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hatte Daves finanzielle und persönliche Verhältnisse geprüft - schlechte Geschäftslage, Schulden, Bars, Callgirls, ab und zu eine Line. Geradezu geschaffen für ihre Zwecke. Zusammen waren sie rausgefahren, und er hatte den Eindruck gewonnen, dass Dave einem lukrativen Geschäft gegenüber nicht abgeneigt war. Ganz gleich, ob der damit die Grenzen der Legalität überschritt. Am Ende ließen sie die Sache jedoch auf sich beruhen. Die Insel lag zu sehr im Fokus der Drogenfahnder. Außerdem hatte Diego inzwischen Kontakt zum Colonel aufgenommen.

      Für die Suche nach der Alina griff Diego jedoch wieder auf Dave zurück. Er brauchte das Geld und würde garantiert keine Probleme machen. So wurden sie sich rasch einig, und es konnte losgehen.

      Diego erinnert sich, wie er auf Deck stand und in Daves kreidebleiches Gesicht sah, als dieser von seinem ersten Tauchgang zur Alina wieder hinaufkam. Vor Schreck und Ekel zitternd, nahm er seinen Auftraggeber beiseite und erzählte von den beiden Toten, die im Salon der Yacht im Wasser trieben. Dann berichtete er Diego von den beiden Löchern im Rumpf.

      Es kostete Diego seine ganze Überredungskunst, aber mithilfe von zusätzlichen einhundertfünfzigtausend Dollar erleichterten sie Dave die Entscheidung, Ruhe zu bewahren. Wie vereinbart barg er daraufhin innerhalb von drei Tagen die Alina. An Bord ließen sie ihn jedoch nicht, als sie jeden Zentimeter des Wracks nach der verloren gegangenen Ladung absuchten. Eine unnötige Maßnahme, denn sie blieben erfolglos. Die Palette mit den Cola-Dosen fanden sie nicht. Ebenso wenig Antonio und das Beiboot. Das war der Moment, in dem Diego erste Zweifel kamen.

      Sollte ihn ausgerechnet Antonio hintergangen haben? Der Mann, der ihm im Dschungel Südkolumbiens stets treue Dienste erwiesen hatte? Dem er blind vertraute? Antonio hatte Frau und Töchter in Pasto. Er wusste genau, dass sein Verrat ihren sicheren Tod bedeutete. Außer, er hatte vorgesorgt. Misstrauisch geworden, ließ Diego die Angelegenheit durch seine Kontaktleute vor Ort klären, wurde aber beruhigt - die Familie war weiterhin in ihrer Wohnung. Um sicherzugehen, ließ er trotzdem zwei Sicarios vor der Tür stationieren. Sein Gefühl sagte Diego allerdings, dass Antonio nicht wieder auftauchen würde.

      Ihm war bewusst, das er früher oder später Maria und den Colonel informieren musste. Seine Schwester würde explodieren, das aber würde er überleben.

      Viel mehr Sorgen machte er sich um die Reaktion des Colonels. Diese erfolgte zwei Stunden, nachdem er über den Anrufbeantworter um Rückruf gebeten hatte. Deutlich verstimmt bestellte ihn der Colonel für den nächsten Tag auf das Achterdeck der Elf-Uhr-Broadway-Coronado-Fähre. Als ihm Diego dort mitteilte, dass es zu Verzögerungen bei der Anzahlung kommen würde, musterte ihn der Colonel mit seinen durch eine Pilotenbrille verdeckten Augen, ohne ein Wort zu sagen. Das Boot hatte abgelegt und Fahrt in Richtung Coronado aufgenommen, als der Colonel sich zur Reling drehte und auf das unter ihnen schäumende Schraubenwasser blickte. „Was bedeutet Verzögerung?“

      Diego musste sich neben den Colonel stellen und zu ihm rüberbeugen, um der leisen Stimme folgen zu können. „Zehn, maximal fünfzehn Tage.“

      Der Offizier strich sich nachdenklich übers Kinn und studierte die hinter ihnen aufragende Skyline San Diegos. Nach einer Pause fuhr er leise fort: „Es bleibt alles, wie vereinbart. Nur die Präsentation, die werden wir verschieben.“ Auf die Reling gelehnt, warf er dem neben ihm stehenden Diego einen kurzen Blick zu. „Bis ihr die Sache geregelt habt.“

      Diego nickte, während die Fähre ihre Fahrt verlangsamte, um am Pier der Halbinsel anzulegen.

      „Warum fahren Sie nicht noch ein bisschen weiter?“ Daraufhin streckte sich der Colonel und verschwand dann raschen Schrittes die Gangway hinauf. Leise fluchend blieb Diego am Heck stehen, den Kopf ratlos in die Hände gestützt.

      Wo waren diese verdammten Diamanten?

      „Noch etwas zu trinken?“ Fragend schaut die Bedienung auf den Mexikaner und den neben ihm sitzenden attraktiven Blondschopf von vielleicht vierzig Jahren. Genau ihr Typ. Vielleicht etwas zu alt. Er schaut sie mit seinen tiefen dunkelbraunen Augen an, lächelt leicht.

