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lasse; aber auch ein solcher Mann, wenn er einzeln kann, gegen eine grimmige Menge nichts ausrichten, noch mocht' er's – denn ehedem schrieen die Diener der Fürsten nicht gleich über Aufruhr und verletzte Autorität, wo das Volk einmal laut wurde –- der Ritter, sage ich, schlug den Mantel zurück und fasste den Knipstrow unter den Arm. So führte er ihn durch die Tobenden, bis wo die Pommeranen standen. Denen übergab er ihn: „Ist Euer Landsmann, Ihr werdet für ihn sorgen.“ Damit schritt der Herr wieder durch die Volksmassen nach dem Rathause. Sie wichen ihm respektvoll aus: „Der Marschall Bredow!“ Die Pommeranen aber hatten vorhin am lautesten geschrieen: „Vivat Tezel! Schlagt den Ketzer aufs Maul!“ Sie hatten nicht gewusst, dass, der so beredt gesprochen ihr Landsmann war. Nun schrieen sie: „Vivat Knipstrow! Vivat Pommerania!“ So drängten sie, die blanken Hieber überm Kopf, den Landsmann in ihrer Mitte, durchs Volk. Anfangs wollten sie ihn nur nach ihrem Konvikt salvieren, dann, als alle vor ihren Hiebern und entschlossenen Mienen wichen, gefiel's ihnen; sie zogen mit Absicht durch die vollsten Gassen, wie im Triumph, immer schreiend: Vivat Knipstrow! Vivat Pommern! Vivat libertas academica!“ Das Volk schrie mit, denn das Schreien steckt an; die schrieen Vivat Tezel! Die Vivat Knipstrow! Am Ende meinten sie, es wäre dasselbe!

      Lärm überall, auf den Gassen, vor und in der Kirche, wo der Ablass verkauft ward, sogar im Rathause, wo etliche angesehene Herren beisammenstanden. Einer, der sich mit Mühe aus der Kirche gedrängt, erzählte, wie sie sich fast prügelten, um die Briefe zu kaufen. Sein Schreiber hatte berechnet, wie viel Geld in einer Stunde eingekommen. Die ernsten Herren schüttelten die Köpfe.

      „Das muss selbst auf die Maße von Einfluss sein.“

      „Und bleibt im Land kein Pfennig sitzen. Er lässt sich überall füttern,“ sagte der von Belkow.

      „Ist ein schmutziger, geiziger Kerl“, erwiderte der Patricier und Handelsherr, Herr Petersdorf.

      Der Stadtpfarrer war auch zugegen: „Ich meine, der Nachteil, den dieses Spektakulum auf die Sittlichkeit unserer Stadt übt, ist noch gefährlicher, und wird sich erst zu unserem Schrecken ausweisen. Nicht nur, dass die Beichtstühle meiner Herren Konfratres leer stehen, aber es greift an unsere Autorität. Zwei der gefährlichsten Marktdiebe, so nach jeder Messe zu mir kamen, und gewissenhaft beichteten, wiesen mir noch eben hohnlachend ihre erkauften Briefe. Sie hätten auf drei Jahre Ablass im Voraus, und sollt' ich mich nicht wundern, so sie nicht zur Beichte kämen.“

      Der Bürgermeister Weise warf sich in eine vornehme Stellung: „Das ist für die Sicherheit der Stadt höchst bedenklich.“

      „Gewiss,“ entgegnete der Propst, „denn obwohl die Diebe in der Regel erst dann zur Beichte kamen, wenn sie die gute Hälfte durchgebracht, so vermittelte ich's doch, dass sie die andere, wenigstens zum größeren Teil, den Bestohlenen restituierten. Man musste es allerdings in einer Handelsstadt nicht zu genau nehmen, sonst wären sie gar nicht wiedergekommen.“

      „Und“, sagte ein Professor juris, „ein solch Geschwätz auf dem Katheder ist mir noch nicht fürkommen. Eine Latinität und keine Quantität richtig, wenn ihm Wimpina nicht in den erschrecklichsten Fällen zuflüstert. Dieser Doktorhut geht der Universität an Fauna und Reputation.“

      „Ihr lieben Herren,“ sprach des Kurfürsten Kommissarius, der zugetreten war, „wenn dem so ist, ich versteh' es nicht, aber was ludet Ihr ihn denn ein? Ihr Herr Propst, ließet läuten; Ihr, Bürgermeister, hieltet ihm gar eine Anrede.“

      Der Bürgermeister und der Propst zuckten die Achseln, was so viel sagen sollte, als: „Wir konnten nicht anders, die Umstände –“,

      „Wer hätte nicht einmal geirrt,“ sprach der Ritter freundlich. „Nun wisst Ihr's besser. Wenn's dem Gemeinwesen schädlich, wie gesagt, ich versteh' es nicht, wenn aber Eure Meinung so ist, was duldet Ihr's länger?“

      Der Professor barg den Kopf zwischen den Schultern und brachte in eigenem Ton den Namen Wimpina vor.

