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Hauptarbeitsgebiet ist die prähistorische Kunst und die Kunst der Naturvölker, ferner die italienische Renaissance und die neuere Kunst seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. Im Sommer dieses Jahres veröffentlichte ich im Delphin-Verlag in München ein Buch über: «Die Malerei der Eiszeit». (UAK Zug. 197/769)

      Am 7.9.1922 bat Herbert Kühn die Philosophische Fakultät der Universität zu Köln um die Zulassung als Privatdozent für das Fach prähistorische Kunst und die Kunst der Naturvölker. Er legte, wie das üblich war, polizeiliche Führungszeugnisse vor sowie den oben zitierten, handschriftlichen Lebenslauf. Ausserdem seine Habilitationsschrift mit dem Titel: «Der Sensorismus der paläolithischen Kunst.»

      Dr. A. E. Brinckmann, Professor für Kunstgeschichte, lieferte am 1.12.1922 ein kurzes, sehr positives Urteil zu Herbert Kühns Habilitations-Schrift ab. Zwar konnte er sich nicht mit bestimmten Stufen- und Stileinteilungen Herbert Kühns einverstanden erklären aber er schätzte an der Arbeit, dass Herbert Kühn das vorhandene paläolithische Material stilpsychologisch untersuchte, während es vorher nur ethnologisch und archäologisch bearbeitet wurde. (UAK Zug. 197/769) A.E. Brinkmann beendete sein Gutachten: Die gesamte Arbeit macht auf mich einen wissenschaftlich ausgezeichneten Eindruck, und ich begrüsse es sehr, das gesamte Material unter Gesichtspunkten verarbeitet zu sehen, nach denen sich die neuere Kunstwissenschaft richtet. Gerade eine solche Auffassung macht die Behandlung dieser Epoche für den neueren Kunsthistoriker wertvoll, und so würde ich eine Habilitation des Herrn Kühn zur Unterstützung des Lehrstuhls für neuere Kunstgeschichte sehr begrüssen. (UAK Zug. 197/769)

      Gustav Kossina hatte Herbert Kühns Schrift bereits für die Veröffentlichung in der Mannus- Bibliothek erworben, was wohl auch zu A.E. Brinckmanns positiver Einstellung beitrug.

      Ganz anders Professor Willy Foy, der am 11.1.1923 Herbert Kühns Habilitations-Schrift vernichtend begutachtete. (UAK Zug. 197/769)

      Willy Foy war der Direktor des städtischen Rautenstrauch-Joest-Museum, das städtische Museum für Völkerkunde von Köln am Ubierring. Er war Ethnologe und Honorarprofessor an der Universität zu Köln.

      Willy Foy warf Herbert Kühn massive chronologische und typologische Fehler vor. So, beispielsweise, dass Herbert Kühn, entgegen dem zeitgenössischen Forschungsstand, das Jungpaläolithikum zu einer Einheit zusammenfasste. Das führe dazu, so Willy Foy, dass Herbert Kühn Tierzeichnungen, die in allen drei jungpaläolithischen Kulturperioden vorkämen, direkt mit den «weiblichen Rundfiguren» in Zusammenhang sähe, die ja nur in einer der Kulturperioden vorkämen. (UAK Zug. 197/769)

      Die genaue historische Einordnung und Abgrenzung der einzelnen Kunstform ist aber für ihre Auffassung und Erklärung nicht ohne Belang. ... Man hat daher keinen Anlass sie (die «weiblichen Rundfiguren» Anm. der. Verf.in) nach den Tierdarstellungen zu beurteilen und etwa in der sinnlichen Begierde den schöpferischen Anlass zu sehen. (UAK Zug. 197/769) Auch auf ethnologischem Gebiet warf Willy Foy Herbert Kühn Unrichtigkeiten vor. Sowohl in ethnologischen als auch in prähistorischen Zusammenhängen seien Tierplastiken immer den jüngeren und vor allen Dingen totemistischen Kulturstufen zuzuordnen. Da Herbert Kühn eben diese Stufen nicht sauber trenne, würde er auch das durcheinander werfen. (UAK Zug. 197/769)

      Es geht also nicht an, mit Kühn die Tierplastik in ihrer Entstehung oder Bedeutung nach ohne Weiteres als gleichartig mit den Tierzeichnungen zu betrachten. Während letztere wohl wirklich als Mitteilung und Erinnerungsbild geschaffen sind, könnte bei der Ausbildung der Tierplastik der Totemismus mit ihm Spiele sein, da sie ja, wie die aussereuropäischen Vorkommnisse lehren, mit dem Totemismus zusammen einer und derselben Kulturschicht angehört. (UAK Zug. 197/769)

      Wo Herbert Kühn stilpsychologische, überall geltende Gesetzmässigkeiten sah, versuchte Willy Foy mit Gegenbeispielen nachzuweisen, dass das nicht der Fall sein könne. Er warf Herbert Kühn neben allem Anderen auch noch eine eingeschränkte, «recht einseitige», Materialauswahl vor. (UAK Zug. 197/769)

      Der wissenschaftliche Boden wird dort verlassen, wo in die Ornamentik, in das Dreieck, den Kreis, die Spirale viel zu viel hineingeheimnisst wird. Die dabei zu Tage tretende Phrasenhaftigkeit ist besonders deutlich aus dem ersten Abschnitt auf S. 163 zu ersehen. (UAK Zug. 197/769)

      Besonders letztes Zitat wird uns noch einmal unter Punkt 5.5. beschäftigen, der Herbert Kühns wissenschaftliches Werk begutachtet.

