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zurück und erwiderte, mit ernstem Blick nach oben deutend:

      „Allerdings hattest Du einen Schutzgeist, der über Dich wachte, aber es ist das Auge Gottes, das jedes Haar Deines Hauptes gezählt hat, und ohne dessen Willen keins zur Erde fällt - ihm danke für Deine bisherige Sicherheit, nicht mir. Aber komm, Fremder," setzte sie dann freundlicher hinzu - „nimm Dein Bett und wandere und folge mir, ich will Dich vor Tag, und ehe böse Menschen im Thale neue Anschläge schmieden könnten, an die andere Seite der Insel bringen. Dort steht das Haus eines frommen Mannes, das Dich schützen wird, bis Dein Schiff diese Gegend verlassen hat, und dann kannst Du später nach Tahiti hinübergehen, wo viele Deiner Landsleute leben, und dort in Sicherheit wohnen."

      „Mein Bett mitzunehmen, möchte hier schwer werden," lachte aber René, dessen leichter Sinn ihn in der Nähe des schönen Mädchens, das so freundlich um ihn besorgt war, schon über alles Andere weggesetzt hatte, „das wollen wir lieber liegen lassen; mit dem Kopfkissen mochte es eher gehen - und wie ist's mit den Provisionen - soll ich die Cocosnuß und Bananen -"

      „Wir finden genug auf unserem Weg," unterbrach ihn aber das Mädchen - „iß und trink, wenn Du jetzt Hunger hast, und sorge nicht weiter."

      „Dann mag es sich mein Dolmetscher morgen als schwachen Beweis meiner Erkenntlichkeit mit hinunter nehmen," lachte René, „der alte Bursche wird schön schauen, wenn er das Nest leer und den Vogel ausgeflogen findet."

      „Oh, sprich nicht mit so leichtem Muth über eine Gefahr, der Du noch keineswegs entgangen bist!" bat aber das Mädchen; „ich selber kann nichts für Deine Sicherheit thun, als Dich zu einem Andern führen und diesen bitten, Dir zu helfen. - Er ist selber ein Weißer und ein Diener des Herrn und wird gewiß Alles für Dich thun, was in seinen Kräften steht. - Er ist aber doch auch nur ein Mensch, und vermag Dir keinen andern als eben nur menschlichen Schutz zu gewähren." /41/

      „Ein Weißer? - und ein Diener des Herrn?" sagte aber René rasch und nachdenkend - „ein Missionär also?"

      „Gewiß, ein Missionär," bestätigte die Jungfrau - „er hat mich von frühester Jugend auferzogen und seine Sprache und Religion gelehrt - er ist ein stiller, friedlicher und guter Mann."

      René blieb nachdenkend eine kleine Weile stehen, und es ging ihm im Kopf herum was er Alles, vielleicht in seinem katholischen Vaterland noch übertrieben, über die protestantischen Missionäre dieser Inseln gehört und gelesen. Durfte er doch auch für sich selber schon aus zwei Gründen keine freundliche Aufnahme erwarten, erstlich als entlaufener Matrose und dann als Katholik. Er war aber nicht der Mann, sich vor der Zeit vielleicht unnöthige Sorgen zu machen, that er's doch nicht, wenn er selbst Ursache dazu hatte.

      „So sei es denn!" rief er fröhlich und entschlossen - „wohin Du mich führst, Du holdes Kind, geh' ich gern, und wäre es in den Tod. Hier kann ich doch nicht bleiben," setzte er lächelnd hinzu, als er einen halb komischen, halb verlegenen Blick umherwarf - „der Bequemlichkeiten sind nicht besonders viel, und vor Tag stöberte mich doch am Ende der alte Bursche von Dolmetscher wieder auf - also vorwärts, vorwärts, Du liebes Mädchen - aber welchen Namen hast Du' wie kann ich Dich nennen?"

      „Meine Landsleute nannten mich Sadie," sagte das schöne Mädchen leise - „Sadie, nach einem jener freundliche Sterne dort oben; aber mein Pflegevater verwarf den Name als heidnisch, und ich heiße jetzt Prudentia. - Nur die Insulaner können das noch nicht gut aussprechen und nennen mich lieber mit dem alten Namen."

      „Oh, so laß mich Dich auch Sadie nennen, Du holdes Kind," bat da René - „bist Du nur nicht auch ein freunlicher Stern geworden, der mich hier aus meiner Trübsal hinausführen soll? - und wie gern folg' ich ihm - Prudentia, lieber Gott, der Name mag für des würdigen Mannes Mutter oder Gattin recht gut klingen, aber Deinen Namen hinein verwandeln, Sadie, heißt die Saiten einer Harfe zerreißen und Bindfaden darüber spannen - nein, so /42/ leuchte mir voran, und jener Stern soll nicht genauer seine Bahn halten, als ich der Deinen folge."

