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die in diesem Falle helfen können. Natürlich würden wir uns das einiges kosten lassen.“

      „Moment! Du willst, dass ich Menschen besteche, um diese Steuerprüfung abzuwenden? Bist du jetzt vollkommen verrückt geworden?“ Werner Grössert war wütend und enttäuscht, denn das, was seine Mutter hier verlangte, kam für ihn auf keinen Fall in Frage. Er war nicht bestechlich und würde auch niemals auf die Idee kommen, irgendjemanden zu bestechen.

      „Versteh doch, Junge! Wir können es uns in unserer Position nicht leisten, dass Interna aus unserem Privatleben oder sogar aus unserer Kanzlei in falsche Hände gelangen. Man weiß doch, wie so etwas läuft. Wenn Behörden eine Durchsuchung vornehmen, finden die immer irgendetwas, auch wenn es nur Kleinigkeiten sind. Ich möchte gar nicht an das Getuschel der Leute denken, die ganz bestimmt Wind von der Sache bekommen, irgendjemand quatscht doch immer! Außerdem ist Mühldorf im wahrsten Sinne des Wortes ein Dorf. Hier geschieht doch nichts, ohne dass es gleich die Runde macht. Nicht auszudenken, wenn auch noch die Presse auf uns aufmerksam wird. Es gibt viele Neider, die nur auf eine Gelegenheit warten, um uns zu schaden. Nein, Junge, du musst etwas unternehmen, und zwar umgehend. Wir sind doch eine Familie und müssen in schweren Zeiten zusammenhalten.“

      „Wo sind diese Briefe, von denen du gesprochen hast?“

      „Natürlich wieder da, wo sie hingehören: Im Müll.“

      „Was genau stand darin?“

      „Nichts Besonderes und darum geht es auch nicht. Vergiss doch endlich diese Briefe, Herrgott nochmal! Kümmere dich um diese Steuerprüfung, darum geht es. Hörst du mir eigentlich zu? Verstehst du überhaupt, worum es geht und was auf dem Spiel steht?“

      Werner Grössert sah seine Mutter an und schüttelte den Kopf.

      „Dir als Juristin dürfte klar sein, dass ich da überhaupt nichts machen kann. Wie soll ich eine Steuerprüfung abwenden? Diese Befugnisse habe ich nicht. Und Schmiergelder werde ich auf keinen Fall anbieten, das kannst du vergessen. Aber gut, dir zuliebe werde ich Bernd kontaktieren, obwohl ich das sehr ungerne mache. Ich kann nur darauf hoffen, dass ich irgendwelche Details erfahre. Aber mehr kann ich nicht tun.“

      „Das ist alles? Sei mir nicht böse, aber ich dachte, dass du mehr Möglichkeiten hast.“

      „Tut mir leid. Wie gesagt, bin ich bei der Mordkommission und habe mit Steuern und Ähnlichem nichts zu tun. Warum hast du so große Angst? Ihr habt euch doch nichts vorzuwerfen?“

      „Natürlich nicht.“

      „Dann wird bei dieser Prüfung auch nichts rauskommen. Beruhige dich, das wird sich alles aufklären. Aber wenn nochmals Post in der von dir angesprochenen Art bei euch ankommt, informierst du mich umgehend, verstanden? Denn so etwas fällt in meine Zuständigkeit und da habe ich jede Menge Möglichkeiten.“

      Sie nickte nur, obwohl sie genau wusste, dass ihr Sohn niemals diese Briefe in die Hände bekommen dürfe, denn was darin stand, würde für Werner Schockierendes offenbaren.

      Werner Grösserts Handy klingelte.

      „Es tut mir leid, Mutter, ich muss zur Arbeit.“

      Beide hatten die junge Frau nicht bemerkt, die abseits stand und sie beobachtete. Sie konnte zwar kein Wort verstehen, aber schon allein an der Gestik der beiden und an dem Ort des Treffens konnte sie ahnen, dass es um ihre Briefe ging, die sie Dr. Wilhelm Grössert anonym zukommen ließ. Die Gedanken an die Texte ihrer Briefe ließen sie schmunzeln, denn sie hatte es natürlich darauf angelegt, den Empfänger zu schockieren und ihm Angst einzujagen, was ihr offenbar gelungen war. Schon seit einigen Tagen war sie dem Ehepaar Grössert auf Schritt und Tritt gefolgt, hatte nicht nur vor dem Privathaus, sondern auch vor der Kanzlei stundenlang gestanden und nur beobachtet - und endlich hatte sie ihn mit eigenen Augen gesehen: Das war also Werner Grössert! Bislang kannte sie ihn nur von alten Fotos und von Erzählungen und wusste nicht, wie sie ihn finden konnte, denn bei seinen Eltern ließ er sich die letzten Tage nicht blicken, und im Telefonbuch stand er nicht. Sie kannte nun sein Aussehen, die Nummer seines Wagens mit Mühldorfer Kennzeichen – und sie brauchte nicht mehr lange zu warten und sie würde herausbekommen, wo und wie er lebte und was er beruflich machte. Anwalt war er jedenfalls nicht geworden, das hatte sie bereits recherchiert, denn unter dem Namen Werner Grössert gab es im Landkreis Mühldorf und weit darüber hinaus keinen Anwalt und keine Kanzlei. Sie war davon ausgegangen, dass Werner längst in die Kanzlei seiner Eltern eingestiegen war, aber das hatte sich mit nur einem Anruf als Irrtum herausgestellt.

