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Nein! So, wie ich es gesagt habe.“

      Als sie daheim angekommen waren, stand Nelly die Müdigkeit ins Gesicht geschrieben. Cora kuschelte sich mit ihr auf die Couch, während Katja Badewasser einließ. Nach dem Baden legte sie Nelly in ihr Bettchen, wo ihr sofort die Augen zufielen.

      „Ane lieb“, waren ihre letzten Worte.

      *

      Am ersten November rief Christian an. Katja war erschrocken. Sie telefonierte regelmäßig mit Benjamin und jetzt am Abend war ihre Zeit, darum achtete sie nicht auf ihr Display.

      „Hallo“, sagte Christian sanft. „Ich bin es. Ich wollte nur mal deine Stimme hören und dich fragen, wie es dir und Nelly geht.“

      Katja hatte die Luft angehalten. Nun atmete sie aus.

      „Oh, ich dachte, das ist Benjamin. Hallo, Christian. Ich wundere mich gerade, dass du den Nerv hast, mich anzurufen.“

      „Ich weiß, ich habe mich blöd verhalten. Es tut mir leid, aber das war alles zu viel. Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass Luise so mit dir redet.“

      „Ja, du hast recht“, sagte Katja und hätte ihm am liebsten alles gesagt.

      Aber es kam nur heraus: „Ja, es war böse und gemein und nicht in Ordnung, dass du zugelassen hast, dass deine Mutter mich niedermacht. Nelly war ganz verstört.“

      „Ich kann nur sagen, dass es mit leid tut, aber ich kann es nicht rückgängig machen. Man kann so viel nicht mehr rückgängig machen.“

      Katja schnaufte, das hatte gesessen. Der Seitensprung mit Benjamin würde immer zwischen ihnen stehen, auch wenn Christian Benjamin verziehen hatte. Bei ihr war das wohl nicht so einfach. Sie war traurig, enttäuscht und sauer. Christian wollte aber noch etwas anderes sagen.

      „Ich wollte dich fragen, ob ich mitkommen darf, wenn Benjamin zu Weihnachten zu dir kommt. Ich würde Nelly gerne sehen, wenn du nichts dagegen hast.“

      Katja war voller Sehnsucht, verzweifelt wischte sie die Träne aus dem Augenwinkel, holte dann tief Luft und tat so, als müsste sie darüber nachdenken.

      „Ja, ist gut. Ihr könntet die kleine Ferienwohnung am Park nehmen. Soll ich mal fragen, ob sie frei ist?“

      Sie war stolz auf sich. Es hatte ernsthaft und neu­tral geklungen, obwohl sie sich alles andere als sicher fühlte.

      „Gerne. Ich freue mich.“

      Auch Christian hätte Katja am liebsten von seinen Gefühlen zu ihr erzählt. Im Herzen hatte er ihr längst verziehen. Sein Verstand ließ ihn Abstand halten. Er war hin und her gerissen. Sie gehörten zusammen, aber er wollte jetzt nicht einknicken.

      Sie redeten noch über die Neuigkeiten aus der Schule, dann legten sie auf. Christian hielt das Telefon in der Hand.

      „Ich liebe dich“, sagte er leise.

      *

      Anfang November begann der Chor und sollte erst einmal bis zum Weihnachtskonzert gehen. Katja hatte den Unterricht erst einmal abgesagt, aber versprochen, im neuen Jahr darüber nachzudenken. Sie war mit Nelly zur Schule gefahren und stand nun in der Aula vor achtzehn kleinen und großen Sängerinnen, Jungen waren keine gekommen.

      Im Hintergrund standen die Eltern und hatten noch einige Fragen, danach sangen sie gemeinsam und Katja versuchte sich nach Jahren mal wieder am Klavier. Es funktionierte mehr schlecht als recht, also würde sie üben müssen. Nach einer Stunde verabschiedeten sie sich und hatten vereinbart, sich jeden Donnerstag hier zum Singen zu treffen.

      Nelly hatte interessiert zugehört und mit einem Bein mit gewippt. Nun strahlte sie alle an und winkte zum Abschied. Katja ging mit ihr zum Auto und sah schon von Weitem, dass Arne an ihrer Beifahrertür lehnte. Sie überlegte, ob sie heimlaufen sollte, fand das aber albern und trat mit ernstem Gesicht auf ihn zu.