      Das junge Mädchen, das wohl den alten liebgewonnenen Namen auch lieber hörte als das fremde, selbst für ihre Zunge schwere Wort, erwiderte nichts weiter, und wie eine Gemse von dem ziemlich steilen Hang hinunterkletternd und den Arm vermeidend, den René nach ihr ausstreckte, sie dabei zu unterstützen, glitt sie auf den Boden nieder, daß René kaum ihren Schritten zu folgen vermochte.

      4.

      Der Mi-to-na-re.

      Es war ein ziemlich langer Marsch durch eine wilde Gegend und oft durch Dickichte, durch die der junge Flüchtling allein nie seinen Weg gefunden. An den Sternen sah er dabei, wie sie viele Umwege machten, entweder vollkommen undurchdringliche Stellen zu umgehen, oder auch vielleicht mögliche Verfolger irre zu führen. Endlich erreichten sie wieder eingezäunte Gartenplätze mit Bananen, Brodfrucht, Orangen, Wassermelonen und süßen Kartoffeln bepflanzt, und als die Sonne eben über dem wieder vor ihnen liegenden Meeresspiegel emporstieg, betraten sie eine freundliche Ansiedelung wohnlicher Bambushütten, sogar mit einigen weiß übertünchten Häusern dazwischen, dicht in den Schatten hoher Cocospalmen und breitästiger Brodfruchtbäume hineingeschmiegt und von einer hohen, festen Umzäunung rings umschlossen.

      René zögerte im ersten Augenblick, den Ort zu betreten - er blieb stehen und betrachtete forschend den kleinen freundlichen Platz, der wie ein in sich abgeschlossenes Paradies /43/ stillen Friedens vor ihm lag. Sadie schaute nach ihm um und frug ihn lächelnd, ob er sich fürchte, näher zu kommen.

      „Fürchten?" sagte der junge Mann leise mit dem Kopf schüttelnd, „wenn ich überhaupt etwas fürchtete auf der weiten Welt - hätte ich da je diese Insel betreten?"

      „Fürchtest Du nichts?" sagte das Mädchen rasch und erstaunt, und schaute zu ihm auf - „fürchtest Du nicht Gott?" -

      Der junge Mann fühlte, daß er hier ein Feld berühre, das er vermeiden müsse. - So wenig er sich selber aus irgend einem Religionsbekenntniß machte, besaß er doch zu viel gesunden Sinn für Recht, es in Anderen zu achten, und er hätte besonders dem holden Kind nicht durch eine rauhe Antwort wehe thun mögen - er sagte deshalb ausweichend: „Ich sprach nicht von Gott, Sadie - ich sprach von den Menschen - also hier wohnt der weiße Missionär?"

      „Hier wohnt er, wenn er auf der Insel ist," erwiderte das Mädchen, durch seine Antwort vollkommen wieder beruhigt - „gerade jetzt aber besucht er mehrere andere Inseln in Missionsgeschäften. Doch schon seit drei Tagen erwarten wir ihn zurück, und jede Stunde kann er wieder eintreffen."

      „Also in diesem Augenblick wohnt kein Missionär auf dieser Insel?" - frug der junge Mann rasch und, wie es fast schien, erfreut.

      „Kein weißer Missionär wenigstens," sagte die Jungfrau; „aber Du scheinst Dich darüber eher zu freuen, und ich hatte geglaubt, es würde Dich beruhigen, wenn Du einen Landsmann in der Nähe wüßtest."

      „So habt Ihr auch eingeborene Missionäre hier?" umging der junge Mann die halbgestellte Frage durch eine andere - „und sind die auf allen Inseln?"

      „Nicht auf allen, doch auf vielen - hier aber," fuhr sie auf das Haus deutend fort - „wirst Du jedenfalls Schutz finden, bis Dein Schiff zurückkehrt, denn von den Bewohnern dieser Insel wird es keiner wagen, Hand an Dich zu legen, so lange Du Dich in den Mauern dieses kleinen Wohnortes befindest. Was Deine eigenen Landsleute freilich thun, wenn sie zurückkommen, weiß ich nicht, doch ich fürchte, sie werden /44/ kaum die Heiligkeit dieses Ortes anerkennen, obgleich sie alle dem Namen nach Christen sind. Mein Pflegevater hat mir oft erzählt, daß auf den Schiffen viel böse, gottlose Menschen hausen, und wir Insulaner hier manchmal viel bessere Christen sind als jene - aber nicht wahr, Du gehörst nicht zu denen?"

      „Oh, da mag Dein Pflegevater wohl vollkommen Recht haben," lächelte René, „denn viel Christenthum darf man auf den Walfischfängern nicht suchen. Darum sind aber doch auch viel gute, brave Menschen zwischen ihnen, liebe Sadie, und ich mag leichtsinnig sein," setzte er gemüthlich hinzu - „aber schlecht bin ich doch wohl nicht. Du wußt mir das freilich auf mein ehrlich Gesicht hin glauben, denn andere Bürgen habe ich weiter nicht dafür."

      Das Mädchen lächelte, vollkommen zufrieden gestellt, vor sich

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