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      4.

      Im Busch.

      In den Vereinigten Staaten von Nordamerika neckt den Neuangekommenen oft das Wort „der ferne Westen, den er vergebens, immer der Sonne nach, mit Eisenbahn, Dampfboot und im Sattel zu erreichen strebt. Je weiter er westlich kommt, desto weiter scheint der „ferne Westen" vor ihm zurückzuweichen, und selbst in den endlosen Wäldern, die westlich vom Mississippi liegen, in den Sümpfen, denen nur der Jäger und das Wild ihre Fährten eindrücken, spricht der erstere noch davon, daß er „nach dem Westen" ziehen wolle, weil die Bären dünner würden und ein Büffel schon zu den Naturmerkwürdigkeiten gehöre.

      Aehnlich nun geht es dem Neuangekommenen in Australien mit dem Busch, wenn er hier auch nicht so weit danach zu suchen hat. Die Bewohner von Sidney oder einer der übrigen Hafenstädte sind nicht selten geneigt, den Busch schon von der Grenze ihres Weichbildes an zu rechnen. Auf der Wanderung erfährt der Reisende aber bald, daß er noch weiter zurückliegt, und selbst die Stationen im wildesten Innern lassen den Busch noch nicht gelten, so weit ihre Fenzen reichen und ihre gebahnten, das heißt befahrenen Straßen gehen. Von dort aus können sie ihn aber nicht mehr verleugnen, dort beginnt er gleich in seiner wildesten Oede, mit Sand und Malleybüschen, mit Stachelschweingras und Salzbusch, und wie die Monstrositäten der australischen Vegetation alle heißen.

      Weite, entsetzlich weite, endlose Strecken dehnen sich da aus in Hügel und Ebene, aber ohne den freundlichen bestimmten Charakter, den sonst eine Hügelscenerie dem Lande giebt. Kein Tropfen Wasser fließt in diesen Strecken, kein klarer Bach rieselt durch die Thäler und bietet dem Wanderer /50/ oder Jäger einen festen oder bestimmten Lauf, dem er folgen könnte, die Einöde wieder zu verlassen. Wie die durch ein Wort der Allmacht festgebannten Wogen der See mit ihren Höhen und Tiefen gleichförmig eingeschnitten nach allen Richtungen hin sich verbreiten würden, so gerade ist es für Hunderte von Meilen mit dem Malleybusch, der sich nur an seiner Grenze in eine öde, salzige Fläche verliert, die sogar der eingeborene Schwarze nicht mehr zu betreten wagt. Hitze und feiner salziger Sandstaub bedrohen dort selbst sein Augenlicht, und kein Tropfen Wasser, das er noch hier und da in den wunderbar saftigen Wurzeln einiger Malleyarten zu finden weiß, würde den erschöpften, aufgeriebenen Körper vor dem Tode des Verschmachtens schützen können. Mit Kameelcn wäre es vielleicht möglich, in diese Wüste eine Strecke vorzudringen, aber selbst der Versuch würde zwecklos sein und hat schon viele Menschenleben gekostet. Möge da drinnen noch irgend eine bewohnbare Oase liegen oder nicht, wir Menschen würden sie schwerlich benutzen können - wären wir auch wirklich im Stande, sie zu erreichen. Zum Anbau wäre sie jedenfalls verloren, denn wo schon der heiße Wind, der aus der innern Wüste weht, die entferntest gelegenen Colonien mit seinem dörrenden Athem überstreicht und alle Vegetation versengt, da würde er dort drinnen, trotz allem Fleiß, trotz aller Aufopferung, ein Pflanzenleben nimmer aufkommen lassen. Und dann das Wasser! Selbst in den bewaldeten und bergigen Districten Australiens, in den blauen Bergen und dem andern trefflichen Waldlande, ist Wasser eine Seltenheit; die meisten gegrabenen Brunnen haben einen mehr oder weniger salzigen Geschmack. Vergebens ist da die Hoffnung, daß es im Innern jener Sand- und Salzwüste besser sein sollte, denn nicht einmal ein Flußbett zeigt, daß je eine Quelle von daher dem Meere zugeflossen sei.

      In den Malleybusch nun hinein, den Murray in der Nähe behaltend, um wenigstens von hier aus gegen Wasser Mangel geschützt zu sein, legen die australischen Squatter ihre Stationen und treiben ihre Heerden in die Mallrybüsche, um das dort spärlich, aber süß wachsende Gras, de wilden Hafer und besonders den dem Schafe so besonders /51/ zusagenden und auf den Ebenen wachsenden Salzbusch aufzusuchen.12

      Mitten im Busch drin, an einem kleinen trockenen Creekbett, in dem sich in der Regenzeit vielleicht auf wenige Tage Wasser sammeln mochte, das aber jetzt leer und mit trockenem und aufgerissenem Lehmboden lag, stand die Hütte der Schäfer. Es war ein einfaches, aus jungen Fichtenstämmen aufgerichtetes Gestell mit breiten Stücken Gumrinde, zu Wänden und Dach benutzt, und mit kaum mehr Bequemlichkeiten versehen, als sie eine Gunyo der Schwarzen bot. Der einzige Unterschied zwischen diesen schien auch fast nur der im Innern ausgewühlte Feuerplatz, der den Rauch zur Decke, oder wo er sonst Abzug fand, hinauswirbelte, während in der Ecke ein einzelnes Lager von Schaffellen, mit einem Opossummantel überworfen, hergerichtet stand.

