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worin ihnen gedroht wurde, die Blätter im ganzen Königreich polizeilich zu verbieten, wenn sie noch einmal versuchten, „einen Gegenstand der christlichen Verehrung" lächerlich zu machen."

      Andreas seufzte nur, denn ähnliche Rescripte und Verwarnungen, die er selber erhalten, gingen ihm im Kopf herum. /22/ „So viel ist sicher," sagte er endlich, „daß es selbst der Teufel besser hat als ein armes Dorfschulmeisterlein, denn wir werden nicht als Gegenstände der Verehrung, sondern als Fußschemel betrachtet, an denen sich Jeder ungestraft die Stiefel abtreten kann, und doch sollen wir eine neue Generation von Menschen heranbilden."

      „Bah," sagte der Teufel, „daran seid Ihr selber schuld und dürft Euch deshalb nicht darüber beklagen."

      „Wir?" rief Andreas verwundert.

      „Ja Ihr - weiter Niemand," nickte der Teufel leise vor sich hin. „Weshalb beschränkt Ihr Euch nicht darauf, die Kinder das zu lehren, was sie allein zu lernen brauchen, um gute Staatsbürger zu werden. Nachher hättet Ihr den Himmel auf Erden und säßet bis über die Ohren in der Wolle."

      „Ja aber -" sagte Andreas verdutzt, „was ist denn das eigentlich, und kann denn der Mensch überhaupt je zu viel lernen?"

      „Gewiß kann er, mein lieber Herr Pech, gewiß kann er," nickte der Teufel mit einem vergnügten Grinsen, „und er weiß jetzt schon eigentlich viel mehr, als ihm gut ist. Der Katechismus ist die Hauptsache - den muß er vor- und rückwärts auswendig kennen, Bibelsprüche meinetwegen so viel in den Kopf gehen, denn die halten seinen Geist von anderen gefährlichen Dingen ab. Außerdem lesen und schreiben und ein wenig rechnen, und meinetwegen auch ein wenig Geographie des bestimmten Landestheiles nämlich, in dem Ihr gerade lebt, mit vaterländischer Geschichte, d. h. um Gottes willen nicht Schlosser's Weltgeschichte, der viel mehr sagt, als irgend nöthig ist, sondern Erzählungen aus dem Leben der verstorbenen Landesväter, worin deren Tapferkeit, Milde, Weisheit, Güte und Gerechtigkeit dem Schüler zugleich mit dem Bewußtsein eingeprägt wird, daß alle diese Tugenden auf den noch lebenden und gerade regierenden Herrscher übergegangen sind. Außerdem Lateinisch und besonders alte römische Geschichte, in welcher sämmtliche Vorbilder von Freiheit und Republikanismus vollkommen ungefährlich sind, oder vielmehr durch den vortragenden Lehrer ungefährlich gemacht werden /23/ können. Er darf natürlich keine Vergleiche mit damals und jetzt ziehen und muß die Sache mehr als Mythe behandeln - weshalb ich auch besonders altgriechische Mythologie empfehle."

      „Aber Naturwissenschaften - Denkübungen."

      „Bah, seien Sie nicht kindisch!" sagte der Teufel. „Für Naturwissenschaften genügt einfache Naturgeschichte, worin erzählt wird, daß der Löwe, der König der Thiere, großmüthig, und die Schlange noch vom ersten Sündenfall her verdammt ist, im Staube zu kriechen. Allerdings hat sie auch vorher schon eben so wenig Beine gehabt wie jetzt, aber das schadet nichts. Statt Denkübungen lassen Sie die Kleinen dann ordentlich, besonders recht lange Gedichte auswendig lernen: Die Bürgschaft z. B., den Taucher, den Kampf mit dem Drachen, das Lied vom braven Mann und tausend andere. Das verhindert sie am sichersten, über etwas Selbstständiges nachzudenken und einen eigenen Ideengang zu verfolgen."

      „Aber, bester Herr," sagte Andreas halb verzweifelt, „Sie geben mir da Rathschläge, die das junge Volk nicht allein zu Grunde richten, nein, die es zu Dummköpfen machen müssen."

      „Reden Sie keinen Unsinn," sagte der Teufel ärgerlich, „von Zugrunderichten ist gar keine Rede; auf die Höhe der Zeit sollen sie gehoben werden. Die Wissenschaft muß umkehren, wenn sie den Weg, den sie gelaufen, überblicken und dadurch zu einer genauen Kenntniß ihrer selbst gelangen will. Apropos - Sie haben in vierzehn Tagen hier Schulvisitation, nicht wahr?"

      „Allerdings," sagte Andreas verwundert, „aber woher wissen Sie denn das schon?"

      „Weshalb sollte ich es nicht wissen? - Sie wünschen eine bessere Stelle, nicht wahr?"

      „Großer Gott," seufzte Andreas, „ich bin Dorfschulmeister in Holzhäusel, und damit ist wohl Alles gesagt."

      „Gut, haben Sie Ihre Vorbereitungen dazu getroffen?"