      Sie war sehr aufgeregt und freute sich darauf, Einzelheiten über das Leben von Werner Grössert herauszufinden und war sehr gespannt und wahnsinnig neugierig.

      Die nächste Phase ihres Planes war bereits eingeleitet und sie würde von jetzt an Werner Grössert nicht mehr aus den Augen lassen!

      3.

      Auf dem Weg zum Fundort der Leiche bei Burgkirchen dachte Werner Grössert über das seltsame Gespräch mit seiner Mutter nach. Sie hatte doch tatsächlich die Frechheit besessen und ihn gebeten, Bekannte mit Schmiergeld zu bestechen, um diese Steuerprüfung abzuwenden. So unverschämt dieser Vorschlag auch war, so verzweifelt musste seine Mutter sein, wenn sie solche Geschütze auffuhr. Und was war mit diesen Briefen? Warum hatte sie sie erwähnt und dann wieder darauf bestanden, dass sie nicht wichtig seien? Da steckte mehr dahinter, denn sie hatte immer ein leichtes Zucken in den Augen, wenn sie flunkerte, und dieses Zucken konnte er deutlich sehen. Und dann diese Steuerprüfung. Warum war sie so nervös deswegen? Er war sich sicher, dass in der Kanzlei alles zum Besten bestellt war, obwohl er seinen Eltern durchaus zutraute, dass sie es besonders in finanzieller Sicht mit dem Gesetz nicht ganz so genau nahmen. Lag darin der Grund für ihre Besorgnis? Egal, er musste auf jeden Fall nachforschen, denn so unsympathisch seine Eltern auch waren, es waren nun mal seine Eltern und er fühlte sich verpflichtet, ihnen zu helfen. Zumindest in diesem Punkt stimmte er mit seiner Mutter überein: Sie waren eine Familie und mussten zusammenhalten, obwohl seine Eltern sich bisher in diesem Punkt zurückhielten. Seit seiner Entscheidung, zur Polizei zu gehen, hatten sie ihn gemieden und hielten sich diesbezüglich mit ihrer Enttäuschung nicht zurück. Ganz schlimm war es seit seiner Heirat, denn mit der Wahl seiner Frau, die aus einfachen Verhältnissen stammte, und äußerlich nicht deren Vorstellung entsprech, waren sie bis heute nicht einverstanden. Werner ärgerte sich jetzt über seine Eltern und dachte einen Moment darüber nach, sie jetzt auch im Stich zu lassen – aber dann wäre er auch nicht besser als sie! Nein, er musste helfen und ihnen zur Seite stehen.

      Werner Grössert bog von der Straße ab und fuhr direkt zur Kleingartenanlage Burgkirchen. Dort war der Treffpunkt mit den Kollegen der Mordkommission Mühldorf. Schon die ganze Fahrt über hatte er den roten Kleinwagen bemerkt, der immer im gleichen Abstand hinter ihm fuhr. Tatsächlich bog der Wagen ebenfalls ab und fuhr in die gleiche Richtung, wie er selbst. Zufall?

      Da vorn stand sein Kollege Leo Schwartz, der ihn nun auch bemerkte und winkend auf ihn zuging. Werner parkte seinen Wagen auf dem geschotterten Parkplatz. Was war mit diesem roten Kleinwagen? War er immer noch hinter ihm? War er jetzt schon so paranoid, dass er überall Verbrechen sah? Er stieg aus und blickte sich noch einmal um und sah in die Richtung, wo er den roten Kleinwagen zuletzt gesehen hatte – er war nicht mehr da. Na also, nur Hirngespinste!

      „Eine Leiche in der Alz, der Mann mit dem Hund dort hinten hat ihn gefunden. Ich flehe dich an, übernimm du den Mann. Der spricht so einen wilden bayrischen Dialekt - ich verstehe kein Wort.“ Leo sah Werner verzweifelt an. Der neunundvierzigjährige Schwabe war vor knapp einem Jahr von Ulm nach Mühldorf am Inn versetzt worden, nachdem es dort einen unschönen Vorfall gegeben hatte, über den er bisher noch nicht gesprochen hatte. Werner Grössert war von Natur aus nicht neugierig und interessierte sich auch nicht dafür. Er hatte sich an den neuen Kollegen schnell gewöhnt und mochte ihn sehr – bis auf sein unmögliches Outfit. Auch heute war Leo Schwartz wieder seltsam gekleidet: Jeans, alte Lederstiefel und ein dunkles T-Shirt mit dem Aufdruck einer Rockband, die Werner nicht kannte.

      „Du bist allein hier? Wo sind die anderen?“

      „Unterwegs,

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