      »Herr Astronom, eine Frage, nur eine einzige, aber sie ist mir von der größten Wichtigkeit ... Wann können wir hoffen, zurückzukehren? ...

      – Ah, antwortete der Professor, wer spricht da schon von Rückkehr, da wir kaum erst abgefahren sind?«

      Nach geschehener Vorstellung ersuchte Hector Servadac Palmyrin Rosette, seine Geschichte zu erzählen.

      Dieselbe lautete in kurzen Worten:

      Um die Bogenmessung des Meridians von Paris prüfen und bestätigen zu lassen, ernannte die französische Regierung eine wissenschaftliche Commission, zu welcher Palmyrin Rosette, seiner bekannten Unverträglichkeit wegen, nicht mit hinzugezogen wurde.

      Wegen seiner Ausschließung erbittert, beschloß der Professor auf eigene Hand an die Arbeit zu gehen. In der Voraussetzung, daß die ersten geodätischen Aufnahmen Ungenauigkeiten enthielten, nahm er sich vor, den äußersten Theil des Netzes, der die Insel Formentera mit der spanischen Küste durch ein Dreieck von 24 Meilen längster Seite verband, nachzumessen. Derselben Arbeit hatten sich vor ihm Arago und Biot mit größter Sorgsamkeit unterzogen.

      Palmyrin Rosette verließ also Paris. Er begab sich nach den Balearen, errichtete sein Observatorium auf dem höchsten Gipfel jener Insel und traf Anstalt, mit seinem Diener Joseph daselbst als Eremit zu wohnen, während einer seiner bewährten Gehilfen, den er zu diesem Zwecke mitnahm, auf einem erhöhten Küstenpunkte Spaniens eine Reverbère so anbrachte, daß deren reflectirtes Licht auf Formentera mittels Fernrohrs zu beobachten war. Einige Bücher, die nöthigen Instrumente und Lebensmittel auf zwei Monate bildeten das ganze Material, eines großen Himmelsfernrohres nicht zu vergessen, von dem sich Palmyrin Rosette niemals trennte, und das schon mehr einen Theil seines eigenen Ichs auszumachen schien. Es kam das von der Vorliebe des früheren Lehrers der Charlemagne her, die Tiefen des Himmels in der Hoffnung zu durchstöbern, daß ihm noch einmal eine Entdeckung gelingen werde, welche seinem Namen die Unsterblichkeit sicherte. Das war so seine fixe Idee.

      Palmyrin Rosette's Arbeit erforderte vor Allem eine unermüdliche Geduld. Nacht für Nacht mußte er das von seinem Gehilfen auf der spanischen Küste unterhaltene Feuer im Auge behalten, um sein Dreieck richtig zu bestimmen, auch hatte er keineswegs vergessen, daß Arago und Biot einundsechzig Tage gebraucht hatten, dieses Resultat zu erreichen. Unglücklicher Weise lagerte damals, wie früher erwähnt, ein außerordentlich dichter Nebel nicht allein über der Küste Spaniens, sondern überhaupt fast über der ganzen Erdkugel.

      Gerade in der Umgebung der Balearen entstanden zu wiederholten Malen Lichtungen von kurzem Bestande in diesem Nebelmeer. Es galt also, mit größter Gewissenhaftigkeit auf dem Beobachtungspunkte auszuharren, woneben Palmyrin Rosette allerdings sich nicht immer enthalten konnte, einige forschende Blicke nach dem Firmamente zu richten, denn er beschäftigte sich gleichzeitig mit der Revision derjenigen Abtheilung der Himmelskarten, welche das Sternbild der Zwillinge enthielt.

      Mit unbewaffnetem Auge betrachtet, zeigt dieses Sternbild höchstens sechs Sterne; ein Teleskop von siebenundzwanzig Centimeter Ocular-Durchmesser steigert die Zahl aber auf mehr als sechstausend. Palmyrin Rosette besaß leider einen Reflector von dieser Größe nicht und half sich also, so gut es eben anging, mit seinem astronomischen Fernrohre.

      Als er nun eines Tages beschäftigt war, die Tiefen des Himmels in der Constellation der Zwillinge zu controliren, glaubte er einen neuen, glänzenden Punkt zu erkennen, den keine Himmelskarte aufwies. Ohne Zweifel war das ein in die Kataloge noch nicht aufgenommener Stern.

