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systemrelevanter Arbeitsplätze in der heimischen Automobilindustrie. Ein Slogan wie „Opel Kadett – kurz gesagt O.K.“ fällt wohl heute keinem Werbestrategen mehr ein. Inzwischen wurde Grand-Prix-Siegerin Lena Meyer-Landrut für kurze Zeit zur Werbeikone des Rüsselsheimer Autobauers. Wenn das mal nicht sexy ist!

      Prenzlberg

      Hier wohnen die Künstler, die Kreativen, hier geht man in autonome Szeneklubs: Der Prenzlberg – wie Insider ihren Ostberliner Kiez nennen – ist das neue Kreuzberg. Absolut Underground, completely alternative.

      Klingt cool. Stimmt aber alles schon lange nicht mehr. Nach der Wende war der Prenzlauer Berg eine Weile das, was sich heute noch jene vorstellen, die um dieses zaunlose Getto der Bürgerlichkeit einen großen Bogen machen und „Helmi“ und „Kolle“ für Figuren aus der Sesamstraße halten und nicht für Helmholtz- und Kollwitzplatz. Heute ist das Prenzlauer Gebirge ein etabliertes Wohnviertel für gut verdienende Jungfamilien, die ihren Nachwuchs auf Stoppersocken zum Kinder-Yoga schicken. Über hundertfünfzigtausend Menschen, also so viele wie allein in Potsdam, leben im Prenzlauer Berg. Jawohl, man lebt nicht „in“ oder gar „auf“, sondern „im“ Prenzlauer Berg. Allein rund um den Helmholtzplatz drängen sich fünfundzwanzigtausend Einwohner auf einen Quadratkilometer. Die Hälfte der Prenzlberger ist im gebärfähigen Alter – doppelt so viele wie im Rest der Republik – und macht von dieser Fähigkeit auch regen Gebrauch. Drei von vier Einwohnern sind Akademiker, der vierte wird von der „Generation Buggy“ im Kinderwagen von Spielplatz zu Spielplatz geschoben oder in eine Kita gebracht, die in einer ehemaligen Schwulenkneipe aufgemacht hat – gleich neben der Hebammenpraxis, die einen Pornoladen verdrängt hat. Prenzlauer Berg ist Pregnancy Hill.

      Die Coolen haben längst Reißaus genommen. Die legendäre Kastanienallee ist zu einer Bummelpromenade und einer Castingallee geworden. Der Szeneklub White Trash an der Schönhauser Allee suchte ein neues Quartier in Friedrichshain – mit der Begründung, der Prenzlauer Berg sei zu spießig geworden. Nachbarn hätten sich über die laute Musik beschwert, und die Miete sei unbezahlbar geworden. Die Toleranzgrenze gegenüber nächtlicher Ruhestörung verläuft auf der Höhe von Altbau-Dachgeschosswohnungen umgekehrt proportional zu den Mietpreisen. Tatsächlich zahlt man zum Beispiel an der Kollwitzstraße bis zu zwölf Euro pro Quadratmeter „nettokalt“ im Altbau. Für einen Neubau werden gar 16,50 Euro berappt – das Dreifache der Mietpreise in Marzahn oder Spandau. Mit dieser Wilmersdorfisierung der Wohnungspreise wird die Zuwanderung gezielt gesteuert. Wer sich ein gutbürgerliches Leben des modernen Spießers nicht leisten kann, muss leider draußen bleiben. Wer es sich nicht leisten will, weil er zu cool dafür ist oder eine Pampers- und Pastinaken-Allergie hat, bleibt freiwillig draußen. Der Schriftsteller Maxim Biller, sicher auch einer der Coolen in der Literaturszene, nennt den Prenzlauer Berg abfällig „national befreite Zone“. Ein Reiseführer drückt es anders aus: „Miesmacher werfen Prenzlauer Berg vor, gentrifiziert und spießig geworden zu sein.“ Das Prädikat „einfach hübsch“ wird hinterhergeschickt. Auch der Baedeker stellt nüchtern fest: „Die autonom-alternativen Zeiten von ‚Prenzl. Berg‘ neigen sich auch schon wieder dem Ende zu.“ Netter formuliert könnte man sagen: Hier genießt der moderne Apfelschorle-Biedermeier Milieuschutz. Die Wahrheit ist: Kreuzberger Nächte sind lang, im Prenzlauer Berg sind die Nächte meist kurz – junge Eltern werden das bestätigen; und lang ist meist die Schlange bei Konnopke’s Imbiß an der Schönhauser Allee, wo es seit über achtzig Jahren bekanntlich die beste Currywurst der Welt gibt: Die ist schärfer als jedes Thaicurry und stellt alle Running Sushis in den Schatten. Und hartnäckig hält sich das Gerücht, dass an einer Kneipe im Prenzlauer Berg immer noch das Schild an der Tür hängt: „Kein Milchkaffee.“ Ich antworte: „Hier trink ich Filterkaffee, hier darf ich sein.“

