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Ich versteh´ nicht ganz …?“

      „Über Aktien und so weiter ... Er hat mit Baumwollspekulationen Hunderttausende verdient. Woher hat er nur gewußt, daß der Kapselkäfer im Süden die ganze Ernte ruinieren wird? Woher hat er das gewußt? Und wie ich ihn vorhin gebeten habe, einem Freund für den Weizenmarkt einen Tip zu geben, bin ich behandelt worden wie ein Hund!“

      Chap hatte offenen Mundes zugehört.

      „Sind Sie mit Mr. Colson befreundet?“

      „Ich bin sein Vetter“, war die Antwort. „Ich heiße Harry Dawes. Und ich bin sein einziger Verwandter.“

      Er trat plötzlich einen Schritt auf sie zu, und seine Stimme senkte sich zu einem vertraulichen Flüstern.

      „Die jungen Herren wissen ja sicher über ihn Bescheid. Er ist doch nicht bei Trost, oder? Wenn ich zum Beispiel ein paar Ärzte mitbrächte, würden sie vielleicht ein paar Fragen über ihn an Sie richten wollen ...“

      Tim, Sohn eines Anwalts und selbst Jurastudent, begriff, wohin der Wind wehte, und wäre gewappnet gewesen, selbst wenn er das gierige Glitzern in den Augen des anderen nicht wahrgenommen hätte.

      „Dann würden Sie ihn in eine Heilanstalt stecken und sein Vermögen verwalten?“, sagte er, kühl lächelnd. „Bei uns dürfen Sie nicht auf Hilfe rechnen.“

      „So hab' ich's nicht gemeint“, sagte er verlegen. „Hören Sie zu, junger Mann . . .“ Er schwieg einen Augenblick. Sie würden mir einen Gefallen tun, wenn Sie Colson gegenüber nicht erwähnen, daß Sie mir begegnet sind … Ich geh' jetzt zur Schleuse hinunter. Sie finden den Weg nach oben schon, er geht an diesen Pappeln entlang. Bis später!“

      Er drehte sich abrupt um, stapfte durchs Gebüsch und war plötzlich wie vom Erdboden verschluckt.

      „Das ist mir aber einer!“, sagte Chap bewundernd. „Ein ganz raffinierter Plan. Dabei kennt er uns nicht einmal!“

      „Woher wußte Mr. Colson, daß ich dabei bin?“, fragte Susan verwundert. Tim wußte nichts zu antworten. Unter einigen Schwierigkeiten fanden sie den überwachsenen Pfad, der sich zwischen den Bäumen nach oben schlängelte, und nach einer Viertelstunde zügigen Bergaufgehens erreichten sie die Anhöhe, von der aus das Haus zu sehen war. Tim hatte erwartet, das Gebäude werde der verwilderten Umgebung entsprechen. Aber der erste Blick auf ›Helmwood‹ benahm ihm den Atem.

      Ein großes, schönes Haus erhob sich hinter einer wohlgepflegten Rasenfläche. Blumenbeete in den satten Farben des Spätsommers umgrenzten den Rasen und das Haus. Am hinteren Ende angebaut, erhob sich ein steinerner Turm, breit und geduckt, auf dem ein Gerüst errichtet war - kreuz und quer, offenbar, ohne Sinn und Zweck, mit einem Gewirr von Drähten durchzogen, das im Sonnenlicht glitzerte.

      „Das ist eine neue Art von Antenne, was?,“ meinte Chap. „Mensch, Tim! Schau dir das Teleskop an!“

      Neben der Turmspitze befand sich das Kuppeldach eines großen Observatoriums. Das Dach war geschlossen, so daß Chaps ›Teleskop‹ vorwiegend auf Einbildung beruhte.

      „Heiliger Strohsack!“, sagte Chap ehrfürchtig. „Das ist ja geradezu gewaltig!“

      Tim war beeindruckt und verblüfft. Er hatte schon geahnt, daß es dem alten Professor finanziell gut ging, wäre aber nie auf die Idee gekommen, daß er reich genug sei, sich ein solches Haus und ein Observatorium leisten zu können, dessen Ausstattung Tausende gekostet haben mußte.

      „Schaut hin, es dreht sich!“, flüsterte Susan. Der große kubische Aufbau auf dem Turm rotierte langsam, und Tim entdeckte plötzlich zwei weit herausragende Kegel aus irgendeinem kristallartigen Material, das in der Sonne grell glitzerte.

      „Das ist auf jeden Fall mal was Neues“, meinte er. Während sie so dastanden, öffnete sich eine hohe Glastür, und eine gebückte Gestalt trat auf den Rasen hinaus. Tim hastete dem Wissenschaftler entgegen. Kurze Zeit später stellte Chap seine Schwester vor.

