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Frau über seine Schwester dachte, und immer nur zu vermitteln hatte. „Sie interessiert sich besonders für das Missionswesen in Afrika.“

       „Ja“, nickte die Frau Oberstleutnant. „Der eine lange Schleicher mit der weißen Halsbinde rennt ihr fast das Haus ein, das weiß ich. Die gehen auch nirgends hin, wo sie nicht wissen, dass was zu holen ist, und wer kann sagen, ob sie nicht einmal später ihr Geld lieber den Hottentotten als unseren Kindern hinterlässt.“

       „Liebes Herz“, erwiderte ihr Gatte. „Einen solchen Verdacht solltest du doch eigentlich nicht gegen sie aussprechen, sie hat allerdings ihre kleinen Schwächen, aber...“

       „K l e i n e Schwächen, Heinrich?“ unterbrach ihn aber seine Gattin, die jetzt einmal in Zug kam. „Nimm mir das nicht übel, es ist allerdings deine leibliche Schwester, aber sonst auch...“

       „Veronica....“

       „Der größte alte Drache, den es auf der Welt gibt“, fuhr jedoch die Frau fort, ohne sich aufhalten zu lassen. „Einmal lässt sie an keinem Menschen ein gutes Haar, frag‘ nur die Kinder selbst, wenn du mir nicht glauben willst, und dann ist sie von einer Aufgeblasenheit und einem Hochmut, dass ich immer fürchte, ihre Nase kriegt einmal das Übergewicht und drückt ihr den Kopf hinten hinüber. Und auf was ist sie stolz, frage ich dich? Es kann nur ihr Geld sein, und das ist das Erbärmlichste, auf das ein Mensch stolz sein kann. Ja, sogar auf uns guckt sie vornehm herunter, die Frau Mäusebrod.“

       „Auf uns, Veronica?“

       „Ja, auf uns“, fuhr jedoch die Frau gereizt fort. „Den Kindern predigt sie ewig Einfachheit und hat ihnen auch schon ein paar Mal zu verstehen gegeben, dass eine Familie, wie die unsere, mit so geringem Vermögen, eigentlich gar nicht daran denken dürfe, einen solchen Aufwand zu machen.“

       „Nun“, sagte der Oberstleutnant, der aber doch kaum einen leisen Seufzer unterdrücken konnte, wenn er auch nicht wagte, seiner Schwester in diesem Augenblick wirklich Recht zu geben. „Einen solchen Aufwand machen wir doch eigentlich nicht, wenn wir auch vielleicht in manchen Dingen....“

       „Das ist ja auch gerade, was ich sage“, rief die Frau. „Und sie wahrhaftig hat sich doch darum am wenigsten zu kümmern.“

       „Aber sie hat die Kinder so lieb.“

       „Lieb? Die hat niemanden lieb, als sich selbst. Sie hasst alle Menschen, nur vielleicht die Hottentotten nicht, und das wird wohl gegenseitig sein. Ich glaube nicht, dass sie einen Freund in der ganzen Stadt hat.“

       „Aber du bist doch immer so freundlich mit ihr, wenn ihr einmal zusammen seid, was freilich selten genug geschieht.“

       „Weil ich sie nicht unnötigerweise vor den Kopf stoßen will“, bemerkte seine Frau. „Ich weiß wenigstens, was ich meinen Kindern schuldig bin. Ich sollte aber nur merken, dass sie falsches Spiel treibt!“

       „Unsinn, Veronica“, sagte der Oberstleutnant jetzt, während er kopfschüttelnd, die linke Hand auf dem Rücken haltend, die rechte vorn in die Brust geschoben, im Zimmer auf und ab ging. „Wie du nur auf solche Gedanken kommen kannst! Sie hat mir selbst gesagt, dass sie ihr Testament gemacht und die Kinder, nach Abzug verschiedener Legate, zu Universalerbinnen eingesetzt hat."“ "Und für wen hat sie Legate zu machen?“ frug die Frau Oberstleutnant. „Wer steht ihr so nahe, als die Kinder ihres eigenen und einzigen Bruders? Legate für die Hottentotten vielleicht, und wie hoch belaufen sich die?“

       „Ja, mein Herz“, sagte ihr Gatte, „woher soll ich das wissen? Das weiß niemand als sie selbst und der Notar, der das Testament aufgesetzt hat.“

       „Und wer ist das?“ fragte die Frau Oberstleutnant rasch.

