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fortschreitet, geht aus der Geschichte nicht hervor, ich gehe aber davon aus.

      Ich habe bei vielen Erleuchtungs-Geschichten den Eindruck, dass es sich verhält wie bei einer Hochzeit: Die Hochzeit wird von allen als der Höhepunkt erlebt, dabei kommt das Entscheidende erst danach!!

      Auch von Ram Dass möchte ich eine ähnliche Erfahrung anfügen, der von sich folgendes berichtet: Er nimmt an einem neuntägigen Retreat in einem Zen-Kloster teil. „Es war ohne Zweifel die elendste, furchtbarste, grausamste, sadistischste Erfahrung meines Lebens. … Ich wurde völlig paranoid.“ Ihm wurde immer wieder die Frage gestellt: „Wie erkennt man seine Buddha-Natur durch das Klatschen der Hände?“ Nach vielen vergeblichen Antworten sagt zu ihm der Roshi: „Oh Doktor, Sie beantworten es gar nicht richtig. Vielleicht sollten wir Ihnen Ihr Geld zurückgeben.“ (Leider kann ich es nur sehr gekürzt wiedergeben.) „Ich war innerlich völlig zerschmettert.“ Nach fünf Tagen war ihm alles egal, und als ihm die Frage wieder gestellt wurde, sagte er: „Guten Morgen, Roshi.“ Der war entzückt und lächelte und sagte: „AH!!“ „Mit dem Gedanken, dass mir alles egal sei, da war ich plötzlich in diesen anderen Zustand übergegangen, bei dem auf einmal Feuer aus den Büschen strömte. … Er fragte mich ein Koan nach dem anderen und meine Antworten strömten einfach aus mir hervor. Ich befand mich genau im gegenwärtigen Augenblick, und ich hatte im Kopf keine Modelle mehr“ (56ff).

      Diese Ausführungen würden eine klare Unterscheidung erlauben, wenn nicht im Denken von Hui-neng (und anderen) immer wieder sichtbar würde, dass es auch ihm darum geht, „das Wirken des Buddha zu verwirklichen“ (Hui 181), was ja nichts anderes heißt, als vom Selbst her zu leben, was wiederum die Transzendierung des Ichs voraussetzt.

      Auch seine Erzählung vom „jungen Mönch“ weist darauf hin. Da Hui-neng also durchaus eine Verwandlung des Menschen als notwendige Implikation der Erleuchtung im Blick hat, bleibt die Frage, was durch die „plötzliche Erleuchtung“ bewirkt wird. Meine Erklärung: Wir Menschen sind eben verschieden, auch in der Hinsicht, an welchem Punkt auf dem geistigen Weg, den wir alle „gegangen werden“, wir stehen. Und auf diesem Weg sehe ich eine ganz entscheidende Zäsur: ein Davor und ein Danach.

      Exkurs: Davor und Danach

      Als ganz entscheidend auf dem Weg sehe ich die Frage an, ob sich ein Mensch im Davor oder im Danach befindet. Damit meine ich folgendes:

      Mein erschütterndes Erlebnis, das ich mit 65 Jahren hatte, stellt diesen Wendepunkt zwischen Davor und Danach dar. Dadurch wurde mir die Ausweglosigkeit im Ich gezeigt, die für mich heute eine absolute Gewissheit ist. Dieses Ich ist das, was Buddha im Moment der Erleuchtung mit Gehäuse bezeichnet, dessen Erbauer er nun erkannt hat.

      Dieses Ich ist ein in sich geschlossenes Gehäuse, ein unentrinnbares Gefängnis, das zerschlagen werden muss. Es gibt ein Buch von Heinz-Peter Röhr mit dem Titel: „Narzissmus“, das von dem Märchen der Gebrüder Grimm „Der Eisenofen“ ausgeht. Dieser Eisenofen ist das Ich, in das der Mensch unentrinnbar eingeschlossen ist.

      Das Zerschlagenwerden dieses Ichs ist keine Möglichkeit vom Ich her, sondern erfolgt von außerhalb, vom Jenseits des Ichs her. Erst nach diesem Zusammenbruch des Ichs, der bei mir die Gestalt der schlimmsten Depression mit psychotischen Begleiterscheinungen angenommen hatte, schälte sich ein Bewusstsein heraus, das jenseits des Ichs angesiedelt ist, das ich in Anlehnung an Meister Eckharts Seelenfünklein als Bewusstseinsfünklein erlebt habe, ein kleines Licht, das in diese dunkle Nacht hineingeleuchtet und mich gerettet hat. Es ist die Möglichkeit, sich in seinem Elend zu sehen und das auszuhalten. Diese Fähigkeit ist nicht mehr die Fähigkeit des Ichs, sondern transzendiert dieses Ich. Sie kommt aus der Tiefe des Menschseins, zu der das Ich keinen Zugang hat, und die erst im Zusammenbruch in Erscheinung tritt.