      „So viel in meinen Kräften stand, ja," sagte Andreas. „In der Geographie nehme ich jetzt die Vereinigten Staaten von Nordamerika durch, in der Geschichte bin ich bei Joseph II. von Oesterreich." /24/ „Jetzt thun Sie mir den Gefallen," fuhr der Teufel auf - „Sie müssen Ihren Verstand verloren haben! Was wissen die Bauernjungen von Joseph II., was brauchen sie von ihm zu wissen! Gehen Sie gleich Montag früh daran und pauken Sie den Rangen die Geschichte des unglückseligen Franz von Neapel ein und erfüllen Sie ihre kleinen Herzen mit Empörung über die dort verübte Ungerechtigkeit, darauf setzen Sie einige sechzig Sprüche und Psalmen."

      „Aber ich darf die Kinder nicht so viel auswendig lernen lassen," warf Andreas ein. „Die Eltern beklagen sich immer, daß ihnen damit zu viel Zeit zur Arbeit verloren geht, und die Leute sind ohnedies so arm."

      „Bah, Unsinn, was geht das Sie an?" sagte der Teufel. „Jeder ist sich selbst der Nächste, und ich garantire Ihnen, daß Sie versetzt werden."

      „Sie meinen wirklich?"

      „Mir dürfen Sie glauben - aber alle Wetter!" unterbrach er sich plötzlich, nach seiner Uhr sehend - „es ist spät geworden und ich muß fort – also, auf Wiedersehen, Herr Pech!"

      In dem Augenblick schreckte, dicht hinter Andreas, ein Rehbock, der hier im Mondenschein auf die Lichtung getreten war und natürlich keine Gesellschaft da vermuthen konnte. Er mußte auch ganz dicht herangekommen sein, als er die Witterung von etwas Verdächtigem bekam, und der laute Ton, den diese Thiere in einem solchen Fall gewöhnlich ausstoßen, machte, daß der überdies etwas erregte Schulmeister blitzschnell nach ihm herumfuhr. Das scheue Thier hielt sich aber nicht auf, sondern floh in langen Sätzen über den mondhellen Schlag, um sein schützendes Dickicht zu erreichen. Jetzt tauchte es in die Büsche; als aber Andreas den Kopf wieder seinem Besuch zudrehte, war dieser spurlos verschwunden und ein eigener moderartiger Geruch schien die Luft zu erfüllen. Der Schulmeister bemerkte auch jetzt erst, worauf er früher gar nicht geachtet, daß aus dem tiefer gelegenen Theil der kleinen Lichtung ein feiner, aber feuchter Nebel herausquoll - und wie weit war der Mond schon am Himmel hingerückt! Es mußte wahrhaftig spät geworden sein, und kalt war's auch, /25/ denn es fing an, ihn in Hemdsärmeln zu frösteln. Oder war das vielleicht die Scheu vor seinem unheimlichen Besuch? Er schaute sich vorsichtig nach rechts und links um, ob er die dunkle Gestalt nirgends mehr erkennen könne - aber die Lichtung war leer, und der schreckliche Gast dorthin verweht, woher er gekommen sein mußte - in die Luft.

      Den armen Schulmeister fing es jetzt an zu grausen. Wenn er nun noch einmal zurückkehrte und - der Teufel traue dem Teufel! Er zog rasch seinen Rock an, hob sich den fertigen Klotz, den er mitnehmen wollte, auf die Schulter, griff dann mit der andern Hand sein Werkzeug auf und schritt, so rasch ihn seine Füße trugen, der Heimath zu, wo er indessen auch wirklich schon mit schweren Sorgen erwartet wurde.

      „Aber, Andreas, um Gottes willen! wo bleibst Du denn nur bis so tief in die Nacht hinein?" rief ihm seine Frau entgegen, die in aller Sorge und Angst noch aufgeblieben, oder vielmehr wieder aufgestanden war - „wie bange ist mir schon um Dich geworden, und wenn ich nur den Weg gewußt, ich wäre selber hinausgelaufen, um Dich zu suchen."

      „Aber, liebes Kind," sagte der Mann verlegen, „so spät ist es doch noch gar nicht?"

      „So spät nicht?" rief aber die Frau, „schon lange ein Uhr vorbei."

      „Hm," sagte Andreas, der in dem Augenblick daran dachte, daß der Teufel gerade um ein Uhr verschwunden sein mußte - „es arbeitete sich heute Nacht so herrlich da draußen, daß ich gar nicht wieder fortkommen konnte und fast meinen ganzen Baum zertheilt habe."

      „Und Dich selber machst Du dabei krank und reibst Dich auf - und die feuchte Nachtluft ist doch wahrhaftig auch nicht gesund."

      „Die schadet mir nichts," sagte der Schulmeister freundlich, „sorge Dich nur nicht meinethalben. Die scharfe Bewegung in der gesunden Waldesluft hat mir viel mehr genutzt, als wehe gethan. Es ist freilich ein bischen spät geworden - ich wollte eigentlich gar nicht so lange ausbleiben, aber

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