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und Sadie hatten indessen mit freudigem Staunen die rasche Abreise des finstern Mannes gesehen, die sie irgend einer Ursache in seinem geistlichen Wirken zuschrieben, und sie beschlossen nun auch ohne Weiteres hinunter zu Mr. Osborne zu gehn, ihm Alles zu erzählen und ihn um seinen Segen zu bitten.

      Mitonare war indessen, nur erst einmal der beengenden Gegenwart des bodder Au-e enthoben, nicht müßig gewesen, Mr. Osborne den jungen Fremden von der besten Seite zu schildern. Natürlich lag in diesem Lobe ein großer Theil Eigennutz verborgen, denn es mußte ja auch einzig und allein seine Entschuldigung sein, daß er Prudentia's Umgang mit ihm überhaupt geduldet hatte. Solcher Art war er denn noch emsig dabei beschäftigt, und Mr. Osborne saß gar ernst und sinnend vor ihm in seinem Lehnstuhl, den rechten Ellbogen auf die Lehne und das graue Haupt in die rechte Hand gestützt. Es schien ihm recht weh und trüb um's Herz zu sein.

      Da traten die beiden jungen Leute in die Thür, und Sadie blieb erst einen Augenblick schüchtern in der Ferne stehen; als er aber den Blick zu ihr aufhob und sie in das liebe, ehrwürdige, jetzt so kummerschwere Antlitz schaute, da flog sie wie in alter Zeit auf ihn zu, barg ihr Gesicht an seinem Herzen und rief:

      „Mein lieber, lieber Vater!"

      „Mein liebes, liebes Kind!" sagte der alte Mann und küßte das fest an ihn angeschmiegte Haupt des schönen Mädchens – „was habt Ihr denn hier unter der Zeit meiner Abwesenheit für böse, böse Streiche getrieben?"

      Es lag eine so innige Zärtlichkeit in dem Ton, mit dem er diese Worte sprach, und nur ein so leiser - von jedem Ver-/80/dacht freier Vorwurf, daß sich Sadie nur fester gegen seine Brust preßte, aber ihre Hand zurück nach René ausstreckte, diesen herbei zu rufen und zu ihrem Vater zu bringen.

      Der alte Mann, der wohl auf den ersten Blick sah, daß er keinen gewöhnlichen Matrosen vor sich habe, grüßte den sich ihm jetzt offen und vertrauensvoll nähernden jungen Mann freundlich, winkte ihm einen Stuhl zu nehmen, den Mitonare indessen mit großer Bereitwilligkeit herbeigebracht halte, und bat dann René, was er ihm zu sagen habe, ihm ohne jeden Umschweif, mit jedem Vertrauen zu eröffnen. Er habe Prudentia als sein Kind angenommen und von klein auferzogcn, als ihre Eltern gestorben waren und die kleine Waise allein zurückgelassen hatten, und hege dieselben Gefühle noch jetzt für das erwachsene Mädchen, als ob sie seine eigene, leibliche Tochter sei. Er wolle auch nur ihr Glück, möchte das aber gesichert wissen, da es keins der gewöhnlichen Mädchen der Eingeborenen sei, sondern eine fast europäische Erziehung genossen habe und dabei auch vielleicht jetzt tieferfühle, besonders andere Ansichten über die Ehe habe, als sie in diesen Gruppen bei ihren Landsmänninnen wohl meist gefunden würden.

      René hatte trotz seinem Vorurtheil gegen Missionäre von dem ersten Augenblick an Vertrauen zu dem alten Herrn gefaßt, und erzählte ihm jetzt so getreu, aber auch so gedrängt als möglich, seine ganze Lebcnsgeschichte, schilderte ihm, so wahr er es selber vermochte, seinen ganzen Charakter, was ihn in die Welt, was ihn zuletzt an Bord eines Walfischsängers getrieben habe, von dessen ganzem Wesen und Treiben er früher keinen Begriff gehabt, und wie er aus dieser Insel sich jener Eristenz zu entziehen gesucht und hier Sadie gefunden und lieben gelernt habe. Er zeigte ihm dann die Papiere, die er mit sich führte - und Mr. Osborne verstand nicht allein das Französische, sondern sprach es auch sehr geläufig - erklärte ihm, daß es sein fester Wille sei, sich hier aus einer dieser Inseln, am liebsten auf dieser, niederzulassen, und bat den alten Mann, ihm Sadie, die er in der kurzen Zeit seines Aufenthalts recht von Herzen lieb gewonnen habe, zum Weibe zu geben. Er wollte sich dann bei /81/ ihnen seine Heimath gründen, und Mr. Osborne solle einen guten Sohn und Nachbar an ihm finden.

      „Sie sind Katholik?" frug ihn der alte Mann, als René schon eine ganze Zeit lang geschwiegen und er ihn indessen mehr sinnend als forschend betrachtet hatte.