      Durch wiederholte Beobachtung im Laufe mehrerer Nächte überzeugte sich der Professor, daß jenes Gestirn seinen Ort bezüglich der anderen Fixsterne ungewöhnlich schnell veränderte. Hatte er hier einen neuen kleinen Planeten vor sich, den der Gott der Astronomen ihm zusandte? Sollte ihm endlich die längst geahnte wissenschaftlich wichtige Entdeckung gelingen?

      Palmyrin Rosette verdoppelte seine Aufmerksamkeit; bald lehrte ihn die zunehmende Geschwindigkeit des Gestirns, daß er hier einen Kometen vor sich habe. Binnen Kurzem ward dessen Nebelhülle sichtbar, und es entwickelte sich der Schweif, als den Kometen nur noch achtzehn Millionen Meilen von der Sonne trennten.

      Von diesem Augenblick verblaßte unseres Gelehrten Interesse an seiner Triangulation vollständig. Ohne Zweifel unterhielt der Gehilfe Palmyrin Rosette's an der Festlandsküste mit unverminderter Gewissenhaftigkeit seine Signalfeuer, aber ebenso sicher wandte Palmyrin Rosette kein Auge mehr nach jener Richtung hin. Objective und Oculare besaß er nur noch für den neuen Haarstern, den er studiren und benennen wollte. Er vegetirte nur noch in jenem Eckchen des Himmels, in dem die Zwillinge leuchten.

      Beabsichtigt man die Elemente eines Kometen zu berechnen, so beginnt man stets damit, eine parabolische Bahn desselben vorauszusetzen. Dieser Weg bietet die günstigsten Erfolge. Die Kometen erscheinen nämlich im Allgemeinen erst in der Nähe ihres Perihels, d.h. nahe ihrer kürzesten Entfernung von der Sonne, welche in dem einen Brennpunkte ihrer Bahn steht. In diesem Theile einer solchen Curve ist nun der Unterschied zwischen Ellipse und Parabel, wenn diese einen gemeinschaftlichen Brennpunkt haben, fast gleich Null, denn die Parabel ist nichts als eine Ellipse mit unendlich langer großer Achse.

      Palmyrin Rosette basirte seine Berechnungen also auf die Hypothese einer parabolischen Curve und ging hiermit nicht fehl.

      Um einen Kreis mathematisch zu bestimmen, bedarf es der Angabe dreier Punkte seiner Peripherie; ganz ebenso muß man, zur Bestimmung der Elemente eines Kometen, denselben in drei verschiedenen Positionen beobachten. Erst dann vermag man die Linie festzustellen, der er im Weltraume folgen wird, was man mit dem Ausdrucke, »seine Ephemeriden« bestimmen, bezeichnet.

      Palmyrin Rosette begnügte sich nicht mit drei Positionen. Unter Benutzung jeder Gelegenheit, wenn der Nebel in seinem Zenith einmal zerriß, beobachtete er die gerade Aufsteigung und die Declination (Abweichung) seines Objectes wohl zehn-, zwanzig- und dreißigmal und erhielt mit größter Genauigkeit die fünf Elemente des neuen Kometen, der sich mit besorgnißerregender Schnelligkeit fortbewegte.

      Als Beobachtungsresultate erhielt er nämlich:

      1 Die Neigung der betreffenden Kometenbahn gegen die Ekliptik, d.h. gegen die Ebene, in welcher die Kreisbahn der Erde um die Sonne liegt. Gewöhnlich ist der Winkel zwischen diesen beiden Ebenen ein ziemlich großer, wodurch sich, wie bekannt, die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenstoßes mit der Erde wesentlich vermindert. Im vorliegenden Falle fielen diese Ebenen freilich zusammen.

      2 Die Bestimmung des aufsteigenden Knotens des Kometen, d.h. seine Länge in der Ekliptik, oder mit anderen Worten, der Punkt, an dem der Haarstern die Erdbahn schneiden mußte. Aus diesen beiden Elementen ließ sich die Lage der Bahn des Kometen im Weltraume ableiten.

      3 Die Richtung der großen Achse der Bahn. Sie wurde erhalten durch Berechnung der Länge des Perihels des Kometen, und gelangte Palmyrin Rosette

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