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Fellträger. Ana Marna
Читать онлайн.Название Fellträger
Год выпуска 0
isbn 9783750213197
Автор произведения Ana Marna
Жанр Языкознание
Серия The Hidden Folks
Издательство Bookwire
Das Fitnesscenter lag etwa auf der halben Strecke zu ihrer Wohnung. Es war nicht groß, aber immerhin halbwegs sauber. Sie besuchte den Laden schon seit sie die Stelle im Prekindergarten-Center angetreten hatte, also etwa ein halbes Jahr. Mittlerweile war es für sie zur Gewohnheit geworden, sich nach der Arbeit an den Geräten auszutoben.
Sportlich war sie schon immer gewesen und ebenso kräftig, doch die Arbeit mit den Kindern war vor allem auf geistiger Ebene anstrengend und forderte einen Gegenpol. Also stemmte sie Gewichte und erschöpfte sich im Ausdauertraining. Der Erfolg ließ sich nicht verbergen. Sara Linn war von mittlerer Größe, schlank und durchtrainiert. Und ihre blonden langen Haare kontrastierten ansprechend mit ihren grünen Augen. Mittlerweile war sie daran gewöhnt im Fitnessclub anzügliche Bemerkungen von Männern zu ignorieren. Außerhalb des Centers konnte sie es vermeiden blöd angequatscht zu werden, indem sie sich leger und nicht körperbetont anzog. Es war nicht so, dass es ihr nicht gefiel bewundert zu werden. Doch meistens waren die Bemerkungen eher geistlos und schlüpfrig. Und leider kamen sie eher von der Sorte Mann, die sie nicht im mindesten interessierte.
Sara wohnte in einem Wohnblock mitten in Huntsville, Texas. Die Wohnung lag im ersten Stock und war nicht groß mit zwei Zimmern, einer winzigen Küche und einem noch kleineren Badezimmer, aber sie war bezahlbar und nahe ihrem Arbeitsplatz. Und da ihr Arbeitslohn nicht üppig ausfiel, war sie mehr als zufrieden.
Als es an diesem Abend an ihrer Wohnungstür klingelte, stand sie gerade im Badezimmer und trocknete sich ab.
„Mist“, fluchte sie. Mit einem Besucher hatte sie nicht gerechnet, sonst wäre sie nicht in die Badewanne gestiegen, sondern hätte die Dusche benutzt.
Schnell schloss sie ihren Bademantel und rubbelte sich mit dem Handtuch hastig durch die blonden Locken.
„Einen Moment, ich komme sofort,“ schrie sie und hielt vergeblich nach ihren Pantoffeln Ausschau. Schließlich eilte sie barfuß zur Tür und blickte durch den Türspäher. Draußen stand ein Mann mittleren Alters und wartete geduldig. Es war Robert Tellerond, ihr Nachbar. Sofort öffnete sie die Tür.
„Hey“, grüßte sie, „Was gibt’s?“
Robert Tellerond betrachtete sie lächelnd.
„Offenbar einen netten Anblick.“
Sara seufzte.
„Wer um diese Uhrzeit erst aufsteht, sollte sich nicht wundern, wenn andere nach der Arbeit gerade baden.“
Ihr Nachbar lachte.
„Ich wundere mich nicht, und ich beschwere mich auch überhaupt nicht. Im Gegenteil.“
Er hob eine Kaffeebüchse.
„Raten Sie mal.“
Sie seufzte ein weiteres Mal.
„Wieder keinen Kaffee? Herrje, das kann ich nicht verantworten. Na, kommen Sie rein.“
Sie drehte sich um und ging in die Wohnung zurück. Robert Tellerond schloss hinter sich die Tür und folgte ihr. In der Küche füllte sie etwas Kaffee um. Als sie die Dose dem Mann in die Hand drückte, erfasste sie ein leichtes Schwindelgefühl. Er hielt sie schnell fest.
„Alles in Ordnung?“
„Wie?“ Sara holte tief Luft. „Oh ja, mir ist nur etwas schwindelig und ich bin ziemlich müde.“
„Dann laß ich Sie wohl besser allein.“
Er strich ihr sanft über die Wange und verließ dann die Küche.