      „Hoffentlich stören wir Sie nicht“, meinte Chap. „Leonard hatte mir erzählt, daß er Sie besuchen will.“

      „Gut, daß Sie gekommen sind“, sagte Professor Colson höflich. „Es ist mir ein Vergnügen, Ihre Schwester kennenzulernen.“

      Susan betrachtete ihn von Kopf bis Fuß und war angenehm überrascht. Sie sah einen mageren, glattrasierten, alten Mann mit einer gewaltigen, weißen Mähne, die bis auf den Kragen reichte, buschige Brauen, tiefblaue, erfahrene Augen. Sein Gesicht mit den feinen Zügen verriet Sinn für Humor. Er entsprach ganz und gar nicht der gängigen Vorstellung von einem zerstreuten Professor.

      Er trug ein blendend weißes Hemd und einen eleganten schwarzen Anzug.

      „Wahrscheinlich sind Sie einem - äh - Verwandten von mir begegnet“, sagte er sanft. „Ein gewöhnlicher Mensch - ein ausgesprochen gewöhnlicher Mensch. Das Grobe im Leben stört mich gewaltig. Wollen Sie nicht eintreten, Miss West?“

      Sie gingen durch eine große Eingangshalle, einen langen breiten Korridor entlang, der auf einer Seite durch schmale Fenster erhellt wurde. Susan konnte dahinter in einen hübsch gepflasterten Innenhof, eingefaßt von farbenfrohen Blumenbeeten, sehen. Auf der anderen Seite des Ganges waren in regelmäßigen Abständen Türen in die Wand eingelassen; auf der zweiten bemerkte Tim im Vorbeigehen eine Beschriftung. Sie war mit kleinen Goldbuchstaben säuberlich aufgetragen und lautete:

      ›Planetoid 127‹

      Dem Professor fiel die Verblüffung des jungen Mannes auf. Er lächelte. „Eine kleine Eitelkeit.“

      „Ist das die Nummer eines Asteroids?“, fragte Tim.

      „Nein - im Jahrbuch werden Sie vergeblich nach Nummer 127 suchen“, meinte der Professor, als er die Tür zu einer großen, luftigen Bibliothek öffnete und sie eintreten ließ. „Ein Asteroid, mein junges Fräulein, ist einer der winzigen Planeten, die zwischen Mars und Jupiter in großer Zahl um die Sonne schweben. Ohne Fernrohr kann man eigentlich nur Vesta sehen, und das auch höchst selten. Mein Planetoid wurde an einem zwölften Juli entdeckt - 12/7. Und er war kein Asteroid!“

      Er kicherte und rieb sich die langen, weißlichen Hände. Die Bibliothek mit den Regalen aus Nußbaumholz, dickgepolsterten Sesseln und dem schwachen Duft nach ›Russisch Leder‹ war ein angenehmer Aufenthaltsort, dachte Susan. Große Porzellanvasen mit langstieligen Rosen standen, wo immer man Platz für sie gefunden hatte. Durch die offenen Fenster wehte eine sanfte Brise, den Duft blühender Blumen mit sich tragend.

      „Der Tee wird gleich fertig sein“, sagte Professor Colson.

      „Ich habe ihn bestellt, als ich Sie kommen sah. - Ja, ich interessiere mich auch für Asteroiden.“

      Sein Blick glitt automatisch zum Sims über dem gemauerten offenen Kamin, und Tim sah, daß in der Eichenholztäfelung eine quadratische, schwarze Höhlung gähnte. Er zerbrach sich vergeblich den Kopf über die Bedeutung dieser Öffnung.

      „Sie sind für mich weit wirklicher und fühlbarer als die großen Planetenkörper. Jupiter - eine dampfende Masse; Saturn - eine erstarrte Masse, das Geheimnis seiner Ringe dem Spektroskop eröffnend; Vulkan - überhaupt kein Planet, sondern ein Mythos, ein Traum phantasievoller, romantischer Astronomen ... Es gibt keine innerhalb der Merkurbahn gelegenen Planeten. Ich meine damit“ - er schien es für nötig zu halten, Susan eine nähere Erklärung zu geben, wofür Chap dankbar war -, „daß zwischen Merkur, dem der Sonne am nächsten stehenden Planeten, und der Sonne selbst kein Planetenkörper existiert, obgleich manche verwirrten Köpfe anderer Meinung sind und dieses Phantasieprodukt Vulkan getauft haben -“

      Ein bejahrter Diener war unter der Tür erschienen, und der Professor hastete auf ihn zu. Die beiden unterhielten sich miteinander - über ein Problem des Haushalts, wie es Susan erschien, und sie hatte recht -, dann entschuldigte er sich kurz und verließ den Raum.

      „Ein merkwürdiger Mensch“, begann Chap, aber im nächsten Augenblick sah er sich der Sprache beraubt. Aus der schwarzen Höhlung über dem Kamin drang ein

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