      „Na, Herr Nachbar, schon wieder mit Auflauern beschäftigt? Oder wollen Sie Milch borgen?“

      „Mann, warum sind Sie denn immer so zickig? Ich bin doch nur nett und höflich. Na, meine süße Prinzessin, hast du fein gesungen?“

      „Ane lieb“, sagte Nelly und streckte ihm die Arme entgegen.

      Arne nahm sie Katja aus den Händen und küsste das kleine Mädchen auf die Wange. Sie zog an seinem Bart und lächelte versonnen.

      „Wir müssen jetzt nach Hause. Setzen Sie Nelly in den Kindersitz?“

      Arne nickte und öffnete die hintere Tür. Er setzt Nelly in ihren Sitz und kitzelte sie am Bauch. Nelly kicherte und packte seine große Hand.

      „Ane mitkommen.“

      Katja beugte sich zu ihr hinunter und sagte: „Der Arne muss jetzt wieder arbeiten. Der kann nicht mitkommen.“

      Arne schüttelte den Kopf. Diese Frau war unglaublich hartnäckig, wenn es darum ging, ihn abzuweisen.

      „Der Arne kommt dich bald besuchen, ja, meine Kleine? Und wenn die Mama schon mal Arne sagt, kann ich doch auch Katja sagen, oder?“

      Er kam um das Auto herum und blieb dicht vor Katja stehen. Sein Lächeln war verwirrend. Katja senkte den Blick und schluckte.

      „Oder?“, fragte er noch einmal.

      „Meinetwegen. Sie geben ja doch keine Ruhe, also ich … ich meine … ich wollte sagen …du gibst ja doch keine Ruhe. Mann, du bringst mich ganz durcheinander. Bilde dir bloß nichts darauf ein.“

      „Ich bilde mir nie etwas ein, Katja.“

      Blitzschnell beugte er sich zu ihr herunter und küsste sie auf die Lippen. Ehe Katja reagieren konnte, war er weg. Sie setzte sich kopfschüttelnd ins Auto und fuhr heim.

      Am kommenden Tag räumte sie ihr Wohnzimmer um und mietete sich ein Klavier. Es machte ihr viel Spaß, vormittags eine Stunde zu spielen, aber dafür extra in die Schule fahren zu müssen, war ihr auf Dauer zu anstrengend, zumal das düstere, nasse Herbstwetter nicht zum Spazierengehen einlud. Die Firma hatte versprochen, das Instrument noch vor Weihnachten zu liefern. Nelly war immer dabei und hörte gebannt zu. Ab und zu tippte sie auf die Tasten und war fasziniert, weil da Töne herauskamen. Zwei Wochen vor Weihnachten hatte Katja mit ihr einen Termin für einen Besuch im Kindergarten.

      „Frau Hardeg, ich freue mich. Hallo Nelly“, sagte die Erzieherin Frau Böllmann und führte Katja und Nelly durch das Haus.

      Es gab drei Gruppenräume, in denen bereits Kinder spielten. Bei den ganz kleinen Kindern setze sich Nelly gleich dazu. Ein rothaariges Mädchen gab ihr eine Puppe.

      „Es ist wirklich schön hier. Ich glaube, meiner Tochter wird es gefallen. Vielleicht fange ich im kommenden Schuljahr an zu arbeiten.“

      „Sie können die Kleine gerne ab und zu bringen. Über die Kosten werden wir uns schon einig. Kleine Kinder brauchen andere zum Spielen und Lernen, aber ich denke, das wissen Sie selbst.“

      „Ja, ich sehe, dass Nelly sich wohlfühlt. Kann ich sie eine Stunde hierlassen? Sie spielt gerade so schön.“

      Die Erzieherin nickte und Katja ging zu Nelly. Sie beugte sich zu ihr herunter.

      „Süße, was denkst du: Willst du noch ein bisschen mit deiner Freundin spielen? Ich hole dich gleich wieder ab.“

      „Mama, geh los! Nelly spielt.“

      Katja küsste sie auf die Stirn und verließ den Kindergarten. Es fühlte sich merkwürdig an, so als würde sie Nelly abschieben, aber dann sagte sich Katja, dass Frau Böllmann recht hatte, denn der Kontakt zu anderen Kindern war wichtig.

      Daheim begann sie zu putzen und setzte sich mit dem Telefon auf den Teppich vor der leeren Wand, hier sollte das Klavier hinkommen. Sie wählte Benjamins Nummer

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