       „Notar Püster.“

       „Püster? Ein entsetzlicher Name, und wo wohnt er?“

       „Du kannst ihm in die Fenster sehen“, erwiderte ihr Gatte, über die Straße deutend. „Dort im oberen Eckfenster, gerade über dem Café.“

       „Der entsetzliche Mensch, der den ganzen Tag fast nichts tut, als die verschiedenen Fenster seiner Nachbarschaft abzuspionieren? Die Kinder sind schon ganz außer sich über ihn.“

       „Aber wenn sie nicht ebensoviel zu ihm hinüberguckten,“ lächelte der Oberstleutnant, der dem Gespräch eine scherzhafte Wendung zu geben wünschte, „woher wissen sie es denn?“

       „Du glaubst wohl gar, die gaffen nach dem Herrn Püster hinüber?“ sagte seine Frau beleidigt. „Sollte ihnen doch einfallen! Aber glaubst du nicht, Heinrich, dass man vielleicht mit dem Manne...“

       „Mit welchem Manne, mein Herz?“

       „Von diesem Herrn Püster, wie der schreckliche Mensch heißt, etwas – etwas Näheres über die Sache, über das Testament meine ich, erfahren könnte?“

       Der Oberstleutnant schüttelte mit dem Kopf.

       „Das ist Amtsgeheimnis, Veronica. Er hat da einen Eid geleistet.“

       „Wenn man nur so ungefähr wüsste...“

       „Er darf auch nicht einmal ungefähr darüber Andeutungen machen, oder er stände unter der größten Verantwortlichkeit. Aber, was ich doch gleich sagen wollte, wo nur eigentlich die Mädchen bleiben, essen wir denn noch nicht bald? Ich fange wirklich an, Hunger zu bekommen und der Tisch ist noch nicht einmal gedeckt.“

       Die Frau Oberstleutnant klingelte. Das Dienstmädchen und zugleich Köchin kam herein und wurde beordert:

       „Decken!“

       Es stand nun wohl alles in der Stube, aber die gnädige Frau konnte natürlich nicht daran denken, selbst mit Hand anzulegen, wofür war das Mädchen da? Das musste freilich von seiner Arbeit fort, und die beiden gnädigen Fräulein flanierten indessen.

       Jetzt aber kamen sie die Treppe heraufgestürmt, den Apothekerlehrling unten im Hause rissen sie bald um, sodass ihnen dieser unter seinen struppigen Haaren hervor ganz verdutzt nachsah. Lachend und kichernd hüpften sie über den Vorplatz, sie schienen sich ganz vortrefflich amüsiert zu haben. Das erste Wort aber, mit dem sie in das Zimmer förmlich einbrachen, lautete: „Sie war nicht zu Hause!“ Sie, natürlich die Tante.

       „Und habt ihr eure Karten abgegeben, Kinder?“

       „Gewiss, Mama, aber wisst ihr, wer gestern Nacht von seiner großen Reise hier in Rhodenburg angekommen ist? Ach, Hanna, ein Glas frisches Wasser!“

       Das Mädchen musste vom Decken fort, um das Verlangte zu holen.

       „Trink nur nicht zu hastig, nun, wer denn?“ sagte die Mutter.

       „Der junge Solberg, er soll ganz braun aussehen.“

       „Ja“, rief Flora. „In der Stadt erzählen sie, er hätte eine Negerin geheiratet und brächte drei schwarze Kinder mit.“

       „Du meine Güte!“ sagte die Frau Oberstleutnant.

       „Mir auch ein Glas!“ befahl Flora, als die Hanna mit dem Wasser kam, und sie musste noch einmal hinaus.

       „Und heimlich ist er angekommen“, ergänzte Henriette. „Seine Eltern wussten gar nichts davon, und über das Gartengitter ist er geklettert, ordentlich eingestiegen.“

       „Und die Nacht hat er in einer Fuhrmannswirtschaft, im Goldenen Löwen logiert“, sagte Flora.

       „Und dritter Klasse ist er gefahren, weil er kein Geld mehr hatte“, lachte Henriette. „Rein der verlorene Sohn. Solbergs werden heute ein Kalb schlachten müssen.“

       „Es ist doch erstaunlich!“ sagte die Mutter und schlug vor Verwunderung die Hände zusammen. „Aber woher wisst i h r das nur alles, Kinder?“

       „Wir trafen Bertha von Noltje auf der Straße und begleiteten sie ein Stück, die wusste alles. Das soll eine schöne Szene im Haus gewesen sein, na, das lässt sich denken! Franziska wird sich

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