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ließ schweigend seine Augen über seine eigene Gestalt, dann über sein Zimmer hingleiten und wiederholte mechanisch:

      »Ins Ausland!«

      »Was hindert Sie denn daran?«

      »Welche Frage! Alles . . .«

      »Wieso denn alles? Haben Sie kein Geld?«

      »Ja, ja, ich habe wirklich kein Geld«, versetzte Oblomow lebhaft; er freute sich über dieses allernatürlichste Hindernis, hinter das er sich vollständig verschanzen konnte. »Sehen Sie nur einmal, was mir mein Dorfschulze schreibt . . . Wo ist der Brief nur? Wo habe ich ihn gelassen? Sachar!«

      »Gut, gut«, sagte der Arzt. »Das ist nicht meine Sache; meine Pflicht ist, Ihnen zu sagen, daß Sie Ihre Lebensweise ändern müssen, Ihren Wohnort, die Luft, Ihre Beschäftigung – alles, alles.«

      »Gut, ich werde es mir überlegen«, sagte Oblomow. »Wohin soll ich denn fahren, und was soll ich tun?« fragte er.

      »Fahren Sie nach Kissingen oder nach Ems«, erwiderte der Arzt. »Verbringen Sie da den Juni und den Juli; trinken Sie Brunnen. Begeben Sie sich dann nach der Schweiz oder nach Tirol: machen Sie eine Traubenkur durch; verbringen Sie dort den September und Oktober . . .«

      »Weiß der Teufel, wo ich überall hin soll; nach Tirol!« flüsterte Ilja Iljitsch kaum hörbar.

      »Dann irgendwohin in eine trockene Gegend, zum Beispiel nach Ägypten . . .«

      »Auch das noch!« dachte Oblomow.

      »Verscheuchen Sie die Sorgen und Bekümmernisse . . .«

      »Sie haben gut reden«, bemerkte Oblomow. »Sie bekommen keine solchen Briefe von einem Dorfschulzen . . .«

      »Desgleichen müssen Sie das Denken vermeiden«, fuhr der Arzt fort.

      »Das Denken?«

      »Ja, geistige Anstrengung.«

      »Und mein Plan für die Einrichtung des Gutes? Ich bitte Sie, bin ich denn ein gefühlloser Klotz?«

      »Na, tun Sie, was Sie wollen! Meine Pflicht ist es nur, Sie zu warnen. Auch vor Leidenschaften müssen Sie sich hüten: sie schaden der Kur. Sie müssen sich zu zerstreuen suchen: durch Spazierritte, durch Tanzen, durch mäßige Bewegung in reiner Luft, durch angenehme Gespräche, namentlich mit Damen, damit das Herz leicht schlägt und nur infolge von angenehmen Empfindungen.«

      Oblomow hörte ihm mit gesenktem Kopfe zu.

      »Und ferner?« fragte er.

      »Hüten Sie sich zu lesen oder zu schreiben: davor wolle Sie Gott bewahren! Mieten Sie sich eine Villa, deren Fenster nach Süden liegen: recht viel Blumen, Musik und Frauen müssen Sie um sich haben . . .«

      »Und wie ist's mit der Nahrung?«

      »Vermeiden Sie Fleischnahrung, überhaupt jede tierische Nahrung, auch mehlreiche und stark gewürzte Kost. Sie können leichte Bouillon und Gemüse genießen; nur nehmen Sie sich in acht: jetzt kommen fast überall Cholerafälle vor; also muß man recht vorsichtig sein . . . Gehen können Sie täglich acht Stunden. Schaffen Sie sich ein Gewehr an . . .«

      »Herr Gott! . . .« stöhnte Oblomow.

      »Und endlich im Winter«, schloß der Arzt, »fahren Sie nach Paris; zerstreuen Sie sich dort im Wirbel des Lebens, seien Sie nicht melancholisch: fahren Sie vom Theater auf einen Ball; besuchen Sie Maskeraden, machen Sie Landpartien und Visiten; Sie müssen Freunde und Lärm und Gelächter um sich haben . . .«

      »Ist nicht sonst noch etwas nötig?« fragte Oblomow mit schlecht verhehltem Ärger.

      Der Arzt dachte nach.

      »Vielleicht würde Ihnen die Seeluft gut tun: setzen Sie sich in England auf einen Dampfer und fahren Sie nach Amerika hinüber . . .«

      Er stand auf und schickte sich an, sich zu empfehlen.

      »Wenn Sie das alles genau befolgen«, sagte er, »so . . .«

      »Gut, gut, ich werde es unbedingt befolgen«, antwortete Oblomow bissig, während er ihn zur Tür begleitete.