      „Der ist Rektor der Universität aber nicht der Stadt –“,

      Die Herren sahen sich wieder lächelnd an: „Aber bei Hofe sehr angesehen,“ sagte der Konsul und verneigte sich bedeutungsvoll gegen den Ritter „wenn auch nicht in so hoher persönlicher Gunst wie mein Herr von Bredow.“

      „Was tut das zur Sache! Ihr habt's mit Eurer Stadt und nicht mit dem Wimpina zu tun, und was schiert's den Hof!“

      „Doch will man wissen“, sagte der Bürgermeister, „dass auch unser allergnädigster Herr dem Ablasshandel wenigstens nicht öffentlich entgegentreten möchte.“

      „Zum Kuckuck, Ihr lieben Herren, wenn er nicht, warum Ihr denn nicht, so es Euch recht dünkt. Steht Ihr nicht da für Euer Gemeinwesen, als wie der Kurfürst für seines, das ist das Ganze? Haltet Ihr den Trödel für schädlich für Stadt und Bürger, so ist's an Euch, ihn abzustellen. Wenn der Kurfürst anders denkt fürs Land, steh' ich Euch für, wird er nicht erst hinhorchen, ob's Euch in Frankfurt oder denen in Bernau so recht ist. Was müsst Ihr lauschen und horchen, wie er darüber denken könnte? Mag nun einer so denken und der andere so, am Mann ist's doch, mein' ich, zu tun, was er für seine Schuldigkeit hält.“

      Sie schauten ihn noch schlauer an, ob er vielleicht gekommen, ihnen einen Wink zu geben, wie man in Berlin denke?

      Da lachte Hans Jürgen von Bredow laut auf: „Ihr Herren, über Pferde und Hunde fragt mich der Kurfürst, aber nicht über Theologika. Wär' ein schlechter Rat da. Aber so Ihr meint, die Fuchsschwänzer könnten's verdrehen, was Ihr vorhabt, schreibt's auf, geraderaus schickt's dem Markgrafen, dass er weiß, was sie in Frankfurt denken.“

      „Ja, wenn der Marschall Bredow unser Fürsprech sein will.“

      „Zum Henker, Ihr Herren,“ fuhr der Ritter auf, „ich meinte, ein Mann müsste Mut für sich haben und den Mund auftun, auch ohne Fürsprech, so er im Recht ist; und zehnmal mehr, wo er nicht für sich spricht, sondern als Amtmann für die ihn zur Obrigkeit gewählt. Wozu haben sie Euch gewählt, wozu seid Ihr bestallt, so Ihr's nicht wagt, aus Furcht, dass es könnte ungelegen kommen? Wie soll der Fürst erfahren, was sie im Lande denken, so jeder Hauptmann, Schulz und Bürgermeister sich hinterm Ohr kraut, und fragt und lauscht zuvor, ob der Fürst nicht anders denkt? Nichts für ungut, Ihr Herren, das meine ich so. Will übrigens niemand meine Meinung aufdrängen, denn ist darin jeder sein eigener Herr.“

      „Sie würden's wohl tun,“ hinterbrachte jemand am Abend dem Marschall, „aber sie werden's anstehen lassen.“ Da lachte er laut auf: „Lieber, das wüsst' ich schon, als ich ihnen ins Gesicht sah.“

      „Und dann muss man doch bedenken,“ setzte der Vermittler hinzu, „wenn der Dominikaner auch viel Geld aus Frankfurt zieht, bringt er doch auch, was ein durch die vielen Fremden so er anzieht. Item sehen sie's als eine Ehrensache an, denn wenn Tezel über Luther siegt, hat auch Frankfurt über Wittenberg gesiegt. Man muss nicht vergessen, Frankfurt ist eine Handelsstadt.“

      „Kommt mir bisweilen in den Sinn, die ganze Welt sei eine Handelsstadt“, sagte der Ritter kopfschüttelnd.

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