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Im Nußholz könne er von dem Sperber gefangen werden; Elstern und Krähen gab es überall, und denen sollte er nicht zu sehr trauen, und sobald die Dämmerung hereinbrach, müsse er die Ohren gut aufmachen und nach den großen Eulen horchen, die mit so lautlosem Flügelschlag geflogen kommen, daß sie ihm ganz nahe kommen konnten, ehe er sie bemerkte.

      Als der Junge hörte, daß es so viele gab, die ihm nach dem Leben trachteten, konnte er wohl einsehen, daß er es ganz unmöglich behalten durfte. Er fürchtete sich nicht so schrecklich davor, zu sterben, aber er hatte keine Lust, aufgefressen zu werden, und deswegen fragte er Akka, was er tun könne, um sich gegen die Raubmörder zu schützen.

      Akka antwortete sogleich, der Junge müsse sehen, gut Freund zu werden mit dem kleinen Tiervolk in Feld und Wald, mit dem Eichhörnchenvolk und dem Hasenvolk, mit Finken und Meisen und Spechten und Lerchen. Hätte er die zu Freunden, so konnten sie ihn vor Gefahren warnen, ihm Schlupfwinkel verschaffen und bei drohender Gefahr konnten sie sich zusammenrotten und ihn verteidigen.

      Aber als der Junge späterhin am Tage den Rat befolgen wollte und sich an Sirle, das Eichhörnchen, wandte, um seine Hilfe zu erbitten, stellte es sich heraus, daß das Eichhörnchen ihm nicht helfen wollte. »Nein, weiß Gott, du hast nichts Gutes von mir oder den andern kleinen Tieren zu erwarten,« sagte Sirle. »Meinst du, wir wissen nicht, daß du der Gänsejunge Nils bist, der im vorigen Jahr Schwalbennester herunterholte, Stareneier zerschlug, junge Krähen in die Mergelgrube warf, Drosseln und Dohlen fing und Eichkätzchen in ein Bauer steckte. Du mußt dir selbst helfen, so gut du kannst, und du mußt dich freuen, daß wir uns nicht gegen dich zusammenrotten und dich zu deinesgleichen nach Hause jagen!«

      Diese Antwort war gerade von der Art, wie sie der Junge, als er noch der Gänsejunge Nils gewesen, nie ungestraft gelassen hätte, aber nun war er bange, daß auch die wilden Gänse erfahren könnten, wie schlimm er gewesen war. Er hatte sich davor gefürchtet, nicht bei den wilden Gänsen bleiben zu dürfen, daß er es gar nicht gewagt hätte, dumme Streiche zu machen, nachdem er in ihre Gesellschaft geraten war. Er konnte ja freilich nicht viel Schaden anrichten, so klein, wie er war, aber er hätte ja doch viele Vogelnester zerstören und viele Eier zerschlagen können, wenn er Lust dazu gehabt hätte. Aber nun war er so brav gewesen, er hatte nicht eine einzige Feder aus einem Gänseflügel gezupft, hatte keinem eine unhöfliche Antwort gegeben, und jeden Morgen, wenn er Akka guten Tag sagte, hatte er die Mütze abgenommen und einen Diener gemacht.

      Den ganzen Donnerstag dachte er darüber nach, daß ihn die wilden Gänse sicher wegen seiner Boshaftigkeit nicht mit nach Lappland hinaufnehmen wollten. Und als er am Abend hörte, daß Sirle, Eichhörnchens Frau, geraubt war und seine Kinder dem Hungertode nahe waren, beschloß er, ihnen zu helfen, und wie gut ihm das gelang, ist bereits erzählt worden.

      Als der Junge am Freitag in den Park hineinkam, hörte er in einem jeden Gebüsch die Buchfinken davon singen, wie Sirle, Eichhörnchens Frau, von bösen Räubern ihren neugeborenen Jungen entführt war, und wie sich der Gänsejunge Nils unter die Menschen gewagt und ihr die kleinen Eichhörnchenkinder gebracht hatte.

      »Wer ist nun im Park von Övedkloster so angesehen,« sangen die Buchfinken, »wie Däumling, er, vor dem alle so bange waren, damals, als er noch der Gänsejunge Nils war? Das Eichhörnchen will ihm Nüsse geben, die Hasen wollen mit ihm spielen, die Rehe wollen ihn auf den Rücken nehmen und mit ihm davonlaufen, wenn Reineke Fuchs sich naht, die Meisen wollen ihn vor dem Sperber warnen, und die Finken und Lerchen wollen von seiner Heldentat singen!«

      Der Junge war ganz sicher, daß sowohl Akka als auch die wilden Gänse dies alles hörten, aber trotzdem verging der ganze Freitag, ohne daß sie sagten, er könne bei ihnen bleiben.

      Bis zum Sonnabend weideten die Gänse auf den Feldern um Öved herum, ungestört durch Reineke Fuchs. Aber am Sonnabendmorgen, als sie auf den Acker hinauskamen, lag er auf der Lauer und folgte ihnen von einem Felde zum andern, so daß sie keine Ruhe zum Fressen finden konnten. Als es Akka klar wurde, daß er nicht die Absicht hatte, sie in Frieden zu lassen, faßte sie schnell ihren Entschluß, schwang sich in die Luft empor und flog mit der ganzen Schar mehrere Meilen weit. Erst in der Nähe von Vittskövle ließ sie sich nieder.

