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hier ein Platz, wo man die Fremdenlisten einsehen kann?"

      „Fremdenlisten?" frug Siftly erstaunt - „was willst Du mit denen? und wer bekümmert sich hier eigentlich um Die, die kommen oder gehen?"

      „Werden überhaupt Fremdenlisten geführt?"

      „Ich glaube, ja. Wenn man auch die Leute selber nicht mit Fragen belästigt, müssen wenigstens die Capitaine, so viel ich gehört habe, ihre Passagierlisten einreichen. Nur über die Tausende, die aus den Staaten über die Berge kommen, wird aus dem einfachen Grunde keine Controle geführt, weil das unmöglich wäre."

      „Die Schiffslisten genügen," sagte Hetson rasch, „und wo kann ich die einsehen?"

      „Ich glaube im Courthouse, wo ein Fremdenbureau errichtet ist, oder errichtet werden soll. Aber Du fürchtest doch nicht etwa einen Gläubiger? Hahaha, der müßte viel Geld mit herbringen, wenn er in jetziger Zeit eine derartige Klage gegen einen Amerikaner durchsetzen wollte. Ja, wenn Du ein Fremder wärst. Außerdem bist Du, so viel ich weiß, Advocat, und -"

      „Es ist kein Gläubiger," unterbrach Hetson finster den Redenden, „und die Sache, in der ich Dich um Deinen Rath bitten wollte, betrifft weder Geld noch Geldeswerth, sondern die Ruhe meines ganzen Lebens."

      „Was hast Du?" sagte Siftly erstaunt, „Du bist ja ganz außer Dir. Wen erwartest - oder wen fürchtest Du?"

      „Fürchten - Du hast das rechte Wort genannt," rief Hetson rasch, indem er des Mannes Arm ergriff und scheu über seine eigene Schulter sah, als ob er das Schreckgebilde, das seine Ruhe vergiftete, schon da, schon in seiner Nähe wähnte.

      „Fürchten - bah!" zischte aber der Amerikaner verächtlich zwischen den Zähnen durch. „Wenn es ein Wesen ist, dem sich mit Pulver und Blei oder kaltem Stahl beikommen läßt, was hast Du da zu fürchten? Ich fürchte den Teufel nicht!" /57/

      Hetson sah wild und stier in seine Augen. Es war, als ob ihm selber in dem Moment ein neuer Gedanke, ein Hoffnungsstrahl dämmere.

      „Und wer ist's?" frug Siftly jetzt mit ruhiger Stimme, während das verächtliche Lächeln seine Lippen noch immer nicht verlassen hatte.

      „Der Bräutigam meiner Frau!" flüsterte da Hetson.

      „Hahaha!" lachte der Amerikaner, „das ist allerdings eine wunderliche Verwandtschaft. Bist denn Du der nicht selber gewesen?"

      „Höre mich," sagte Hetson, mit vor innerer Aufregung fast heiserer Stimme. „Meine Frau war verlobt, ehe sie mich kennen lernte; sie hielt ihren Bräutigam für todt, heirathete mich und erhielt erst nach unserer Trauung die Nachricht, daß er noch lebe und sie aufsuchen wolle."

      „Und woher weißt Du das?"

      „Sie hat es mir selber gesagt - mir den Brief gezeigt."

      „Sie selber? Hm, dann ist die Sache auch nicht so gefährlich. Sie mag dann jedenfalls nichts mehr von ihm wissen."

      „Ich fürchte, sie liebt ihn heißer als je," flüsterte aber Hetson, „und thut nur das, was sie eben für ihre Pflicht hält."

      „Und weiß er, wo sie ist?"

      „Ich hoffe, nein - ich habe ihn wenigstens auf eine falsche Fährte gesetzt, falls er ihr nachforschen sollte. Aber wenn er nun doch -"

      „Du quälst Dich mit einem Hirngespinst," sagte da kopfschüttelnd der Amerikaner. „Wozu die vielen Wenn und Aber? Erst laß ihn kommen; nachher ist immer noch Zeit, ihn bei Seite zu schaffen, falls er gefährlich werden sollte. Es ist ein Landsmann?"

      „Nein - ein Engländer."

      „Ein Engländer? - puh, und deshalb das Aufheben!" lachte der Mann und machte sich von Hetson, der seinen Arm gefaßt hatte, los. „Ich hätte Dich für vernünftiger gehalten. Ist er gescheit, so folgt er Dir nicht nach, und käme er wirklich - wollten wir es ihm vertreiben, auf fremdem Revier zu jagen. Aber jetzt sag' mir, was ist Dir überhaupt eingefallen, mit einer Frau nach Californien zu kommen? Was um Gottes willen gedenkst Du hier mit ihr zu thun und wo zu bleiben? In der Stadt?"