      Genauso vernichtend wie seine Habilitationsschrift beurteilte Willy Foy Herbert Kühns Buch: «Die Kunst der Primitiven».

      Nachdenklich allerdings macht das letzte Argument Willy Foys, in dem er ausführte, dass Herbert Kühn überall auf der Welt unabhängige Entwicklungen und autochthone Entstehung von Kunststilen sähe. (UAK Zug. 197/769)

      Kein Wort von den neuerdings festgestellten intimen Übereinstimmungen des altamerikanischen Kalenders mit den asiatischen Hochkulturen! ... oder wenn eine holzgeschitzte Figur der nordwestamerikanischen Indianer ..., die schon in der Kleidung und im Faltenwurf unweigerlich fremden Einfluss verrät, als eine ausserordentliche Leistung der Indianerkunst gepriesen wird. (UAK Zug. 197/769)

      Willy Foy glaubte nicht, dass Herbert Kühn der primitiven Kunst gegenüber nüchtern und wissenschaftlich sein könne und rät von der Habilitation ab.

      Aufgrund dieses negativen Gutachtens, schlugen die Mitglieder des Ausschusses, unter anderen: Friedrich van der Leyen, Professor für Deutsche Philologie, Ältere Germanistik, Altnordisch und Deutsche Volkskunde, Justus Hashagen, Professor für Mittlere und Neuere sowie Rheinische Geschichte vor, weitere Gutachter heranzuziehen. Man empfahl insbesondere auch ein Gutachten von Gustav Kossinna einzuholen.

      Der ordentliche Professor für Geographie, Franz Thorbecke verfasste am 11.2.1923 ebenfalls ein sehr kritisches Gutachten zu Herbert Kühns Habilitations-Schrift und schrieb in einem Begleitbrief dazu einen Tag später: Ich bin nicht dafür, dass Dr. Kühn die venia auch für Kunst der Naturvölker erhält. – Über prähistorische Kunst steht mir kein Urteil zu, das ist Sache vom Kollegen Foy.

      Gustav Kossinnas Gutachten scheint dann die Waagschale für Herbert Kühn gewendet zu haben. Er schrieb am 17.2.1923 in seinem sehr kurzen Gutachten: Alles in Allem eine hervorragende Arbeit, würdig von der philosophischen Fakultät und der Universität Köln unbedingt angenommen zu werden. (UAK Zug. 197/769)

      Auch Carl Schuchhardt kam in einem Gutachten vom 16.3.1923 zu einem positiven Ergebniss. (UAK Zug. 197/769)

      Dazwischen, Anfang Februar 1923, hatte sich der Dekan in Jena nach der Note von Herbert Kühns Promotion erkundigt, da die auf seinem Doktordiplom nicht ersichtlich sei. Herbert Kühn hatte seinen Doktorhut in Jena nur mit der Note `rite` erlangt, wie ihm der Dekan der Philosophischen Fakultät von Jena eine Woche später antwortete. (UAK Zug. 197/769) Gleichzeitig zu diesem sehr kontroversen Gutachterverfahren, in dessen Schriften sich meiner Meinung nach der Dissens zwischen einer eher geisteswissenschaftlich orientierten Prähistorie, nach dem Vorbild Oswald Menghins und einer systematischeren Richtung spiegelte, findet sich noch eine Beschuldigung gegen Herbert Kühn in den Akten: Konrad Theodor Preuss, Ethnologe, Professor und Direktor am Staatlichen Museum für Völkerkunde schrieb am 1. Mai 1923 an Willy Foy einen Brief, in dem er Herbert Kühn der Unredlichkeit im Umgang mit einer mexicanischen Steinfigur bezichtigte. Er beschuldigte Herbert Kühn, eine Steinfigur aus Mexico widerrechtlich mitgenommen und in einem Antiquitätengeschäft zum Verkauf angeboten zu haben. Willy Foy gab den Brief zur Kenntnissnahme an den Dekan der Philosophischen Fakultät, Dr. Schneider, weiter.

      Herbert Kühn musste dazu Stellung nehmen und sich verteidigen, was er Anfang Juni in einem sehr ausführlichen Schreiben über viele Seiten hin tat. Umgehend, am 20. Juni, wiederholte Konrad Theodor Preuss seine Vorwürfe noch einmal ausführlich sowie am 30. Juni.(UAK Zug. 197/769)

      Letztlich scheinen die positiven Stimmen zu Herbert Kühns Habilitationsschrift doch den Ausschlag gegeben zu haben. Er habilitierte sich in Köln mit seiner Arbeit: «Der Sensorismus der paläolithischen Kunst». Was dem Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung durch Kuratorium und Rektor der Universität am 29.9.1923 mitgeteilt wurde. Aufgrund seiner Habilitations-Schrift und des am 23.7.1923 gehaltenen Vortrages: «Entwicklungsstufen der paläolithischen Kunst» erhielt Herbert

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