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dicken Diktator mit Sicherheit nicht beizukommen.

      Fu Lingpo war eigentlich vom ersten Moment an sehr zuversichtlich, was das Treffen anbelangte, dass also dem angeblich völlig unfähigen Trump unter Umständen die Quadratur des Kreises tatsächlich gelang und die jahrzehntealte Feindschaft zwischen den beiden Nationen beendet werden konnte. Denn die Perspektiven Nordkoreas mit all den harten Sanktionen waren auf lange Sicht desaströs. Sie mochten vielleicht noch ein paar Jahr lang wie bislang weitermachen und Kim Jong-un konnte den starken Mann und den uneingeschränkten Herrscher mimen. Doch früher oder später würden auch die Europäer gegenüber den USA einknicken müssen und endlich die Bankkonten und all den übrigen Besitz Nordkoreas in der EU einfrieren und so dem Regime in Pjöngjang den allerletzten finanziellen Saft abdrehen.

      Seine Lebenspartnerin Sophie Shi hielt allerdings rein gar nichts von Präsident Donald Trump.

      »Ein ausgesprochen dummer Mensch«, hatte sie ihn betitelt, als sie ihn das erste Mal am Fernsehen sprechen hörte. Das war während den republikanischen Vorwahlen gewesen.

      »Ein gefährlicher Ignorant«, meinte sie wenig später, als sie eine seiner Wahlkampfreden mit dem triefenden Spott und den haltlosen Verdächtigungen gegen Hillary Clinton verfolgte, gewürzt mit primitiven, verbalen Angriffe gegen die Politik Barack Obamas.

      »Ein ekelhafter Fatzke«, urteilte sie wenige Monate nach Trumps Amtsantritt und nach all den Personalwechseln im Weißen Haus.

      Regelmäßig gerieten sich die beiden Chinesen deswegen sogar in die Haare. Fu Lingpo war zwar auch der Ansicht, dass ein Mensch wie Trump eigentlich nicht wählbar war und blieb. Doch die Alternative hätte Hillary Clinton bedeutet. Wäre sie eine bessere Präsidentin gewesen? Die lügende Hillary, die den Wallstreet-Bankern das Blaue vom Himmel versprach und wenig später ihren Wählern kaltschnäuzig erzählte, sie würde im Amt die Banker in New York in die Schranken weisen? Obwohl diese Finanzjongleure zu den größten Geldgebern ihres Wahlkampfs gehörten?

      »Aber all das kam doch nur wegen den Russen und ihren Hackern heraus«, mäkelte Sophie an den Veröffentlichungen herum. Wikileaks hatte Reden von Hillary Clinton vor den Wallstreet-Größen publik gemacht.

      »Dann ist dir also lieber, wenn Wähler von ihren Politikern schamlos angelogen und diese Lügen niemand aufgedeckt werden?«, konterte Fu.

      »Politiker lügen doch ständig. Sie sind während des Wahlkampfs bloß auf Stimmenfang aus, kennen dabei keinerlei Würde oder Ehrlichkeit. Schau dir doch deinen Trump an? Was der für rassistisches Zeug verzapft hat, nur um seine Nazi-Wählerschaft bei Laune zu halten.«

      »Aber Trump hat zumindest keine leeren Versprechungen gemacht, setzt all das um, was er im Wahlkampf den Leuten versprach«, warf Fu dagegen ein.

      »Ach ja?«, meinte Sophie spitz, »und wie war das mit Obamacare? Diese sinnvolle, notwendige Krankenversicherung wollte Trump doch in Grund und Boden stampfen?«

      »Was kann Trump dafür, wenn der Kongress ihm nicht folgt?«

      »Aber sein Gegenvorschlag war derart bescheuert, da konnten ihm nicht einmal seine eigenen Parteigenossen zustimmen«, triumphierte die Chinesin.

      »Die gehören doch fast alle zum alten Establishment in Washington. McCain und all die anderen Kerle, die dort oft seit Jahrzehnten hocken und eine fest aufeinander eingeschworene Schattenregierung darstellen. Von Anfang an haben die gegen Trump gearbeitet, wollten am liebsten Bush III in die Wahl gegen Clinton II schicken. Doch Trump setzte sich mit Leichtigkeit gegen alle seine republikanischen Gegner durch und wurde dann sogar zum Präsident der USA gewählt. Ich kann McCain bis zu einem gewissen Grad verstehen, so, wie ihn Trump abgekanzelt hat.«

      »Abgekanzelt?«

      »McCain war doch ein paar Jahre lang Kriegsgefangener des Vietcong, wurde dort auch grässlich gefoltert, kehrte später als Held in die USA zurück. Trump meinte jedoch zu seinem innerparteilichen Gegner bloß, dass ihm Leute, die sich nicht gefangen nehmen lassen, weitaus lieber wären.«

      Sophie winkte ab.