      Korrekte Rechtschreibung

      Freiheit ist bekanntlich auch immer die Freiheit des Andersdenkenden. Die Gedanken sind frei – aber sie sind keiner Orthografie unterworfen, weshalb Freiheit und Anarchie nicht für den schriftlichen Kommunikationsprozess gelten. Auch Kommaregeln haben ihren Sinn, weil sie für Klarheit sorgen und sogar Beziehungen und Leben retten können, wie die Sätze „Komm essen wir(,) Opa“ und „Was(,) willst du schon wieder?“ beweisen. Missverständnisse aufgrund falscher Schreibweise etwa bei ss/ß treten bekanntlich – und nicht nur – in Mass(ß)en auf. Wer einem anderes weismachen will, der macht nichts weiß, wenn er nicht die Wände streichen möchte. Es hat sich leider selbst in den gebildetsten Kreisen noch nicht herumgesprochen, dass das Wort „kein“ in „keinster“ Weise steigerbar ist und „hältst“ nicht von Hals, sondern von Halten kommt. Den Deppen-Apostroph wollen wir nicht bei „Susi’s Textilservice“ sehen, wo man „steht’s zu Diensten“ ist und die Wäsche „morgen’s gebracht und abend’s“ gemacht ist. Aber auch öffentliche Schreibweisen wie „Nudel’n“ oder „Hand’y“ sind schon gesehen und fotografiert worden, ohne dass der Verursacher der Körperverletzung bezichtigt werden konnte. Nur in Ausnahmefällen wie beim bereits erwähnten „Konnopke’s Imbiß“ kann aus Gründen der Tradition ein Auge zugedrückt werden.

      Doch wer im Alltag auf die Einhaltung der Regeln pocht – und es gar wagt, andere gutmütig auf Verstöße hinzuweisen –, wird im besten Fall als Spießer, schlimmstenfalls als Rechtschreibnazi beschimpft. Beim Spieleabend wird man schnell zum Spielverderber, wenn man sich den Hinweis nicht verkneifen kann, dass der Schriftzug „Mensch ärger Dich nicht“ auf dem Originalspiel drei Fehler enthält. Doch Nazis sind Menschenverächter, während Rechtschreiber Menschenfreunde sind, weil sie ihren Lesern gegenüber Respekt ausdrücken, indem sie sich Mühe mit ihren Worten geben, so wie man im zwischenmenschlichen Umgang auch selbstverständlich „bitte“ und „danke“ sagt. Außerdem nehmen sie sich Zeit, die freundlichen/lieben oder einfach nur vielen Grüße auszuschreiben, anstatt dem Empfänger ein seelenloses „mfG“, „LG“, „VG“ oder ähnliches Kurzangebundenes hinzuschmieren.

      und auch wenn das betätigen der umschalttaste im zehn-finger-system den kleinen finger stark beansprucht, macht die großschreibung einen text lesefreundlich und lässt ihn nicht aussehen wie ein bekennerschreiben der rote armee fraktion.

      Wie sonst will man den Unterschied deutlich machen zwischen „Der Gefangene floh“ und „Der gefangene Floh“? Auch die Sätze „Er hat Liebe Genossen“ oder „Helft den armen Vögeln“ entwickeln durch Groß- und Kleinschreibung eine gewisse Varianz in der Bedeutung.

      Selbst wenn das dicke gelbe Buch seit der Rechtschreibreform nicht mehr offiziell „maßgeblich in allen Zweifelsfällen“ ist und das Bundesverfassungsgericht höchstrichterlich entschieden hat, dass im Privatleben jeder schreiben darf, wie er lustig ist, so bleibt der Duden mit seinen rund hundertfünfunddreißigtausend Stichwörtern doch immer noch die höchste Instanz für alle, die es nicht anficht, von einem unwissenden Banausen als „Spiesser“ beschimpft zu werden.

      Zugegeben hatten in der Schule diejenigen mit den meisten Fehlern im Diktat gewöhnlich die schärfsten Mädchen an ihrer Seite, die ihre schlechten Noten auch noch besonders cool fanden. Doch mal ehrlich: Wer möchte schon mit einer Frau dauerhaft zusammen sein, die sagt: „Da werden Sie geholfen“ oder „besser als wie man denkt“? Selbst Dieter Bohlen hatte bereits nach vier Wochen Ehe genug von Verona Feldbusch und ging juristisch gegen ihre Behauptung vor: „Hier wurde mir verprügelt.“ Danach hat sich der Poptitan bekanntlich nur noch mit hochbegabten Intelligenzbestien liiert – wenn sie nicht in „Gaby’s Frisierstube“ gelandet sind.

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