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wo haben die den ihren verdammten Kleiderschrank? Irgendwo müssen die doch ihre Klamotten … Oder liegt das am Pfarrer, dass hier alles anders ist, wegen …, was weiß ich, is mir auch scheißegal. Hauptsache das Teil taucht hier auf, und zwar plötzlich. Oder unter den Betten? Quatsch, doch nich wie bei mir.

      Trotzdem ging sie auf die Knie, schob ihren Kopf unter das Bettgestell und sah am gegenüber liegenden Ende sowas wie Pantoffen, sonst nichts.

      War ja klar, dachte sie, während sie sich wieder aufrichtete und feststellte, dass sie unmittelbar vor einer weiteren Tür stand, die ihr bisher noch nicht aufgefallen war.

      Wahrscheinlich ein zusätzliches Badezimmer oder sowas in der Art. Sollte man vielleicht gar nicht reingehen. Wer weiß, was einen da …

      Trotzdem griff sie, wie von einer fremden Macht gesteuert, nach der Türklinke, drückte sie runter, schob die Tür auf, sah in den Raum, rieb sich die Augen, sah nochmal ... das Gleiche und dachte, da kannste mal sehen.

      Na klar, 'Kleiderkammer' 'Caritas', die Tante eben im Krankenhaus. Ein ganzes Zimmer voll mit Roben, rundherum, und für die kleinen Teile Fächer bis unter die Decke. In amerikanischen Filmen nennt man sowas, 'Ankleidezimmer', glaube ich, aber beim Pfarrer in Dortmund-Brünninghausen?

      Und außerdem sah sie noch einen Riesenspiegel mitten im Zimmer mit zwei Stühlen daneben und auf dem Fußboden verstreut einen Bademantel, Unterwäsche, zwei Schlafanzüge und ein Paar dicke Wollsocken.

      'Kleiderkammer'? oder 'Kostümverleih' vielleicht? ... Das wär’s doch, direkt hinter Pastors Betten, na ja fast wenigstens, oder doch nur Pastors Family?

      Wie auf dem Esszimmertisch, nur mit Klamotten, ging ihr durch den Kopf, und dass es da vielleicht einen Zusammenhang gäbe in der Art von: 'Keine Zeit' - 'In Eile' - 'Notfall'.

      Im Grunde scheißegal, Hauptsache ich finde was Passendes. 'Schwarz' gibt’s ja reichlich, stellte sie fest, aber alles irgendwie … irgendwie nonnenartig.

      Und während sie weiter suchte, verhedderten sich ihre Schuhe in dem Bademantel. Mit ein paar Fußbewegungen schüttelte sie sich frei, schleuderte den Mantel fußballmäßig in einen Kleiderständer und sah nun vor sich auf dem Boden einen Zettel, beschrieben mit wenigen Worten. Sie hob ihn auf, entzifferte was draufstand, griff nach einer Stuhllehne, ließ sich auf den Sitz fallen, glättete das in ihrer Hand inzwischen verknitterte Blatt und las nocheinmal.

      Manchmal sind’s ja nur ein paar Buchstaben, die falsch … oder auf der Rückseite steht noch was, hoffte sie.

      Aber es änderte sich nichts. Notfall wir müssen zum Krater alle, las sie auch beim zweiten Mal.

      Lieber Gott, bitte nicht das, woran ich jetzt denke, bitte bitte nicht das. Ich trete auch in jede Kirche ein, die du willst, von mir aus auch in mehrere gleichzeitig, nur nicht das, bitte, nich das.

      Ein Glück, dass er den Zettel irgendwie vergessen oder verloren hat oder sonstwas. Egal.

      Sie versuchte sich zu konzentrieren.

      Am Krater, alle. Ich also auch zum Krater, was sonst? Aber erstmal nen Mantel oder ne Jacke oder irgendwas in der Art, damit ich diesen Lumpen endlich vom Leib kriege, und ich überhaupt ne Chance habe. Irgendwo muss Frau Pastor doch auch was hängen haben. Jetzt mal ganz in Ruhe.

      Langsam machten ihre Augen die Runde, immer an den Kleiderständern entlang, stellte fest, dass Finn da auch irgendwo hing und tatsächlich, ganz in der Nähe, auch was für Frauen.

      Viel is es ja nich, dachte sie, bei uns hängen in 'Abteilung Frau' ein paar Meter mehr, aber Hauptsache es passt. Is eigentlich ungefähr meine Größe, die Frau, schätz ich mal.

      Sie griff eine Jacke heraus.

