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entsetzt an.

      „Was habe ich getan?“, fragte sie sich leise. Sie zitterte.

      „Mama?“, fragte sie, „Mama, so sag doch was!“

      Sie wollte sie schütteln, traute sich aber nicht. Unbeweglich stand ihre Mutter da und Luna konnte nichts tun. Sie schaute auf die Uhr. Der Sekundenzeiger schien still zu stehen.

      „Was?“, fragte sie, „Aber – wie – wie kann das sein? Was – was habe ich getan? Hilfe!“

      Sie schrie nach Hilfe und nach Hilfe, doch niemand hörte sie.

      Sie öffnete das Fenster und blickte nach unten. Erst war sie sich nicht sicher, ob sie richtig gesehen hatte. Die Stadt schien still zu stehen. In Panik rannte sie zur Tür, die Treppen hinunter, aus dem Haus heraus. Sie fand sich im Getümmel der Stadt wieder – oder auch nicht? Sie war die einzige Person, die sich bewegte. Bewegen konnte. Was war nur mit ihr geschehen?

      Verzweifelt rannte sie die Straßen entlang, berührte versehentlich ein paar Leute, nichts geschah. Sie rannte und rannte, bis sie sich wohl irgendwo zwischen Talviertel und Seeviertel wiederfand. Und dann sah sie ihn – ihren Lehrer.

      Er stand bewegungslos da, wie alle anderen auch, dennoch rannte sie auf ihn zu. Er schien sich gerade mit einem ziemlich protzigen Typen über irgendetwas weniger Belangloses zu unterhalten.

      „Herr Deroll!“, schrie sie, „Herr Deroll, du musst mir helfen!“

      Nun stand sie direkt vor ihm. Er bewegte sich nicht. Sie weinte.

      Was sollte sie nur tun?

      Vorsichtig ergriff sie seine Hand mit der ihren. Sie drückte sie ganz fest an sich und schluchzte. Sie war doch so ganz hilflos dieser merkwürdigen Situation ausgeliefert.

      Plötzlich geschah etwas.

      „Was – wie – aber – ich habe doch gar nicht …!“, bemerkte ihr Lehrer.

      Freudig quiekte sie auf.

      „Luna? Du?“, fragte er und beugte sich zu ihr runter.

      Sie nickte.

      „Gott sei Dank! Bitte, bitte, du musst mir helfen! Ich weiß nicht, was ich tun soll – irgendwie habe ich die Welt angehalten und niemand außer mir kann sich noch bewegen!“, erklärte sie verzweifelt.

      Er schaute sie erstaunt an. „Hm, ja das ist allerdings ein Problem“, meinte er leise, dann wieder etwas lauter: „Allerdings kann ich dir da bestimmt irgendwie helfen!“

      Sie nickte eifrig.

      „Komm, wir gehen jetzt erst einmal zu dir nach Hause“, meinte er ruhig, „Dann sehen wir weiter.“

      Sie führte ihn zu sich nach Hause.

      „Aber meine Mama ist bestimmt nicht so erfreut, wenn du so plötzlich bei uns im Wohnzimmer stehst!“, erklärte sie.

      Er nickte. „Ja, das kann ich mir gut vorstellen“, meinte er.

      Sie hatten das Talviertel schon fast hinter sich gelassen. Luna und ihre Mutter wohnten im Bergviertel, was günstiger wegen Mamas Arbeitsplatz war.

      „Was war überhaupt der Grund dafür, dass du die Zeit angehalten hast?“, fragte er nach einer Weile Schweigen.

      „Mama will ihren Freund heiraten, aber das ist ein Idiot. Ich mag ihn nicht. Er heißt Henry“, erklärte Luna bockig.

      Dellis Deroll lächelte leicht.

      „Was ist daran denn so lustig?“, fragte sie irritiert.

      „Nichts. Es freut mich nur, dass du ihn nicht magst“, erklärte er kleinlaut.

      Sie starrte ihn an. „Wieso denn das?“, wollte sie wissen.

      Er seufzte. „Erklär ich dir ein andermal“, meinte er.

      „Ein andermal, ein andermal! Das sagt Mama auch immer!“, behauptete Luna.

      Er nickte. Das konnte er sich gut vorstellen.

      Sie waren fast da. Die Haustür rein, die Treppen rauf. Da war auch schon die Tür.