      »Donald Trump hätte die Aufgabe, zumindest alle Repräsentanten der eigenen Partei auf seine Linie zu bringen. Doch mit all den abstrusen Ideen, seinen wankelmütigen Ansichten und wirren Querschüssen kann ihm doch gar niemand folgen, der noch alle Tassen im Schrank hat. Trump ist völlig unberechenbar«, konterte Sophie Shi wütend geworden.

      »Das ist doch alles Taktik«, versuchte Fu Lingpo wieder Boden wett zu machen, »Zuckerbrot und Peitsche. Und das funktioniert doch auch ganz gut?«

      »Du meinst wohl eher: Peitsche, Peitsche, Peitsche, Zuckerbrot, Peitsche und dann nichts mehr?«, höhnte die Chinesin zurück.

      »Aber in vielen Punkten hat Trump doch Recht? Der Vertrag mit dem Iran ist schlecht ausgehandelt worden, schränkt die Mullahs bloß bei der Weiterentwicklung der Atombombe und nur für zehn kurze Jahre ein. In dieser Zeit bauen und testen sie dafür ihre Mittel- und Langstreckenraketen. Schon in wenigen Jahren werden die Machthaber aus Teheran halb Asien, halb Afrika und ganz Europa mit ihrer Atombombe bedrohen und so ihre Macht-Fantasien in der gesamten Golfregion verwirklichen. Das aber wird Saudi-Arabien kaum dulden und sich ebenfalls Atomwaffen besorgen, womöglich über die USA oder aber über Russland oder China. Diese Aggressionsspirale wird irgendwann unweigerlich zum Krieg führen.«

      »Du siehst die Welt mit der Brille der USA auf der Nase. Doch es gibt weitaus bessere Wege, als ständig mit seinen Muskeln zu spielen. Man muss aufeinander zugehen, offen und ehrlich, miteinander reden und einander zuhören. Nur so entsteht Vertrauen. Und nur aus Vertrauen werden gute, tragfähige und nachhaltige Lösungen geboren. Dieses Dreinschlagen und Säbelrasseln mit dem anschließenden, freundlichen Handshake, wie es Trump praktiziert, ist doch blanker Irrsinn, kann jederzeit außer Kontrolle geraten. Der aktuelle US-Präsident ist ein Risikofaktor für die gesamte Erde.«

      »Das siehst du zu einseitig, Sophie. Okay, Trump ist politisch völlig unerfahren. Doch all diese Berufspolitiker in den anderen Ländern wissen das doch ganz genau? Deshalb reagieren sie auf all die Entgleisungen des US-Präsidenten auch so gelassen und abgeklärt. Und deshalb kann Trump erfolgreich auf diese unkonventionelle Strategie setzen.«

      Ja, so oder ähnlich liefen einige ihrer privaten Debatten in den letzten Monaten ab. Denn beide waren an Politik sehr interessiert, weitaus mehr als früher, als sie noch in Hongkong lebten. Das war eines der seltsamen Dinge im Leben, auch wenn dies weder Sophie Shi noch Fu Lingpo bewusstwurde. Dass man sich fern seiner Wurzeln plötzlich für die gesamte Welt zu interessieren begann, während man zuvor über viele Jahre hinweg nur auf sich und die lokalen Probleme geschaut hatte.

      »Reisen bildet«, lautete ein geflügeltes Wort.

      Doch das konnte so kaum stimmen. Denn die meisten Urlauber flogen mit ihren Vorurteilen in die Ferien und kamen mit noch größeren Vorbehalten zurück. Eher müsste man wohl sagen: »Wer für sich selbst eine neue Heimat finden muss, der betrachtet die Entwicklungen auf der gesamten Welt. Wer dagegen bereits eine Heimat besitzt, der nistet sich dort bequem ein.«

      Kulang hatte sich in der Zwischenzeit ausnahmsweise sein drittes Bier bei Fu Lingpo bestellt, wandte sich mit der Neige des zweiten an die Gästeschar im Pub.

      »Wer für Trump ist, der soll die Hand heben!«, krakelte er angetrunken und laut, blickte sich mit wilden Augen um, suchte nach einem Gegner, den er angehen konnte. Niemand beachtete den kräftigen Südafrikaner. Alle taten so, als hätten sie nichts gehört oder ihn nicht verstanden.

      »Na gut ... brave Leute«, kommentierte Kulang die fehlende Reaktion der Gäste, wertete sie als strikte Ablehnung von Trump.

      Fu Lingpo stellte das Bier vor dem Angetrunkenen hin, knallte das Glas dabei aber so laut auf den Tresen, dass sich Kulang abrupt zu ihm umdrehte.

      »Geht aufs Haus«, meinte der Chinese freundlich grinsend, »aber nur, wenn du aufhörst, über Politik zu reden.«

      Das Augenzwinkern des Pub-Betreibers musste dem Trinker entgangen sein, denn er reagierte heftig aufbrausend.

      »Waaaas? Du willst mir den Mund verbieten?

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