      Des jungen Mannes Antlitz röthete sich ein wenig, als er erwiderte:

      „Lieber Herr, Sie haben gewiß genug von der Welt gesehn, zu wissen, wie es mit der Religion unter jungen Leuten meistens steht. - Ich bin allerdings als Katholik erzogen, und die Meinigen waren sämmtlich, einige sogar sehr strenge Katholiken; ich selber muß Ihnen aber aufrichtig gestehen, habe mich nie streng an die Gebräuche weder meiner noch einer andern Seele gehalten, und Sie können überzeugt sein, daß ich nie daran denken würde, Jemanden zu meinem Glauben überreden zu wollen. Sadie ist in dem ihren aufgewachsen und ein so liebes, braves Mädchen geworden; sie wird ihm auch treu bleiben, und ich wäre der Letzte, sie darin zu stören. Was mich selber betrifft, so suche ich recht zu thun, und hoffe dann mit meinem Gott schon fertig zu werden - er allein weiß ja auch nur, wer den rechten Glauben hat. Sie werden aber auch nie finden, daß ich über den Glauben eines Andern spotte - ein Jeder hat ein Recht zu seiner Meinung."

      Der Missionär hatte nun allerdings gar sehr verschiedene Ansichten über Religion, aber René gewann sich doch durch diese Offenheit sein Herz, denn keineswegs gehörte er zu jener stolzen Priestersecte, die, ihr Religionspanier in der gehobenen Rechten, das Volk vor sich auf die Kniee werfen und so lange damit fortschreiten, bis sie zuletzt ganz zu vergessen scheinen, daß das Volk eigentlich vor dem Panier und nicht vor ihnen kniet. Aber der alte Mann hatte doch noch andere und recht ernste Bedenken, und je mehr er den jungen, lebensfrischen Mann da vor sich stehen sah, so viel schwerer ward ihm das Herz. Aber er wollte das Alles nicht vor der Tochter aussprechen und bat also das Mädchen, auf kurze Zeit das Haus zu verlassen, er habe mit dem jungen Mann etwas allein zu reden. /82/ Sadie war ein viel zu folgsames Kind, auch nur mit einem Blick zu zögern - sie küßte des alten, ehrwürdigen Mannes Hand und verließ dann rasch das Zimmer.

      Der alte Mann saß, schon als die leichte Bambusthür lange hinter ihr zugefallen war, noch viele Minuten schweigend da, als ob er selber nicht rechte Worte für das finden könne, was er sagen wolle.

      „Lieber junger Freund," begann er endlich, „Sie sind frei und aufrichtig gegen mich gewesen, und ich will Ihnen Gleiches mit Gleichem vergelten; Sie werden mir deshalb auch nichts übel nehmen, was ich zu Ihnen sage, denn Gott weiß es, es geschieht sowohl zu Prudentia's als Ihrem eigenen Wohl. Sie sind, wie ich aus Ihren Papieren gesehen habe, von guter Herkunft, in dem gebildeten, geselligen Leben Europas erzogen, an europäische Sitten, an ein Leben gewöhnt, das Ihnen mehr bietet, als nur einfach Essen und Trinken und ein einzelnes Wesen, dem Sie sich anschließen können - mögen Sie dies noch so sehr lieben. Die Beweise haben Sie selber in Ihrem unsteten Leben. Weder in Afrika noch Amerika fanden Sie, was Sie suchten, d. h. was das Bedürfniß Ihres Herzens und Geistes befriedigen konnte - die rohe Gesellschaft des Walfischfängers trieb Sie sogar zu einem verzweifelten Schritt, bei dem Sie lieber Ihr Leben einsetzten, als in jenes Verhältniß zurückkehren wollten. Sie fanden hier, gerade in Ihrer größten Gefahr, auf höchst romantische Weise ein junges reizendes Mädchen, dessen liebe regelmäßige Züge, dessen Gestalt zuerst Ihre Leidenschaft weckte, und dessen Unschuld und Liebreiz, als Sie dasselbe näher kennen lernten, Ihr Herz gewannen. Scenerie und Umgebung, selbst sogar die verschiedene Farbe und Abstammung des Mädchens trug dazu bei, den Reiz in Ihrem eigenen jugendlichen Herzen zu erhöhen. Unser herrliches Klima, die tropische Vegetation, das stille blaue Meer, ja das ganze Stillleben unseres lauschigen Plätzchens hier bestach Ihre Sinne mehr und mehr, und Sie glaubten jetzt - ja Sie sind fest überzeugt davon, daß Sie in dem Mädchen und dieser Insel das Ideal Ihres Lebens gefunden, das Ziel Ihres ganzen Strebens und Drängens erreicht haben. - Wenn Sie sich /83/ aber nun irren? - Ich weiß, was Sie sagen wollen - Sie folgen dem Drange Ihres Herzens und fürchten nicht, daß Sie dieses irre führt, aber hören Sie mich ruhig darüber an. Sie sind jung, das Leben liegt noch offen vor Ihnen - ich bin alt, meine Bahn ist bald durchwandelt, - Sie haben die Hoffnung, ich die Erfahrung,und dreiundzwanzig Jahre meines Lebens hab' ich auf diesen schönen Inseln zugebracht. In dieser Zeit habe ich aber auch viele Leute kommen und gehen, habe Hoffnungen und Träume aufblühen und verwelken sehen und weiß, was ein Mann in Ihren Verhältnissen hier zu finden glaubt - und was er findet.

      „Jetzt ist Ihnen noch Alles neu - die Palmen selber, die ganze tropische Vegetation übt einen Reiz auf den Neuankommenden aus, dem er selten, wenigstens in seinem ersten Andrang, wiederstehen kann; nur wenige Jahre führen aber darin eine gewaltige Aenderung herbei, denn das Herz, besonders das junge Herz bedarf einer Veränderung, bedarf eines Reizes für seine Thätigkeit, wenn es nicht erschlaffen

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