      „Danke, nein.“

      Sie zuckt mit den Achseln und geht zum nächsten Tisch. Aus seinen trüben Gedanken gerissen, sieht Diego ihr nach. Süßer Hintern.

      Obwohl sich drüben in dem Büro weiterhin nichts tut, ist er optimistisch. Sicher, die Diamanten sind noch immer verschwunden. Aber er ahnt, wer sie haben könnte.

      Und das ist doch schon was.

      5. Kapitel

      Auf wackligen Beinen steigt Claire aus dem Bus, als dieser nach zwei Stunden vor ihrer Wohnanlage am Sunset Cliffs Boulevard hält. Sie nimmt ihr Gepäck und schlurft nach Eingabe des Codes durch das stählerne Tor zu den Treppen. Es ist eine kühle Nacht, eigentlich zu kalt für August. Vor der Tür zu ihrem Appartement angelangt, sucht sie fluchend eine volle Minute in den Tiefen ihrer Reisetasche nach dem Schlüssel. Nachdem sie endlich in die Wohnung gelangt ist, lässt sie ihr Gepäck noch im Flur fallen und geht in den angrenzenden Wohnraum, um das Licht einzuschalten. Sie blickt sich um. Alles steht genau so aufgeräumt und leer da, wie sie es zwei Wochen zuvor verlassen hat. Sie fühlt sich wie die erste Besucherin eines für lange Zeit unbewohnten fremden Hauses. Gedankenverloren streicht sie über das beigefarbene Sofa und betrachtet missmutig den dünnen Staubfilm, der sich auf ihre Finger gelegt hat. Und dazu diese abgestandene Luft. Sie öffnet die Fenster, um das Appartement von dem muffigen Geruch zu befreien. Sofort dringt das vertraute Geräusch surrender Klimaanlagen vermischt mit dem heraufklingenden Straßenlärm von draußen an ihr Ohr. Etwas, das sie die Wohnung gleich ein wenig wohler, vertrauter empfinden lässt.

      Claire geht ins Bad, duscht und cremt sich ein. Nur noch Zähneputzen, ein Nachthemd über und fertig für die Nacht. Ihre Vorfreude trübt sich, als sie im Schlafzimmer Matratze und Decke unbezogen vor sich liegen sieht. Leise fluchend wühlt sie in einer Kommode nach frischen Laken.

      Als sie mit dem Beziehen fertig ist, lässt sie sich auf das gemachte Bett fallen, schaltet das Licht aus und schließt die Augen.

      Aber obwohl sie müde und erschöpft ist, lässt sie der ersehnte Schlaf im Stich. Ihre Gedanken wandern zur Beerdigung ihres Vaters in Südafrika. Da ihre Mutter sich standhaft geweigert hatte, ihrem untreuen Ex-Ehemann die letzte Ehre zu erweisen, flog Claire allein ans Kap. Die Veranstaltung fand in großem Rahmen statt, locker achtzig Trauergäste. Ganz und gar nicht nach Claires Geschmack. Statt sich auf eine der vier vorderen, für die Familie reservierten Bänke zu setzen, nahm sie in einer der hinteren Reihen Platz. Von dort aus sah sie zum ersten Mal in ihrem Leben die zweite Frau ihres Vaters, Nele. Klein, von Trauer gebeugt und rundlich saß sie in der ersten Reihe. So ein ganz anderer Typ, verglichen mit ihrer Mutter. Eingerahmt wurde sie von zwei Männern in den Zwanzigern. Offensichtlich Peter und Greg, Claires Halbbrüder. Ansonsten erkannte Claire niemanden.

      Nach der Hälfte des Gottesdienstes ertrug sie die Litanei nicht mehr, stand auf und ging nach draußen. Dort schnorrte sie von einem der wartenden Sargträger eine Zigarette und rauchte seit sehr langer Zeit wieder ein paar Züge.

      Als die Zeremonie zu Ende war, kondolierte Claire am Ausgang unbeholfen Nele und ihren Söhnen. Am Begräbnis nahm sie nicht mehr teil, ging dafür am nächsten Tag auf den Friedhof zum Grab ihres Vaters. Aber auch da, wie schon am Tag zuvor, spürte sie statt Trauer nur eine tiefe Leere in sich. Hätte sie nicht bis zur Testamentseröffnung in Kimberley bleiben müssen, am liebsten wäre sie gleich wieder abgereist.

      Dort wurde der ihr drei Tage später eröffnet, dass ihr Vater jedem seiner drei Kinder ein Anlagenpaket im Wert von einer Million Rand hinterließ. Überrascht, weniger von dem Geldsegen, als von der Tatsache, dass ihr Vater überhaupt an sie gedacht hatte, schüttelte sie Nele und ihren Halbbrüdern zum zweiten und wohl auch letzten Mal in ihrem Leben die Hand und reiste unverzüglich ab.

      Für ein paar Tage fuhr sie nach Kapstadt zu den Orten ihrer Kindheit und Jugend. Immer auf der Suche nach etwas Fühlbarem. Aber ob in Constantia, vor dem Haus, in dem sie so viele Jahre gelebt hatten, oder in Camps Bay und Clifton: Sie fand es nicht. Sogar ihrer alten Highschool und den Plätzen, an den sie mit

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