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Piano auszuhalten, stellte ich ihn auf einen Stuhl, damit er aus dem Fenster schauen könnte, und Miß Jellyby hielt ihn an einem Bein fest und setzte ihre Erzählung wieder fort.

      »Die Ursache war Ihr Besuch bei uns.«

      Wir fragten natürlich: »Wieso?«

      »Ich war mir meiner linkischen Manieren so bewußt geworden, daß ich mich entschloß, mich darin zu bessern und tanzen zu lernen. Ich sagte Ma, ich schämte mich über mich selbst und müßte tanzen lernen. Ma machte ihr maliziöses Gesicht und sah über mich hinweg, als ob ich Luft wäre, aber ich war fest entschlossen, Tanzstunden zu nehmen, und ließ mich daher in Mr. Turveydrops Tanzakademie in Newman-Street einschreiben.«

      »Und dort war es, mein Kind...?« fing ich an.

      »Ja, dort war es, und ich bin mit Mr. Turveydrop verlobt. Es gibt zwei Mr. Turveydrop – Vater und Sohn. Mein Mr. Turveydrop ist natürlich der Sohn. Ich wünschte nur, ich wäre besser erzogen und könnte ihm eine bessere Frau werden, denn ich habe ihn sehr gern.«

      »Es tut mir wirklich sehr leid, daß Sie so reden«, sagte ich.

      »Ich verstehe nicht, warum es Ihnen leid tun sollte«, erwiderte sie ein wenig ängstlich. »Aber ich bin nun einmal mit Mr. Turveydrop verlobt, so oder so, und er hat mich sehr gern. Er muß es selbst auch geheim halten, weil der alte Mr. Turveydrop mit im Geschäft ist und es ihm das Herz brechen oder ihn sonstwie niederschmettern könnte, wenn man es ihm unvorbereitet mitteilte. Der alte Mr. Turveydrop ist ein großer Gentleman – ein sehr großer Gentleman.«

      »Weiß es seine Frau?«

      »Des alten Mr. Turveydrops Frau, Miß Clare?« fragte Miß Jellyby erstaunt und riß die Augen auf. »Die gibt es doch gar nicht. Er ist Witwer.«

      Hier wurden wir von Peepy unterbrochen, an dessen Beinchen seine Schwester jedes Mal unbewußt gerissen hatte wie an einem Klingelzug, wenn sie in Eifer geraten war, und er fing jetzt laut über sein Mißgeschick an zu jammern. Da er sich an mich um Hilfe wendete und ich nur zuzuhören brauchte, übernahm ich es, ihn zu halten. Miß Jellyby bat ihn mit einem Kuß um Verzeihung, versicherte ihm, daß es nicht absichtlich geschehen wäre, und fuhr dann fort.

      »So liegen die Sachen. Wenn ich mir jemals einen Vorwurf machen muß, so trägt Ma die Schuld. Wir wollen heiraten, sobald wir können.

      Und dann besuche ich Pa im Bureau und schreibe von dort an Ma. Es wird sie nicht sehr aufregen; ihr bin ich ja nur Feder und Tinte. Ein großer Trost ist«, seufzte sie, »daß, wenn ich verheiratet bin, ich niemals mehr etwas von Afrika hören werde. Der junge Mr. Turveydrop haßt es meinetwegen, und wenn der alte Mr. Turveydrop überhaupt weiß, daß es so ein Land gibt, ist es viel.«

      »Das ist der Mr. Turveydrop, der ein so großer Gentleman ist, nicht wahr?«

      »Ein sehr großer Gentleman, gewiß. Er ist überall wegen seines Anstandes berühmt.«

      »Gibt er Unterricht?« fragte Ada.

      »Nein. Er gibt nicht direkt Unterricht, aber seine Manieren sind fabelhaft.«

      Nach vielem Zögern und Stocken brachte Caddy heraus, sie habe uns noch etwas anzuvertrauen und fühle, daß wir es wissen müßten, und hoffe, wir würden es nicht übel aufnehmen. Sie habe nämlich ihre Bekanntschaft mit Miß Flite, der kleinen verrückten Alten, erneuert und gehe frühmorgens zu ihr, um ihren Verlobten vor dem Frühstück ein paar Minuten zu sprechen – nur für ein paar Minuten. »Ich besuche sie auch noch zu andern Zeiten«, sagte sie, »aber Prince kommt dann nicht. Des jungen Mr. Turveydrops Vorname ist nämlich Prince; es ist eigentlich schade, denn er klingt wie ein Hundename, aber er hat ihn sich doch nicht selbst ausgesucht! Der alte Mr. Turveydrop hat ihn zur Erinnerung an den Prinzregenten so taufen lassen. Der alte Mr. Turveydrop verehrte den Prinzregenten so sehr wegen seines Anstandes. Ich hoffe, Sie verübeln es mir nicht, daß ich diese kleinen Besuche bei Miß Flite mache. Ich habe das arme Ding um ihrer selbst willen lieb, und auch sie hat mich gern. Wenn Sie den jungen Mr. Turveydrop sehen würden, so bin ich überzeugt, daß Sie gut von ihm denken müßten... Wenigstens weiß ich ganz gewiß, daß Sie nichts Böses von ihm denken würden. Ich gehe jetzt hin, um meine Tanzstunde zu nehmen. Ich darf Sie nicht bitten, Miß Summerson, mitzukommen...« – Caddy hatte dies alles mit feierlichem Ernst und bebender Stimme gesagt – »...aber wenn Sie es doch täten, würde es mich sehr, sehr freuen.«