      „So“, meinte Dellis noch, bevor er sich verabschieden wollte, „du gehst da jetzt wieder rein und zählst etwa bis fünf, das kannst du doch, oder? Wenn nicht, dann wäre ich ein sehr schlechter Lehrer!“

      Luna kicherte. „Nein, bist du nicht. Ich hab dich lieb!“, erklärte sie und gab ihm einen Wangenkuss.

      Er errötete leicht. „Bis morgen!“, meinte er, „Ich muss jetzt leider wieder zu meiner Unterhaltung zurück. Mach deine Hausaufgaben, tschüss!“ Er ging die Treppen nur drei Stufen runter, wartete, bis sie die Tür geschlossen hatte und hielt seinerseits die Zeit an.

      „Wirklich sehr interessant“, murmelte er, als er die Treppe wieder herunter lief, „Wie hat sie das nur gemacht, dass sie mich mit in ihre Zeitunterbrechung geholt hat? Das sollte man mal gründlicher untersuchen. Nur, leider – wann, wann? Ach, ist ja auch egal, ich muss jetzt erst mal wieder zurück zu Kalmir. Seine ach so spannende Geschichte von seiner Einhornfreundin ist zwar nur halb so spannend, wie das hier, aber dennoch – ein Freund ist ein Freund.“

      Es dauerte nicht lange, dann war er wieder genau da, wo er gestanden hatte. Schon ging die Zeit für ihn normal weiter.

      „Sag mal, alles OK bei dir? Du siehst so abwesend aus?“, fragte Kalmir irritiert, als er bemerkte, dass Dellis ihm gar nicht mehr richtig zuhören konnte.

      Luna war wieder in der Wohnung. Ihre Mutter stand immer noch da, wo sie sie zurückgelassen hatte.

      „OK. Eins, zwei, drei, vier, fünf!“, zählte sie und versuchte, von ihrem Zorn, ihrer Aufregung loszulassen.

      Es klappte.

      „Luna?“, fragte Clema irritiert, als sie ihre Tochter nicht mehr vor sich sah.

      „Mami!“, rief Luna erleichtert und sprang sie von hinten an.

      „Schatz – wie – wie bist du denn so schnell nach da hinten gekommen?“, fragte Clema irritiert.

      „Ich weiß auch nicht so genau. Irgendwie habe ich wohl die Zeit angehalten. Zumindest hat das Herr Deroll so formuliert“, erklärte Luna achselzuckend.

      „Herr Deroll? Wie konntest du denn mit ihm darüber reden?“, hakte Clema nach.

      „Naja – ich habe seine Hand angefasst und dann konnte er sich bewegen. Und dann hat er mich hierher zurückgebracht und dann hat er gemeint, ich soll hier rein gehen und dann sollte ich bis fünf zählen und dann habe ich das gemacht und dann – dann konntest du dich wieder bewegen, weil ich irgendwie so losgelassen habe und dann war alles wieder ganz normal“, ratterte Luna die Ereignisse runter.

      Clema starrte sie an.

      Dann rannte sie rasch zur Tür und riss sie auf. „Dellis?“, fragte sie in den Gang hinein.

      Keine Antwort. Er war schon weg. Enttäuscht ging sie wieder rein. Was hatte sie auch erwartet?

      „Woher kennst du meinen Lehrer denn?“, fragte Luna neugierig.

      „Ach, das ist eine lange Geschichte“, erwiderte Clema abwinkend.

      „Aber woher kennt ihr euch denn?“, ließ Luna nicht locker.

      Clema seufzte. Sollte sie es ihr sagen? Lieber nicht, dann würde die Kleine nur noch mehr durchdrehen. Es war ja nicht so, dass es sie störte, dass Luna ihren Vater wohl mochte – aber dennoch – seltsam war es schon. Das Einzige, was Clema wirklich noch Sorgen bereitete, war der nächste Neumond – oder auch der Vollmond – ach, war ja auch egal, sie fürchtete sich vor dem Augenblick, an dem sich ihre Tochter zum ersten Mal verwandeln würde.

      „Was ist?“, holte Luna sie aus ihren Gedanken.

      „Hm? Ach, nichts. Ich habe nur nachgedacht“, erwiderte Clema.

      „Also,

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