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Ich bin ein Berliner. Uwe Siegfried Drogoin
Читать онлайн.Название Ich bin ein Berliner
Год выпуска 0
isbn 9783738012897
Автор произведения Uwe Siegfried Drogoin
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Vater Lindgreens Geburtstag
Als die Beiden schließlich auf dem Bauernhof ankamen, gab ein freudiges Wiedersehen und zur Begrüßung einen selbstgebrannten Obstschnaps, der natürlich hochprozentig, tüchtig einheizte. Nun ging es zur Gratulation. Mutter Annegret hatte eine große Torte gebacken, die mit neunundvierzig Kerzen bestückt war, so viel an Jahren hatte Vaters Lars bereits in seinem Leben zurückgelegt. Verwandte und Bekannte waren gekommen, sogar ein Mann mit einem Akkordeon, der kräftig Stimmung machte. Die beiden jungen Männer hatten lange überlegt, was man dem klugen und belesenen Mann Lars Lindgreen schenken sollte. Es sollte etwas sein, was nur er persönlich brauchte und was ihm Freude bereiten könnte. Durch diverse Nebenjobs hatten sie etwas Geld zusammen bekommen und eine schöne Ausgabe eines neuen Lexikons in mehreren Bänden gekauft. „Ihr solltet euch doch wegen mir nicht in solche Unkosten stürzen“ ermahnte sie Vater Lars, aber man sah ihm an, dass er sich sehr über das Geschenk freute. Die Räume des Hauses waren festlich erleuchtet. Alfred und Harald wurden den Verwandten und Freunden vorgestellt, was bei der weitläufigen Verwandtschaft einige Zeit in Anspruch nahm. Lars Lindgren hatte Mühe sich durch das Geläut eines kleinen Glöckchens Gehör zu verschaffen und hielt eine kleine Dankesrede auf all die schönen Geschenke. „Ich freue mich, dass so viele meiner Einladung gefolgt sind und danke für die besonders liebevolle Vorbereitung durch Annegret“. Aus seinen Worten klang eine tiefe Liebe und Dankbarkeit, die er für seine Frau empfand, die ihm auch in schweren Zeiten als verlässliche Partnerin zur Seite stand. „Bei der Gelegenheit stellte ich für alle noch einmal ganz speziell meine beiden Freunde Alfred und Harald aus Deutschland vor, die mir im Sommer sehr geholfen haben und nun in Uppsala studierten. Das vergangene Jahr ist für unsere Wirtschaft sehr gut gelaufen und so können wir auch am Ende des Jahres diesen Erfolg feiern“. Während seiner Ansprache hatte sich Mutter Annegret zu ihm gesellt, sich liebevoll an den Redner geschmiegt zum Ende seiner Worte noch hinzufügte: „Es ist ja nicht schwer diesem wundervollen Mann zur Seite zu stehen, da wir in vielen Dingen von der Grundeinstellung übereinstimmen. Ich danke Gott, dass er mir diesen Brummbär geschickt hat, wenn er auch manchmal wenig redet, aber wir verstehen uns auch so, ohne viele Worte“. Damit gab sie das reichhaltige Büfett frei und der gemütliche Teil des Abends konnte beginnen. Jeder nahm sich die Speisen und Getränke, auf welche er gerade Appetit hatte, von einer langen Tafel. Alfred und Harald hielten sich an dem reichhaltigen Angebot erlesener Fischsorten fest. Von den Gästen wurden sie mit Fragen bestürmt, wie es wohl an der Uni in diesen Tagen so laufen würde und immer wieder wurden sie befragt nach ihrer Meinung zur derzeitigen politischen Situation im Deutschen Reich. Besonders Alfred beeilte sich immer wieder zu erklären mit welchen Mitteln der Öffentlichkeitsarbeit und Propaganda die Menschen in seiner Heimat irregeführt werden. Hier im Ausland und mit der gegebenen Distanz sahen die Dinge völlig anders aus, als zu Hause. Ein lautes Klatschen von Mutter Annegret unterbrach jäh die Gespräche. „Meine lieben Gäste“, rief sie im energischen Tonfall und mit einem Lächeln, wir räumen jetzt das große Zimmer, jeder nimmt sich einen Stuhl und dann darf getanzt werden“. Erst jetzt bemerkte man eine kleine Truppe von Musikern, die eigens zu Ehren des heutigen Tages aufspielen sollten. Harald, der sich aus den politischen Gesprächen heraus gehalten hatte, um unangenehmen Fragen aus den Weg zu gehen, hatte sich gerade mit einer jungen Nichte der Lindgreens unterhalten, die aus Stockholm angereist war. Offensichtlich gefiel ihr der junge Mann und sie machte auch keinerlei Hehl aus ihrer Sympathie. Sie hatte sich gleich nach der Ankunft der beiden Studenten als Karin vorgestellt. Karin hatte seit zwei Jahren die Lehre beendet und arbeitete im elterlichen Frisiersalon in Stockholm. Ihre geschmackvolle sehr modische Kleidung und ihr gepflegtes Äußere waren den beiden Ankömmlingen sofort aufgefallen. Mit langen blonden Haaren, blauen Augen, einem schön geschnittenen Mund und einer verführerisch guten Figur war sie sich ihrer Wirkung auf Männer wohl bewusst. Karin fragte Harald betont schüchtern, ob er sie wohl zum Tanz auffordern würde, doch der junge Mann lehnte dankend ab: „Ich kann nicht tanzen“, log er „da müssen sie sich schon einen richtigen Tänzer suchen, mein Freund