      „Ich weiß es selbst noch nicht," sagte Hetson. - „Nur fort wollte ich - fort aus jener Gegend, wo ich jeden Augenblick fürchten mußte, mit einem Nebenbuhler zusammenzutreffen, und da war Californien -"

      „Das unglücklichste Land der Welt, das Du Dir hättest aussuchen können," unterbrach ihn Siftly. „In späterer Zeit mag es allerdings sein, daß auch Frauen und Familien hier herüberziehen; jetzt aber ist das ganze Land nur ein rauher Staat für Männer. Wie eine Fürstin könntest Du auch in jedem andern Deine Frau mit demselben Geld unterhalten, was es Dich hier kosten wird, ihr nur die nöthigsten Bedürfnisse zu verschaffen. Doch das ist eine Sache, die Du mit Dir selber auszumachen hast - apropos, wie heißt denn jener englische Herr, vor dem Du einen so heillosen Respect hast - wenn ich ja einmal zufällig mit ihm zusammentreffen sollte?"

      „Golway - Charles Golway."

      „Es ist gut - ich werde mir den Namen merken," nickte Siftly.

      „Und was soll ich jetzt thun?"

      „Du? - Nichts. Warte ab, bis er wirklich kommt, dann erklär' ihm ganz einfach, daß Du ihm ohne weitere Warnung eine Kugel durch den Kopf schießen würdest, so wie er nur ein einziges Wort mit Deiner Frau wechselt - und nachher mach' Deine Drohung wahr. Die Gesetze brauchst Du nicht zu fürchten; erstlich schützen sie Dich, wo Du so auffallend in Deinem Rechte bist, und - thäten sie es nicht, so sind wir selber Manns genug, das zu besorgen. Jetzt aber muß ich fort; ich habe überdies schon viel zu lange Zeit hier mit Dir verplaudert. Heut Abend findest Du mich wieder im Saal des Parkerhauses."

      „Aber das Courthouse?"

      „Ist jenes lange Gebäude dort drüben," sagte Siftly, mit dem Arm über die Plaza deutend, nickte Hetson zu und schritt rasch die der Bai zu führende Straße hinab. /59/

      4.

      Die Plaza von San Francisco.

      Die Plaza oder der Hauptplatz von San Francisco, jetzt ein mit prachtvollen und massiven Gebäuden umgebener Platz, zeigte im Sommer des Jahres 49 noch ein buntes Gemengsel von Holzbaracken und Zelten, wie sie die ersten Einwanderer nur flüchtig aufgeschlagen.

      Die obere Front nahm allerdings noch das alte Gerichtshaus ein, das, von ungebrannten Backsteinen, sogenannten adobes, erbaut, unter mexikanischer Herrschaft ausgerichtet worden. Sonst aber war in den wenigen Monaten, die seit der Entdeckung des Goldes erst verflossen, der spanische Charakter desselben schon ganz verschwunden und ein Stadtheil dort entstanden, der sich in seiner wunderlichen Mischung mit keinem andern Orte der Welt mehr vergleichen ließ. Nur an der unteren Front, dem Courthouse gerade gegenüber, stand ein einzelnes mehrstöckiges Holzgebäude, das schon erwähnte Parkerhaus, das ein Amerikaner Namens Parker aufgebaut und woraus er enormen Miethzins, theils von den Spieltischen, theils von Wirthschaft und Gastzimmern zog.

      Dicht daneben befand sich das El Dorado - später eine der prachtvollsten Spielhöllen der Welt - damals nur ein großes, weitgedehntes Zelt, und rechts und links reihten sich andere kleinere Zelte und Holzschuppen an, in denen fast in allen gespielt und getrunken wurde, und die für den Augenblick keinen andern Zweck hatten, als ihre Insassen nur wenigstens unter Dach zu bringen. Die Plaza bildete dabei den eigentlichen Mittelpunkt der Stadt, und während sie von den Hauptstraßen gekreuzt wurde, concentrirte sie den eigentlichen Verkehr San Franciscos. Was von Fremden in die Stadt kam, suchte vor allen Dingen diesen Ort auf, oder wurde von dem Menschenstrom dorthin gedrängt. Sämmtliche Hausirer besonders glaubten hier den vortheilhaftesten Platz zum Aus-/60/stellen ihrer Waaren zu finden, und boten diese theils in tragbaren Körben, theils auf rasch hingestellten und beweglichen Tischen aus. Eine Controle für diese Leute fand natürlich noch nicht statt, und wer irgend einen Gegenstand, feilbieten wollte, konnte seinen Ort sich selber dazu wählen. War er dem freien Verkehr dort, wohin er sich stellte, im Wege, so drängte ihn die Menschenmasse schon selber bei Seite. Der Hauptstrom der Menschenmenge wogte aber an den Häusern hin, und die Meisten schlenderten nur aus einem Spielzelt in das andere, oder gingen eben auf der dort vorüberführenden

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