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späteren Nachmittag werden die Kinder von der Aufsichtsperson aufgefordert, ihre Sachen zusammen zu räumen und ihr zu folgen.

      Masa ist zufrieden, sie hat die Bedeutung von einigen Worten erkannt. Noch reicht es nicht für eine Unterhaltung, aber sie ist mit ihrem Start in die Freiheit zufrieden.

      Mit beginnender Dämmerung leert sich allmählich der Strand. Die Leute gehen nach Hause. Einige sind sehr unordentlich und lassen ihren Müll am Strand zurück. Das ist die Gelegenheit für Masa, sie durchstreift den Strand. Zuerst findet sie eine Plastiktasche und beginnt nun alles einzusammeln, was sie für brauchbar hält. Sie findet auch einige Früchte und ein Brot, in einigen Flaschen ist noch ein Rest übrig. Mit ihren Schätzen verlässt sie den Strand und sucht sich einen ruhigeren Ort. Der erste Tag als freie Frau neigt sich dem Ende entgegen. Sie ist zufrieden, das Leben kann weitergehen.

      Masa sucht sich in einem Park eine Bank zum Schlafen. Unter den gefundenen Schätzen befindet sich auch eine Decke. Sie wickelt sich in die Decke und legt sich hinter der Bank hin, so können Passanten sie nicht gut sehen.

      Als sie aufwacht, fühlt sie sich in Sicherheit. Es ist immer noch dunkel, sie verlässt den Park und schlendert ziellos durch die Strassen. Sie weiss nicht, wo sie sich befindet, spielt auch keine Rolle, alles ist hier fremd. In einer Strasse nimmt sie den Duft von Räucherstäbchen wahr. Etwas Abseits bemerkt sie einen Tempel. Die Bewohner von Mumbai scheinen doch einer Religion zu huldigen. Der Tempel ist schön geschmückt und leuchtet in vielen Farben. Sie beobachtet die Leute, welche sich hinknien. So früh am Morgen sind es noch nicht viele.

      Aus der Entfernung beobachtet sie, wie die Zeremonie abläuft. Feste Regeln gibt es nicht, die einen knien kurz hin und gehen weiter, andere verweilen länger. Als keine Leute im Tempel sind, geht sie näher und schaut sich den Tempel genauer an. Der Geruch der Räucherstäbchen sticht ihr unangenehm in die Nase. Zurzeit sind keine Leute im Tempel. Auf einer Art Platte werden kleine Körbchen und verzierte Schalen mit Geschenken an die Göttin hingestellt. Meistens erkennt sie frische Früchte. Das Obst ist nicht vergammelt, wie die Früchte, welche sie am Strand gefunden hat.

      Die Versuchung ist gross. Masa schaut sich um, immer noch niemand im Tempel. Sie langt zu und packt einige Früchte in ihre Tasche und entfernt sich schnell in Richtung Stadt. Dort fühlt sie sich sicherer, bereits sind viele Leute unterwegs und sie taucht in der Menge unter. Alles bleibt ruhig, ihr Diebstahl wurde nicht entdeckt. Sie sucht sich eine abgelegene Bank und verzehrt ihr Diebesgut sofort, so bleiben keine Spuren zurück.

      Nachdem das so gut gelungen ist, sucht sie nach weiteren Tempeln.

      Es gibt anscheinend einige. Bei jedem beobachtet sie genau, ob sie einen weiteren Diebstahl riskieren kann. Noch zwei Mal kann sie Lebensmittel stehlen. Darunter eine Schale Reis und ein totes Huhn. Doch dann sieht man die Sonne aufgehen und es sind zu viele Leute in den Tempeln, für heute muss das reichen.

      Mit der Ausbeute ist sie zufrieden. Sie sucht einen Strand, das Hinduwort Beetch kennt sie mittlerweile und findet ihn schnell. Am Strand gedenkt sie, den Tag zu verbringen. Es ist ein anderer Strand als gestern, sieht aber ähnlich verwahrlost aus. Sie hat Glück und entdeckt eine Feuerstelle, welche noch leicht raucht. Sie sucht nach Brennmaterial, um das Feuer neu zu entfachen. Zuerst gibt sie sich mit Plastikabfällen zufrieden. Das Feuer brennt schon wieder stark, stinkt aber erbärmlich. Danach sucht sie nach Holz, welches in der Nacht angeschwemmt wurde. Diese Holzstücke brennen erstaunlich leicht, nur die Oberfläche ist nass. Schon nach kurzer Zeit im Feuer sind sie abgetrocknet und brennen schön und vor allem lange.

      Nun hängt sie an einem Stock das Huhn über das Feuer. Der Duft ist verführerisch, das hat sie hat schon lange nicht mehr gerochen. Sogar zuhause gab es selten gegrilltes Huhn. Die Schenkel und Flügel sind am ersten gar zu Essen. Sie geniesst jeden Bissen. Bis sich der Strand mit Leuten füllt, hat sie das Huhn und allen Reis gegessen und löscht das Feuer.

      Frisch verpflegt sucht sie den Strand nach Kindern ab. Dieses Mal spielen nur zwei Geschwister und ihre Mutter. Sie setzt sich in ihre Nähe und lauscht ihren Gesprächen.