      Schön dick, schön warm, schön lang, auch farblich schön ... schön beschissen, genauer gesagt, macht aber nix, für heute wahrscheinlich sogar günstig, ganz in Blümchen, jetzt noch die Haare verstecken - leider - und auf geht’s. Und dafür haben wir das Teil im Angebot, dachte sie, als sie etwas Baskenmützenähnliches mit einem Bommel in der Mitte an einem Hutständer hängen sah.

      Bei der Kontrolle vor dem Spiegel überlegte sie, ob das, was sie da sah, wirklich ein Mädchen namens Jana war, dann blinkte für einen Augenblick 'Kleider machen Leute' in ihrem Hirn auf. Is ja in Ordnung, dachte sie, und was sitz ich hier eigentlich noch rum. Und wieder musste sie an das Schreckliche denken, das sie am Krater erwartete.

      Aber vielleicht is es ja gar nicht so schlimm, redete sie sich ein, und rannte los.

      «Hat sich neu eingekleidet das Früchtchen beim Pfarrer», brummelte der Nachbar auf seinem Beobachtungsposten hinter der Scheibe.

      «Die Taschen wahrscheinlich auch noch voll geklaut jetzt, wo keiner da is, wie's aussieht. Sollte eigentlich die Polizei … Ach, Scheiß was drauf. Geschieht dem ganz recht, dem 'Lumpensammler' da.»

      «Nich Ilse», rief er ins Nebenzimmer, «bei dem verkehren doch nur Lumpen und Gesindel, oder? Kanns nochmal ne Flasche bringen», schob er hinterher.

      Und was is, wenn sie mich nich durchlassen? Da hinten is doch schon wieder ein Mordsauflauf.

      Außer Atem blieb sie stehen. Gebückt stützte sie sich mit den Armen auf den Oberschenkeln ab und versuchte, wieder zu Luft zu kommen.

      Nochmal ne Pause kann ich mir nich leisten. Lieber jetzt ne Minute länger und dann ab durch die Mitte. Fernsehen is auch am Gange, beobachtete sie. Ohne Ausweis oder sowas kommt da keiner mehr durch, ich schon gar nich. Ne Ohnmacht an der Absperrung, damit se mich in den Krankenwagen schleppen, überlegte sie, und dann mach ich die Fliege direkt ins Zelt. Oder aber die machen ihr Horn an und bringen mich dahin, wo ich eben abgehauen bin und irgend son Weißkittel winkt freundlich mit Fußfesseln.

      Himmel Scheiße, was denn jetzt?

      Oder ne Geschichte, wie eben bei Schwester Iris. Nur ein bisschen härter, irgendwas für so richtige Kerle, dass die schwach werden und nich anders können.

      Auf ihrer Stirn bildeten sich Falten, ihre Augenlider fuhren aus. Nur ein dünner Sehschlitz blieb frei, und plötzlich erschienen um ihren Mund kleine Lächelfalten und sie sagte laut und deutlich: «Ich hab’s.»

      «Ich weiß, was du hast.» Ein angetrunkener Mann versuchte sich neben Jana aufzubauen, tippte ihr auf die Schulter, wobei er bedrohlich auf sie zuschwankte: «Du hast einen ganz großen Sch... Sch... Schatten. Alles klar?», und wankte weiter.

      «Und du hast 'Nacht im Schacht' oder 'Brei im Ei' , kannste dir aussuchen, Arschloch», rief sie ihm hinterher.

      Sowas nich auch noch, dachte sie, streckte sich wieder in die Höhe und lief weiter in Richtung Absperrung.

      Je näher sie kam, um so deutlicher erkannte sie die Wachmänner. Es schien zwei Sorten zu geben: die einen mit 'Ich-schlachte-dich-wenn-du-näher-kommst-Gesichtsausdruck' und die anderen, die mit 'Wir-tun-doch-auch-nur-unsere-Pflicht-Lächeln' versuchten, die sensationshungrige Menge vor ihnen an gewalttätigem Eindringen in die Sperrzone zu hindern.

      Einen von den 'Weichgespülten', genau, 'Schwester Iris in Uniform' sozusagen und in männlich natürlich, überlegte sie. Der kleinere da vorne mit den rosigen Backen, der sieht so aus, der hat sowas. Also los jetzt Jana, entweder oder, zeig, was du kannst, befahl sie sich.

      Und noch bevor der 'Rosawangige' seine Belehrung «tut mir leid mein Kind, aber du musst ver...» vollenden konnte, bat ihn Jana um Verzeihung - wofür eigentlich, schoss ihr durch den Kopf und außerdem: Volltreffer -. Sie sah dem 'Vollgetroffenen' mit herzzerreißenden Blicken in die Augen - das mit dem 'Kind' war zwar scheiße Meister, aber im Augenblick gar nich mal übel, dachte sie - und sie erklärte ihm, beziehungsweise hauchte ihm mit letzter Kraft

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