      Es traf sich, daß wir uns mit meinem Vormund verabredet hatten, gerade heute Miß Flite zu besuchen. Wir hatten ihm von unserm früheren Besuch bei ihr erzählt, und unsere Schilderungen schienen ihn sehr interessiert zu haben. Aber immer wieder war irgend etwas dazwischen gekommen, wenn wir hingehen wollten. Da ich mir genügend Einfluß auf Miß Jellyby zutraute, um sie von einem übereilten Schritt abhalten zu können, schlug ich ihr vor, daß sie und ich und Peepy nach der Tanzakademie gehen und dann meinen Vormund und Ada bei Miß Flite – deren Namen ich jetzt zum ersten Mal hörte – treffen wollten. Ich knüpfte daran die Bedingung, daß Miß Jellyby und Peepy nachher zum Essen mit uns nach Hause kommen sollten. Nachdem beide mit großer Freude auf diesen letzten Vertragspunkt eingegangen waren, putzten wir Peepy mit Hilfe einiger Stecknadeln, etwas Seife und Wasser und einer Haarbürste ein wenig heraus und lenkten unsere Schritte in die Newmanstreet, die ganz in der Nähe war.

      Die Akademie befand sich in einem ziemlich verrußten Gebäude mit Büsten in allen Treppenfenstern an der Ecke einer Durchfahrt. In dem Hause wohnten noch, wie ich aus den Schildern an der Tür entnahm, ein Zeichenlehrer, ein Kohlenhändler und ein Lithograph. Auf dem Schilde, das durch seine Größe und seinen Platz alle andern überragte, las ich: Mr. Turveydrop.

      Die Tür stand offen, und die Vorhalle war mit einem großen Piano, einer Harfe und verschiednen andern Musikinstrumenten verbarrikadiert, die alle fortgeschafft werden sollten und jetzt bei Tag einen etwas liederlichen Eindruck machten. Miß Jellyby sagte mir, daß die Akademie am Abend vorher zu einem Konzert gedient habe.

      Wir gingen die Treppe hinauf – es mußte früher ein recht schönes Haus gewesen sein, als es noch jemand obgelegen, es rein und sauber zu halten, und niemand, den ganzen Tag darin zu rauchen – und traten in Mr. Turveydrops großen Saal, der hinten an einen Pferdestall stieß und von Oberlicht erhellt wurde. Es war ein kahler, widerhallender Saal, der nach Stall roch, mit Rohrbänken an der Wand, die Wände in regelmäßigen Abständen mit gemalten Lyras und drei gläsernen Armleuchtern mit altmodischen Tropfen gleich Herbstblättern verziert. Mehrere junge Schülerinnen von dreizehn oder vierzehn Jahren bis zu zwei- oder dreiundzwanzig waren bereits versammelt, und ich sah mich unter ihnen nach ihrem Lehrer um, als Caddy mich in den Arm kniff und mich vorstellte: »Miß Summerson – Mr. Prince Turveydrop.«

      Ich verneigte mich vor einem kleinen, blauäugigen, hübschen Mann von jünglingshaftem Aussehen mit in der Mitte gescheiteltem Flachshaar, das sich rings um seinen Kopf lockte. Er hielt eine Violine unter dem linken Arm und den Bogen in der Hand. Seine Tanzschuhe waren auffallend klein, und er legte ein unschuldiges, frauenhaftes Benehmen in einer gewissen liebenswürdigen Weise mir gegenüber an den Tag, das die eigentümliche Vorstellung in mir erweckte, er müsse seiner Mutter sehr ähnlich sehen und sie selbst sei nicht sehr hochgehalten oder gut behandelt worden.

      »Ich schätze mich unendlich glücklich, Miß Jellybys Freundin kennen zu lernen«, sagte er und verbeugte sich tief vor mir. »Ich begann bereits zu fürchten«, fuhr er mit schüchterner Zärtlichkeit fort, »daß Miß Jellyby nicht mehr kommen werde, da der Unterricht schon begonnen hat.«

      »Ich muß Sie bitten, mir das zugute zu halten und mich zu entschuldigen, da ich es war, die sie abgehalten hat, Sir.«

      »O Gott«, sagte er.

      »Und bitte, lassen Sie mich nicht die Ursache einer weiteren Verzögerung sein.«

      Mit diesen entschuldigenden Worten zog ich mich auf einen Sitz zwischen Peepy, der, schon an die Situation gewöhnt, bereits einen Stuhl in der Ecke erklommen hatte, und einer alten Dame mit einem kritischen Blick zurück, deren zwei Nichten an den Tanzstunden teilnahmen und die sich sehr über Peepys Stiefel ärgerte. Prince Turveydrop klimperte sodann mit den Fingern in den Saiten

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