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wird der Fuß zurückgezogen. – Und nun bitte ich Sie nur um eines.«

      »Ja?« fragt Thiel.

      »Sie sind eben der Beherrschte gewesen und ich der Schreier. Mag angehen, daß sich heute noch einmal unsere Rolle ändert. Dann denken Sie daran, daß Sie jede Schmähung, jede Beleidigung ohne Widerspruch ertragen müssen, hören Sie, müssen. Daß ein guter Vollstreckungsbeamter keine Strafanträge wegen Beleidigung stellt, sondern vollstreckt. Daß Sie nie die Hand heben dürfen, selbst wenn ein anderer die Hand hebt. Es gibt immer zu viel Zeugen gegen Sie. Es gibt nur Zeugen gegen Sie. Wollen Sie daran denken? Wollen Sie mir das versprechen?«

      Thiel hebt die Hand.

      »Können Sie es auch halten?«

      »Ja«, sagt Thiel.

      »Dann also: gehen wir dem Päplow in Gramzow seine beiden Ochsen versteigern.«

       2

      Die Uhr geht auf elf. Es ist immer noch Vormittag, und die beiden Finanzbeamten haben sich eben die Hand gegeben auf der Chaussee nach Gramzow.

      Im Krug von Gramzow ist es drangvoll. Alle Tische sind besetzt. Die Bauern sitzen vor Bier und Grog, auch die Schnapsgläser fehlen nicht. Aber es ist fast still im Gastzimmer, kaum ein Wort wird laut. Es ist, als horchten alle nach hinten.

      Hinten in der Wirtsstube sitzen auch Bauern, um den Tisch mit der Häkeldecke unter dem Nussbaumregulator. Sieben Bauern sitzen dort, einer steht an der Tür, der achte. Im Sofa sitzt hinter seinem Grog ein Langer mit scharfgeschnittenem Gesicht voll unzähliger Falten, mit kalten Augen und schmalen Lippen. »Also«, spricht er und bleibt sitzen, »ihr, eingesessene Bauern von Gramzow, habt gehört, was der Bauer Päplow vorzubringen hat gegen den Entscheid des Finanzamtes in Altholm. Wer für ihn ist, hebe die Hand. Wer gegen den Bauern ist, lasse sie ungekränkt unten. Jeder tue, wie ihm dünkt, aber nur, wie ihm dünkt. – Stimmt ab.«

      Sieben Hände erheben sich.

      Der lange Bartlose steht aus dem Sofa auf. »Stoß die Tür auf, Päplow, zum Gastzimmer, daß alle hören. Ich verkünde den Beschluss der Bauern von Gramzow.«

      Die Tür geht auf und im gleichen Augenblick erheben sich die Bauern draußen. Der Lange fragt durchs Lokal zu einem weißbärtigen Bauern an der Außentür: »Sind die Wachen besetzt?«

      »Sie sind besetzt, Vorsteher.«

      Der Lange fragt nach der Tonbank mit dem kleinen wieselartigen Wirt: »Ist kein Weibervolk in der Nähe, Krüger?«

      »Kein Weibervolk, Vorsteher.«

      »So verkünde ich, der Gemeindevorsteher Reimers von Gramzow, den Beschluss der Bauernschaft, gefaßt von ihren erwählten Vertretern:

      Es liegt ein Entscheid des Finanzamtes Altholm vom 2. März vor gegen den Bauern Päplow, daß er zu zahlen hat an rückständiger Einkommensteuer aus dem Jahre 1928 vierhundertunddreiundsechzig Mark.

      Wir haben zu diesem Entscheid den Bauern Päplow gehört. Er hat geltend gemacht, daß dem Entscheid die Durchschnittsertragsberechnung für Höfe dieser Gegend zugrunde liegt. Daß dieser Durchschnittsbetrag auf sein Anwesen aber keine Anwendung finden könne, weil er im Jahre 1928 außerordentliche Schädigungen erlitten hat. Zwei Pferde sind ihm eingegangen an Kolik. Eine Stärke ist beim Kalben verreckt. Seinen Vater, den Altenteiler, hat er ins Krankenhaus nach Altholm schaffen müssen und dort über ein Jahr erhalten.

      Diese Gründe zum Steuernachlass sind dem Finanzamt bekannt gemacht, sowohl direkt durch den Bauern Päplow wie durch mich, den Gemeindevorsteher. Das Finanzamt hat die Veranlagung aufrechterhalten.

      Wir Bauern von Gramzow erklären den Beschluss des Finanzamtes Altholm für null und nichtig, weil er einen Eingriff in die Substanz des Hofes bedeutet. Wir verweigern dem Finanzamt und seinem Auftraggeber, dem Staat, jede Mithilfe in dieser Sache, es geschehe uns Liebes oder Leides.