Alfred kann gut tanzen“. Doch so schnell war die junge Dame nicht zu überzeugen. „Kommen sie her, ich will ihnen die Tanzschritte beibringen“, mit diesen Worten zog sie Harald auf die Tanzfläche. Zum Glück verkündete die Kapelle kurz darauf einen Sondertanz für das Geburtstagskind mit einer Dame seiner Wahl. Vater Lars sah sich in der Runde um, denn Mutter Annegret war derweil in der Küche beschäftigt. Er rief laut nach seiner Frau: „Annegret, wir sollen jetzt eine Ehrenrunde tanzen“. Mutter Annegret kam herein geeilt, band sich die Schürze ab, so dass das schöne rote Kleid richtig zur Geltung kam. Sie zog sich die guten roten Schuhe mit den hohen Absätzen an und wirbelte wie verzaubert in den Armen von Vater Lars durch den Raum. Das waren die Momente, in denen sie vor Glück die ganze Welt umarmen konnte. Sie lächelte zufrieden und ihre Augen bekamen den schimmernden Glanz einer liebenden Frau. „Tanzt bitte alle weiter“, bat sie die Anwesenden, als die Kapelle das Musikstück beendet hatte. Karin ließ nicht locker: „Nun sind wir wieder dran“ meinte sie und ehe sich Harald versah, war er schon wieder auf der Tanzfläche. Manche Dinge brauchen eben seine Zeit und Harald gab sich nicht die notwendige Mühe, um den Tanzschritten seiner Partnerin zu folgen. Er spürte wie unangenehm es war, sich einer schönen Frau als Tollpatsch zu geben. Alfred, dem Karin wegen der ungelenken Schritte Haralds leid tat, kam zur rechten Zeit zu Hilfe und klatschte neben dem stolpernden Paar in die Hände, das war das allgemein übliche Zeichen zum Wechsel des Tanzpartners. Harald fühlte sich erlöst, doch er ärgerte sich zugleich, man sollte sich nicht so verstellen. Mutter Annegret, die Haralds Schmach miterlebt hatte, bemühte sich, mit tröstenden Worten die Situation zu überspielen. „Na du Meistertänzer“ wollte sie ihn frotzeln, „das klappt wohl noch nicht so recht? Ich werde dir mal einen interessanten Mann vorstellen“. Mit diesen Worten hakte sich die zierliche Frau bei Harald ein und zog ihn in den Wintergarten, wo sich einige Männer zum Rauchen niedergelassen hatten. „Olaf“, sprach sie einen Herrn mittleren Alters an, „ich möchte dir mal Harald vorstellen. Harald ist ein begabter Maler, er weiß es nur noch nicht. Unterhalte dich mal mit dem jungen Mann“. Sagte es und entschwebte wieder in die Küche, um dort weitere Anweisungen geben zu können. Der Angesprochene stand auf und drückte Harald herzlich die Hand. Olaf war der Bruder von Mutter Annegret und betrieb einen Kunsthandel in Stockholm. „Ich habe schon von ihren Fähigkeiten gehört“, begann Olaf, „Annegret hat mir wärmstens empfohlen, mit ihnen ein paar Worte zu wechseln. Warten sie, ich hole gleich mal Papier und einen Stift. Ich möchte sie bitten, Karin aus dem Gedächtnis zu zeichnen. Ist das ein Problem für sie, oder haben sie das Mädchen zu kurz gesehen?“. Harald war überrascht, welche Kreise seine kleinen Arbeiten gezogen hatten, denn während eines früheren Besuches, hier auf dem Hof, hatte er Mutter Annegret und Vater Lars gemalt. Papier und ein Bleistift wurde geholt. Während er mit Olaf plauderte, hatte die Musik den Tanz beendet und Karin kam heran geschwebt. „Unterhaltet ihr euch gut?“ wollte sie wissen. „Alfred ist übrigens ein brillanter Tänzer, im Gegensatz zu Ihnen“. Nach dieser niederschmetternden Bemerkung war sie auch schon wieder entschwunden, vermutlich um Alfred für den nächsten Tanz zu gewinnen. „Trösten sie sich, warf Olaf ein, „ich kann auch nicht tanzen, zum Leidwesen meiner Frau. Aber ich bin trotzdem ebenso viel Wert, wie die Gockel, die sich mit den Weibern auf dem Tanzboden herumdrücken“. Es sollte wie ein Trost auf Harald wirken, war aber keiner. Inzwischen war alles Notwendige herbeigeschafft, was Harald für seine Zeichnung brauchte. Er ging an die kleine Staffelei, überlegte noch mal ganz kurz und begann aus dem Gedächtnis zu zeichnen. Er zeichnete die Konturen scharf, wobei er mit unterschiedlichen Strichstärken Vorder- und Hintergrund plastisch unterschied. Nach einigen Minuten war sein Entwurf fertig. Alle Anwesenden im Wintergarten staunten nicht schlecht, wie Harald mit geübten Händen, aus dem Gedächtnis, das Gesicht der stolzen jungen Frau nahezu mit fotografischer Genauigkeit zu Papier brachte. Olaf ließ nach dem Vater Karins rufen, um das Bild zu beurteilen. Dieser erschrak: „Ist das meine Tochter?“. Tatsächlich hatte Harald ihr schon recht tief in die Seele geblickt und ihren Hochmut gekonnt zum Ausdruck gebracht. Weitere Gäste gesellten sich zu der Gruppe, alle wollten das Bild sehen. Schließlich kamen auch Alfred und Karin mit dazu. Alfred erkannte sofort die Brisanz der Situation. Harald hatte in gekonnter Manier Karins Gesichtszüge heraus gearbeitet, doch Karin konnte das Bild als Beleidigung verstehen. Er hatte ihr, zunächst unbedacht,