      Dieser Zusammenbruch bedeutet im Leben eines Menschen eine derartige Katastrophe, dass er mit Recht als Tod bezeichnet werden kann. Von diesem Tod redet z. B. U. G. Krishnamurti, der dieses Erleben als „Kalamität“ bezeichnet. Aber auch andere sprechen von einem Tod. Der Tod Jesu am Kreuz und die darauf folgende Auferstehung hat meiner Überzeugung nach deshalb eine so große Wirkung gehabt, weil er den Tod des Ichs mit den Höllenqualen symbolisiert, aus der heraus nur die Auferstehung erfolgen kann. Phönix aus der Asche ist Symbol für den gleichen Vorgang. Auch viele Märchen und Mythen, in denen der Held mit einem Drachen kämpft oder durch die Hölle gehen muss, zielen in diese Richtung.

      Bei Jed McKenna wird der Weg einer Frau – Julie – gezeigt, an der sehr deutlich die Verzweiflung auf dem Weg zur Transzendierung des Ichs geschildert wird.

      Auch die Geschichte von Kyogen veranschaulicht, wie erst die Verzweiflung und das dadurch erzwungene völlige Loslassen zur Erleuchtung führt.

      Erst nach diesem Ich-Tod, der nur überstanden werden konnte, indem vom Jenseits des Ichs her ein Licht sichtbar wurde, das den Menschen in seiner tiefsten Not trägt, kann nun tatsächlich vom Menschen, der nun nicht mehr nur im Ich steht, sondern eine transzendente Kraft erfahren hat, etwas aktiv zum Weiterschreiten auf dem spirituellen Weg getan werden.

      Der Tod des Ichs scheidet das Davor vom Danach. Vor diesem unausweichlichen und äußerst schmerzvollen Tod steht der Mensch total im Ich, und alles, was er tut, geschieht von seinem Ich her, auch alles, was er in Bezug auf den Versuch, sich aus seinem Ich zu befreien, unternimmt. Und das führt nie zum Erfolg!

      Und somit sehe ich folgende Möglichkeit in Bezug auf die Klärung der Frage, warum bei dem einen eine plötzliche Erleuchtung stattfinden kann, während bei einem anderen nur der äußerst schmerzhafte Tod eine unumgängliche Voraussetzung darstellt: Wir treten in diesem Leben von einer unterschiedlichen Startposition an. Und zwar besteht der entscheidende Unterschied darin, ob wir uns noch im Davor oder schon im Danach befinden. Wer sich in diesem Leben noch im Davor befindet, dem wird dieser schmerzliche Tod nicht erspart bleiben, wenn er dafür reif ist. Wer in diesem Leben schon im Danach antritt, der braucht diesen Tod nicht mehr zu durchleiden, denn er hat ihn ja schon hinter sich.

      Aber er steht immer noch im Ich und es bedarf noch einer intensiven Arbeit daran. Das Ich ist die unabdingbare Dreingabe in diesem Leben. Warum sie notwendig ist, weiß nur Gott. Aber die Befindlichkeit im Ich ist ein unabweisbares Faktum und es ist die Aufgabe des Menschen, dieses Ich zu transzendieren und hinter sich zu lassen.

      Wer im Danach steht, für den kann es durchaus ein plötzliches Erkennen dieser Befindlichkeit im Ich geben, wodurch vielleicht auch ein äußerst rascher Abbau des Ichs erfolgen kann. Wer noch im Davor steht, für den ist auch nach dem Ich-Tod noch ein weiter Weg zu gehen, der in diesem Leben vielleicht noch gar nicht an sein Ende kommt. Das macht aber gar nichts, denn der entscheidende Schritt ist ja getan. Nur das Ich ist es, das so schnell wie möglich das Ziel erreichen möchte.

      Auf diesen Exkurs werde ich auch im Zusammenhang mit der Frage nach der Möglichkeit des eigenen Tuns und beim Punkt Meditation zurückgreifen.

      Damit gibt es Erleuchtung in zweierlei Hinsicht: Als ein Begreifen und Erleben des Einsseins mit dem Absoluten einerseits und als Befreiung vom Ich andererseits. Nur die zweite Form lasse ich als Erleuchtung gelten, und die ist niemals plötzlich zu erreichen. Plötzlich kann nur die Erkenntnis seines Ich-Seins sein oder das Erlebnis der Einheit mit allem Sein.

      Wenn meine Vermutung, dass das Ich aus der Tendenz des Lebens zur notwendigen Selbstbehauptung erwachsen ist, nur annähernd zutreffend ist, dann ist es undenkbar, dass es in einem Hui hinter sich gelassen werden könnte. Es ist eine Aufgabe eben wie die des Abtragens dieses Berges. Das halte ich für das Ziel, und darum geht es. Es ist dabei unerheblich, wie weit ein Mensch in diesem Leben sich diesem Ziel annähert; entscheidend ist allein schon die Erkenntnis, dass es darum geht. Damit ist der erste wichtige Schritt getan. Das Erreichen des Zieles – auch des ersten Schrittes! - liegt nicht in der Hand des Menschen. Das ist eben ein Prozess, der der Schöpfung zugrunde liegt. In diesem Sinne geht es um ein grundlegendes Neuwerden des Menschen, um eine totale Transformation von einem Menschen, der aus dem Ich lebt zu einem, der von seinem wahren, ursprünglichen Sein her lebt. Und das muss in diesem konkreten Leben auf dieser Erde, mit der Natur, den Elementen, den Pflanzen und den Tieren

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