      Ein paar Blechbecher und ein einzelner eiserner Topf bildeten das ganze Kochgeschirr, und nur einige Kleidungsstücke, die an in die Pfosten eingetriebenen Pflöcken hingen, wie ein /52/ ebenfalls an diesen aufgehangenes Gewehr verriethen, daß hier Weiße hausten.

      Vor der Hütte, im Schatten einer zierlichen Malleyfichte, die man vielleicht zu eben diesem Zweck hier hatte stehen lassen, lag ein Mann - der sogenannte Hutkeeper, eine selbst dem Schäfer untergeordnete Persönlichkeit - dem die Bewachung der Schafe über Nacht in den Hürden anvertraut ist, währen er den Tag über nur für sich selbst zu sorgen und Morgens und Abends die einfache Mahlzeit zu kochen hat. Der Bursche schien übrigens eins der schlechtesten Exemplare dieser untergeordnetsten Menschenklasse der Weißen in Australien zu sein. Er sah schmutzig und zerlumpt aus; der alte Kohlpalmenhut der ihm wie oft wohl schon als Kopfkissen gedient, saß ihr zerknittert und in Fetzen halb über die Stirn hinüber, und Hände und Gesicht verriethen nur zu deutlich den Wasser Mangel dieser Gegend, in die Alles, was man selbst zum Trinken brauchte, in Fässern von der Hauptstation herüber geschafft werden mußte. Natürlich durfte da auf Wasche nichts verschwendet werden. Aber er las wenigstens in einem kleinen abgegriffenen Buche, das vor ihm während er den Kopf auf die linke Hand stützte, aufgeschlagen lag. So vertieft schien er dabei in den Inhalt, daß er die heransprengenden Pferde erst hörte, als sein eben so fauler, neben ihm in der Sonne ausgestreckter Hund langsam den Kopf hob und leise zu knurren anfing.

      In demselben Augenblick fast sprengten die beiden Männer Powell und Mac Donald auf den kleinen freien Platz, sprangen dort aus den Sätteln und warfen die Zäume um die schwanken Stangen eines Malleybusches.

      Der Hutkeeper war, als er seinen Herrn erkannte, rasch aufgesprungen, und sein Hund, eine nichtswürdige Art von halb Spitz, halb Straßenköter, drückte sich, als ihn die mächtigen, starkknochigen Känguruhunde mit aufgesträubten Haaren majestätisch umschritten, ängstlich und winselnd zwischen die Füße Dessen, von dem er allein Schutz hoffen durfte.

      „Nun, Miller, wie geht es?" rief Mr. Powell, indem er langsam auf ihn zuschritt - „wo ist Hendricks mit den Schafen?" /53/

      „Drüben über dem Fichtencreek, Sir, am trockenen Sumpfe - er meinte, das Gras wäre besser dorten."

      „Dann sind wir bei ihm vorbeigeritten und finden ihn anf dem Rückweg. - Doch nichts vorgefallen hier? keine Schafe verloren?"

      „Nein, Sir."

      „Noch keine Lämmer?"

      „Sie fangen eben an; aber cs sieht bös mit dem Gras aus. - Wenn's nur einmal regnen wollte!"

      Mac Donald war indessen langsam zu der Stelle hingeschritten, wo der Bursche gelegen hatte, und hob das Buch auf. Es interessirte ihn, zu sehen, was ein Mensch in dem Zustande wohl zu seiner Lectüre wählen würde. Kaum hatte er übrigens einen Blick hineingeworfen, als er laut und überrascht ausrief: „Homer - bei Allem, was da lebt - und in der Ursprache!"

      „Liest Der Homer? so?" sagte Mr. Powell lächelnd - ,als göttlicher Schafhirt wohl?"

      Miller's Gesicht färbte sich bei der Entdeckung mit tiefem dunkeln Roth - er konnte sich des Buches nicht schämen, es mußte des Zustandes wegen sein, in dem er sich selbst befand, und der durch die entdeckte Lectüre erst recht hervorgehoben wurde.

      „Die Langeweile plagt Einen im Busch," stotterte er verlegen, und biß gleichwohl wieder zugleich die Zähne auf die Lippen, daß er sich überhaupt entschuldigt hatte. Mac Donald aber konnte nicht umhin, ihn nur um so schärfer zu betrachten und erkannte bald, trotz Schmutz und Lumpen, die ihn deckten, daß jene Züge einst eine bessere Zeit gesehen, und diese Hände andere Arbeit verrichtet haben mochten, als jetzt dem Schäfer zu kochen und den Schafen die Hürden aufzustellen. Stak sogar ein Ring an dem einen Finger der linken Hand, und das blitzende Gold hatte nicht einmal von dem darauflagernden Schmutz und Stand ganz verdunkelt werden können.

      Mr.

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