      Aber hier bei Vittskövle ereignete es sich, wie bereits erzählt ist, daß der weiße Gänserich gestohlen wurde. Hätte nicht der Junge alle seine Kräfte eingesetzt, um ihm zu helfen, so wäre er nie wieder zum Vorschein gekommen.

      Als der Junge am Sonnabendabend mit dem Gänserich wieder an den Bombsee zurückkam, fand er, daß er ein gutes Tagewerk getan hatte, und war sehr neugierig, was Akka und die wilden Gänse sagen würden. Und die wilden Gänse kargten keineswegs mit Lob, aber das, was zu hören er sich sehnte, sagten sie nicht.

      Dann wurde es wieder Sonntag. Eine ganze Woche war vergangen, seit der Junge verhext wurde, und er war noch immer ebenso klein.

      Aber er schien sich die Sache nicht zu Herzen zu nehmen. Am Sonntagnachmittag saß er tief drinnen in einem großen Weidenbusch unten am See und blies auf einer Rohrflöte. Rings um ihn herum saßen so viele Meisen und Buchfinken und Stare, wie der Busch nur fassen konnte, und zwitscherten Lieder, die er nachzuspielen bemüht war. Aber der Junge war nicht sonderlich bewandert in der Kunst und blies so falsch, daß sich allen den kleinen Singemeistern die Federn sträubten, und sie schrien und schlugen verzweifelt mit den Flügeln. Der Junge lachte so herzlich über ihren Eifer, daß er die Flöte fallen ließ.

      Er fing wieder von vorne an, es ging aber so schlecht, daß die kleinen Vögel jammerten: »Heute spielst du noch schlechter als sonst, Däumling. Du bläst keinen richtigen Ton. Wo hast du nur deine Gedanken, Däumling?«

      »Die sind anderswo,« sagte der Junge, und so war es auch. Er saß da und dachte daran, wie lange er wohl noch Erlaubnis erhielt, bei den wilden Gänsen zu bleiben, – ob er am Ende noch am heutigen Tage nach Hause geschickt werden würde.

      Plötzlich warf der Junge die Flöte hin und sprang von dem Busch herunter. Er hatte Akka und alle Gänse in einer langen Reihe auf sich zukommen sehen. Sie gingen so ungewöhnlich langsam und feierlich, daß der Junge sofort dachte, jetzt würde er wohl erfahren, was sie mit ihm zu tun gedächten.

      Als sie endlich still standen, sagte Akka: »Du kannst allen möglichen Grund haben, dich über mich zu wundern, Däumling, weil ich dir nicht gedankt habe, als du mich von Reineke Fuchs errettetest. Aber ich gehöre zu denen, die lieber durch die Tat als mit Worten danken. Und nun, glaube ich, ist es mir gelungen, dir einen großen Dienst zu leisten, Däumling! Ich habe zu dem Kobold geschickt, der dich verhext hat. Anfangs wollte er nichts davon hören, dir zu helfen, aber ich habe ihm einen Boten nach dem andern geschickt und ihn wissen lassen, wie gut du dich bei uns aufgeführt hast. Er läßt dich jetzt grüßen und dir sagen, daß du, sobald du nach Hause zurückkehrst, wieder ein Mensch werden wirst.«

      Aber so sehr sich der Junge gefreut hatte, als die wilde Gans zu reden anhub, so betrübt war er, als sie geendet hatte. Er sagte kein Wort, sondern wandte sich ab und weinte.

      »Was in aller Welt ist denn das?« sagte Akka. »Es scheint ja, als hättest du dir mehr gewünscht, als ich dir eben angeboten habe.«

      Aber der Junge dachte an sorgenfreie Tage und muntere Kurzweil, an Abenteuer und Freiheit und Reisen hoch oben über der Erde; das alles sollte ihm jetzt entgehen! Er weinte geradezu vor Kummer. »Ich mache mir nichts daraus, Mensch zu werden.« sagte er. »Ich will mit euch hinauf nach Lappland.« – »Jetzt will ich dir etwas sagen,« entgegnete Akka: »Der Kobold ist leicht beleidigt, und ich fürchte, wenn du sein Anerbieten jetzt nicht annimmst, wird es dir nicht leicht werden, ein zweites Mal Zutritt zu ihm zu erlangen.«

      Es war sonderbar mit dem Jungen – sein ganzes Leben lang hatte er sich niemals etwas aus jemand gemacht. Er hatte sich nichts aus Vater und Mutter gemacht, nichts aus seinem Lehrer, nichts aus seinen Schulkameraden, nichts aus den Jungen auf den Nachbarhöfen. Und alles, wozu sie ihn veranlassen wollten, sei es Spiel oder Arbeit, hatte er langweilig gefunden. Deswegen entbehrte er jetzt niemand, sehnte sich nach niemand.

      Die einzigen, mit denen er sich jemals hatte vertragen können, waren das Gänsemädchen Aase und der kleine Mads, ein paar Kinder, die Gänse

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