      Bis die Sonne untergeht hat sie ihren Wortschatz in Hindi leicht vergrössert. Es ist eine schwere Sprache, das wird noch Zeit brauchen.

      Zufrieden mit dem Tag, sucht sie eine Stelle, an der sie übernachten kann. Sie will zeitig schlafen, denn am frühen Morgen ist es einfacher, im Tempeln Speisen zu stehlen. Es ist mit weniger Leute zu rechnen. Sie will kein Risiko eingehen.

      Am nächsten Morgen ist sie schon vor Sonnenaufgang unterwegs. Die Tempel sind schon gut bevölkert und mit Opfergaben gefüllt. Zwischen den Besuchen der Betenden, gibt es noch einige Lücken in der sich keine Leute im Tempel aufhalten. In kurzer Zeit hat sie ihren Tagesbedarf an Essen beschafft und sucht den Strand auf.

      Ab jetzt hat ihr Tagesablauf eine Struktur. Morgenfrüh Essen für den Tag beschaffen, danach Kinder beobachten und die Sprache lernen.

      In den nächsten Wochen führt sie ein strukturiertes Leben. Das Risiko beim Stehlen entdeckt zu werden ist inzwischen gering, sie kennt sich bestens aus.

      Eines Morgens, die Beschaffung von Lebensmittel ist bereits abgeschlossen, nutzt sie die Zeit, bis es am Strand interessant wird, sich mit der riesigen Stadt vertraut zu machen.

      An diesem Morgen findet sie eine grüne Wiese, eine Seltenheit in Mumbai. Die Wiese ist von Hecken umgeben. Was Masa hier interessiert sind die Gräser. Besonders die mit langen breiten Blättern.

      Mit solchen Gräsern hatte sie als Kind Körbchen geflochten. Ihre Mutter hatte ihr das beigebracht. Sie konnte sogar einige verkaufen. Wenn die Gräser trocken sind, kann sie damit Körbchen für Opfergaben flechten, welche sich für das Überreichen der Opfergaben eignen würden.

      Nun nützt sie die Zeit, bis die ersten Kinder am Strand auftauchen mit dem Flechten von Körbchen. Nach einer Woche sind die ersten drei Körbe fertig. Nun steht sie am Morgen als Erstes vor einem Tempel und bietet die Körbchen zum Kauf an. Die Pilger sind begeistert und die drei Körbchen sind schnell verkauft. Sie löst den Preis, welchen sie für angemessen erachtet. Keinem der Pilger ist es zu teuer, bei Opfergaben wird nicht gefeilscht. Nach einem Monat in Mumbai, hat sie ihr erstes Geld eingenommen und kann sich am Stand richtiges Essen kaufen.

      In den nächsten Tagen erntet sie so viel Gras wie möglich und flechtet daraus Körbchen. Nun sucht sie sich zum Verkauf schönere Tempel aus, die hat sie beim Stehlen eher gemieden. Trotz erhöhtem Preis sind die Körbchen schnell weg. Sie fühlt sich wie eine Millionärin.

      Mit dem Geld kauft sie sich einen Rucksack und drei schöne Röcke. Dazu kauft sie ein Stück Seife um sich regemässig die Haare zu waschen, denn die langen Haare wirken schnell verwahrlost und zudem juckt es weniger, wenn die Haare sauber sind.

      Aus der verschmutzen Obdachlosen ist eine gepflegte Obdachlose geworden. Sie ist mit ihrer Verwandlung zufrieden. Leider geht ihr bald das Rohmaterial, die Gräser aus, so dass ihre Einnahmenquelle zu versiegen droht.

      Masa beschliesst, mit einer Ritschka ausserhalb der Stadt nach Gräser zu suchen. Die Fahrt kostet sie für ihre Verhältnisse ein Vermögen. Mit Hilfe des Fahrers findet sie eine Wiese und reisst so viele Gräser wie möglich aus und verstaut sie im Rucksack. Die Investition hat sich gelohnt, sie hat wieder Gräser für drei Wochen Arbeit gesammelt.

      Nun läuft das Geschäft wieder ausgezeichnet. Ab jetzt leistet sie sich einmal in der Woche eine Nacht in einem günstigen Hotel. Dort kann sie in einem Bett schlafen und besonders wichtig, am Morgen richtig mit warmem Wasser duschen und ihre Röcke waschen.

      Noch immer belauscht sie Kinder am Strand. Neue Wörter lernt sie allerdings nur noch selten, der Wortschatz der Kinder ist begrenzt, reicht aber aus, um ihr Tagesgeschäft erfolgreich zu gestalten.

      An einem Morgen zahlt es sich aus, dass sie gepflegt und gewaschen am Strand erscheint. Eine Mutter spricht sie an.

      «Ich habe bemerkt», beginnt die Frau das Gespräch, «dass du sehr gut mit Kindern umgehen kannst. Möchtest du bei uns als Kindermädchen arbeiten? Ich könnte dann länger arbeiten.»

      «Ich weiss nicht», Masa ist vorsichtig, «ich

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