Sara sah ihm leicht irritiert nach. Robert Tellerond hatte sie schon öfters besucht, aber bisher hatte er sie niemals so berührt. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Nun, es war nicht unangenehm gewesen und er war ein gutaussehender und höflicher Mann. Und sie war mit ihren zweiundzwanzig Jahren zwar keine alte Frau, aber vielleicht sollte sie sich doch langsam auf die Suche nach einem geeigneten Partner machen. Über ihren Nachbarn wusste sie zwar nicht viel, nur dass er offenbar nachts arbeitete, aber das ließ sich ja ändern.
Müde wankte sie zum Bett. Sie fühlte sich entsetzlich matt und erschöpft. Das Bad war wohl doch eine dumme Idee gewesen.
Am folgenden Tag wich diese Mattigkeit nur langsam, aber Sara machte sich darüber nicht viele Gedanken. Ab und zu kam das nun mal vor, wozu sich also aufregen? Zumal ihre Arbeit als Erzieherin zeitweise ziemlich anstrengend war. Der Umgang mit kleinen Kindern brachte häufig chronische Erschöpfung mit sich. Immerhin war ihr Schlaf dadurch so tief, dass sie nicht von ihren üblichen Träumen geplagt wurde.
3. Samstag, 11.2.2012
Huntsville, Texas
Etwa eine Woche später, an einem Samstagnachmittag, klingelte es wieder. Diesmal stand ein älterer, wildfremder Mann vor der Tür. Nur zögernd öffnete Sara. Ihr Gegenüber trug einen braunen Cordanzug, darunter ein kariertes Holzfällerhemd in passenden Brauntönen. Nicht gerade Saras Geschmacksrichtung. Seine Körperhaltung und auch seine Augen strahlten etwas Gehetztes aus.
Der Mann starrte sie erst intensiv an, dann räusperte er sich und meinte: „Entschuldigen Sie die Störung, aber ich muss dringend mit Ihnen sprechen.“
„Worum geht es denn?“
„Bitte, das möchte ich nicht hier auf dem Gang sagen. Könnte ich reinkommen?“
Sara zögerte. Es war nicht ihre Art fremde Männer in die Wohnung zu lassen, und dieser hier sah nicht unbedingt vertrauenerweckend aus. Aber er wirkte ungefährlich, und sie wusste, dass sie notfalls kräftig genug war, um ihn abzuwehren. Die meisten Leute unterschätzten sie, wenn es um Kraft und Schnelligkeit ging.
„Na gut, kommen Sie rein.“
Er folgte ihr ins Wohnzimmer und ließ sich unaufgefordert in einen Sessel fallen. Schamlos sah er sich um.
„Wohnen Sie schon lange hier?“
Sara blickte etwas verdutzt.
„Äh, etwa ein halbes Jahr, warum?“
„Und Ihr Nachbar?“
Sara zuckte die Schultern.
„Schon ein paar Jahre, glaube ich.“
„Kennen Sie ihn näher?“
Langsam wurde es Sara doch zu bunt.
„Ab und zu sehe ich ihn und wir wechseln ein paar Worte, aber warum? Was wollen Sie eigentlich?“
Der Mann fragte ungerührt weiter.
„Mehr nicht? Er hat Sie noch nie besucht, oder zu sich eingeladen?“
„Doch, natürlich, wir sind schließlich Nachbarn. Und er war immer sehr höflich. Zumindest hat er sich vorgestellt, wie es sich eigentlich gehört.“
Der Mann überhörte diesen Wink und starrte sie an.
„Sie waren in seiner Wohnung? Ist Ihnen da etwas Besonderes aufgefallen?“
„Also jetzt reichts“, rief Sara empört. „Entweder Sie stellen sich vor und sagen, was Sie wollen, oder Sie verschwinden sofort.“
„Pscht“, zischte er. „Seien Sie nicht so laut, er könnte uns hören.“
„Das ist doch lächerlich. Also, wer sind Sie?“
„Bitte, nicht so laut! Mein Name ist Nils Bogart und ich ... also ich habe Grund zu der Annahme, dass Ihr Nachbar sehr gefährlich ist.“
„Mr. Tellerond?“ Sara lachte ungläubig. „Ausgerechnet er? Ist er ein entsprungener Killer oder Frauenschänder oder was?“
„So etwas ähnliches.“ Nils Bogart suchte offensichtlich nach den passenden Worten. „Ich weiß, dass das, was ich Ihnen jetzt sagen werde, äußerst merkwürdig klingt, aber ich bitte Sie inständig mir zu glauben. Vorher