      Als der Arzt gegangen war, blieb Oblomow in einem ganz kläglichen Zustande zurück. Er schloß die Augen, legte beide Hände auf den Kopf, zog sich auf seinem Sessel zu einem Knäuel zusammen und saß so da, ohne nach etwas hinzublicken, und ohne etwas zu fühlen.

      Hinter ihm ließ sich ein schüchterner Anruf vernehmen:

      »Ilja Iljitsch!«

      »Nun?« antwortete er.

      »Was soll ich denn dem Hausverwalter sagen?«

      »Worüber?«

      »Nun, über das Umziehen.«

      »Fängst du schon wieder damit an?« rief Oblomow erstaunt.

      »Aber was soll ich denn tun, Väterchen Ilja Iljitsch? Sagen Sie selbst: mein Leben ist ja so schon ein recht trauriges; ich blicke in meinen Sarg hinein . . .«

      »Nein, mich willst du offenbar in den Sarg bringen mit deinem Umzug«, sagte Oblomow. »Hör' mal, was der Arzt sagt!«

      Sachar wußte nicht, was er noch sagen sollte; er seufzte nur so tief, daß die Enden seines Halstuches auf seiner Brust zitterten.

      »Du hast wohl beschlossen, mich umzubringen, nicht wahr?« fragte Oblomow wieder. »Du bist meiner wohl überdrüssig geworden, he? Na, so rede doch!«

      »Wie können Sie so etwas sagen? Möchten Sie lange und gesund leben! Wer wünscht Ihnen Übles?« brummte Sachar, den die tragische Wendung, die das Gespräch genommen hatte, ganz in Verwirrung brachte.

      »Du!« antwortete Ilja Iljitsch. »Ich habe dir verboten, von dem Umzuge noch ein Wort zu sagen; aber es vergeht kein Tag, wo du mich nicht fünfmal daran erinnerst: das muß mir ja auf die Nerven fallen – begreife das doch! Mit meiner Gesundheit ist es so wie so schon nicht weit her!«

      »Ich habe gedacht, gnädiger Herr, daß . . . warum sollten wir nicht umziehen? habe ich gedacht«, sagte Sachar mit einer Stimme, die vor innerer Aufregung zitterte.

      »Warum sollten wir nicht umziehen! Du urteilst darüber so leichthin!« antwortete Oblomow und drehte sich mitsamt dem Lehnstuhl zu Sachar um. »Hast du das auch ordentlich überlegt, was das heißt: umziehen? He? Gewiß hast du das nicht überlegt?«

      »Nein, so recht habe ich es nicht überlegt«, antwortete Sachar demütig, da er bereit war, seinem Herrn in allen Stücken beizustimmen, damit es nur nicht zu pathetischen Szenen käme, die ihm widerwärtiger waren als ein bitterer Rettich.

      »Wenn du es nicht überlegt hast, so höre zu, und dann sage selbst, ob wir umziehen können oder nicht. Was bedeutet das: umziehen? Das bedeutet: der Herr soll auf einen ganzen Tag ausgehen und vom Morgen an vollständig angekleidet sein . . .«

      »Was ist dabei, wenn Sie auch ausgehen?« versetzte Sachar. »Warum sollten Sie nicht einen ganzen Tag lang abwesend sein können? Es ist ja doch ungesund, immer zu Hause zu sitzen. Sehen Sie nur, wie kränklich Sie geworden sind! Früher waren Sie frisch und gesund wie eine Gurke; aber jetzt, wo Sie immer zu Hause sitzen, sehen Sie Gott weiß wie aus. Sie sollten auf den Straßen umhergehen und sich die Leute und sonst was ansehen . . .«

      »Schwatz nicht solchen Unsinn, sondern höre!« sagte Oblomow. »Auf den Straßen umhergehen!«

      »Ja, wirklich«, fuhr Sachar mit großem Eifer fort. »Da ist, wie es heißt, ein unerhörtes Wunderwesen hergebracht worden; das sollten Sie sich ansehen. Sie sollten ins Theater oder auf einen Maskenball gehen, und wir würden unterdessen hier in Ihrer Abwesenheit den Umzug bewerkstelligen.«

      »Schwatz keine Torheiten! Du sorgst ja vortrefflich für die Ruhe deines Herrn! Deiner Meinung nach soll ich mich den ganzen Tag herumtreiben; es kümmert dich nicht, daß ich Gott weiß wo und wie zu Mittag esse und mich nach dem Mittagessen nicht zum Ausruhen hinlegen kann . . . In meiner Abwesenheit

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