      Die vor 15 Tagen vorgenommene Pfändung zweier gut angegraster Ochsen des Bauern Päplow ist nichtig. Wer bei der heute angesetzten Versteigerung dieser Ochsen ein Gebot auf sie abgibt, soll von Stund an nicht mehr Glied der Bauernschaft sein. Geächtet soll er sein, niemand darf ihm Hilfe leisten, sei es in Nöten der Wirtschaft, des Leibes oder der Seele. In Acht soll er sein, in Gramzow, im Kreise Lohstedt, im Lande Pommern, im Staate Preußen, im ganzen Deutschen Reiche. Niemand darf zu ihm sprechen, niemand darf ihm die Tageszeit bieten. Unsere Kinder sollen nicht mit seinen Kindern sprechen, und unsere Frauen sollen nicht mit seiner Frau reden. Er lebe allein, er sterbe allein. Wer gegen einen von uns handelt, hat gegen uns alle gehandelt. Der ist heute schon tot.

      »Habt ihr alle gehört, Bauern von Gramzow?«

      »Wir haben gehört, Vorsteher.«

      »So handelt danach. Ich schließe die Bauernversammlung. Die Wachen sind zurückzuziehen.«

      Die Tür zwischen Gast- und Wirtsstube geht wieder zu. Der Gemeindevorsteher Reimers setzt sich, wischt sich die Stirn ab und tut einen Zug vom kalt gewordenen Grog. Dann sieht er auf die Uhr. »Fünf Minuten bis elf. Es wird Zeit, daß du verschwindest, Päplow, sonst kann dir der Knecht vom Finanzamt das Protokoll vorlesen.«

      »Ja, Reimers. Aber wie wird es, wenn sie die Ochsen forttreiben?«

      »Sie werden die Ochsen nicht forttreiben, Päplow.«

      »Wie willst du es hindern? Mit Gewalt?«

      »Keine Gewalt. Nie Gewalt gegen diesen Staat und seinen Verwaltungsapparat Ich weiß etwas anderes.«

      »Wenn du etwas anderes weißt ... Es müßte nur sicher sein. Ich brauche das Geld für die Ochsen.«

      »Es ist sicher. Morgen wissen alle Bauern im Land, wie man in Gramzow mit dem Finanzamt fertig wird. Geh nur ruhig.«

      Der Bauer Päplow geht durch die Hintertür über den Hof hinaus, verschwindet an einem Knick. Die sieben Bauern gehen in die volle Gaststube.

       3

      Vor den Fenstern der Wirtschaft entsteht Bewegung: die beiden Beamten vom Finanzamt kommen. Jeder führt einen rotbunten Stier am Halfter.

      Sie sind auf dem Hof von Päplow gewesen. Irgendein Knecht war da und hat sie in den Stall gelassen zu den gepfändeten Tieren. Kein Bauer war zu sehen, keine Bäuerin, niemand, der Auftrag gehabt hätte, die Pfandsumme zu erlegen. So haben sie die Tiere aufgehalftert und sind mit ihnen zum Krug gekommen, die angesetzte und bekanntgemachte Versteigerung abzuhalten.

      Sie binden die Tiere ans Reek vor der Tür und treten in die Wirtschaft. Im Gastzimmer ist Gerede gewesen, halblauter Meinungsaustausch, auch ein Fluch vielleicht, als man die Männer sah mit den beiden Tieren. Nun ist es still. Aber dreißig, vierzig Bauern sehen stur auf die Beamten, sehen ihnen ins Gesicht und verziehen nicht das eigene.

      »Ist hier vielleicht Herr Päplow aus Gramzow?« fragt Kalübbe in die Stille.

      Die Bauern sehen auf ihn und den Jungen, keiner spricht.

      »Herr Päplow hier?« fragt Kalübbe mit erhobener Stimme.

      Keine Antwort.

      Kalübbe geht durch den Mittelgang der Gaststube zur Tonbank hin. Unter all den feindlichen Blicken geht er gehemmt und unbeholfen. Einen Stock, der über einer Lehne hängt, stößt er um. Er fällt polternd hin. Kalübbe bückt sich danach, hebt ihn auf, hängt ihn über die Lehne, sagt: »Pardon.«

      Der Bauer sieht ihn an, stur, dann zum Fenster hinaus, verzieht nicht das Gesicht.

      Kalübbe sagt zum Krüger: »Ich soll hier eine Versteigerung abhalten, wie Sie wissen. Wollen Sie mir einen Tisch hersetzen lassen?«

      Der Krüger murrt: »Hier ist kein Tisch und kein Raum für einen Tisch.«

      »Sie wissen, daß Sie Platz zu machen haben.«

      »Wie soll ich es machen, Herr? Wen soll ich fortschicken? Vielleicht machen Sie sich Platz, Herr?«

      Kalübbe sagt mit Nachdruck:

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