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noch einmal, dass die Transaktion an den Käufer von uns gut überlegt und heiß diskutiert wurde. Das sehen Sie auch an dem knappen Abstimmungsergebnis im Rat ...!“

      „Das uns aber auch nicht weiterhilft!“

      Schaeflein begann sich zu ereifern und hatte offensichtlich nicht vor, Hildebrandt noch einmal zu Wort kommen zu lassen.

      „Meine Herren, um es kurz zu sagen: Die Gemeindeväter haben das Anwesen an eine Sekte verkauft. An eine Glaubensgemeinschaft, die in diesem Ort und über seine Grenzen hinaus nichts Gutes im Schilde führen wird, davon können Sie ausgehen!“

      „Eine Sekte?“

      Ich glaubte, nicht richtig zu hören.

      „Eine Sekte? Na und? Was ist das Schlimme dabei. Jedem Tierchen sein Plaisierchen und jedem Menschen seine Glaubensrichtung. Gehen Sie doch mal in die Städte! Jede Menge religiöser Gemeinschaften. Katholische und evangelische Kirchen, Muslime werden ihre Moscheen mit Minaretten bauen. Na und? Ich kann mich nicht erinnern, dass es jemals zu Problemen gekommen ist.“

      „Das ist die Stadt, Spürmann! Die Stadt! Aber wir leben hier in der Provinz!“

      Schaeflein war außer sich. „Es wird zu Abwerbungen von Mitgliedern unserer Pfarrei kommen und es wird familiäre Probleme geben. Wenn die jemanden in ihren Fängen haben! Scientology! Ich sage nur: Scientology! Gehirnwäsche und so. Wer einmal in deren Krallen hängt, für den gibt es kein Zurück mehr! Wir haben seit Bestehen dieses Ortes unsere Religion. So soll es auch bleiben! Du sollst keine fremden Götter neben mir haben, spricht der Herr!“

      „So schlimm wird es schon nicht sein. Irgendwo verehren doch alle Glaubensgemeinschaften den gleichen Gott“, gab ich einen vorsichtigen Einwand und erntete einen strafenden Blick.

      „Und wir wissen doch nicht einmal, was da auf uns zukommt“, fuhr ich fort. „Ist es eine Sekte? Ist es eine Glaubensgemeinschaft? Das ist doch ein großer Unterschied.“

      „Auf geradem Weg zu Gott!“

      Glasheber hatte es mit Blick auf sein Weizenbierglas vor sich hin gesagt.

      „Ja, so sollte es sein. Auf geradem Weg zu Gott!“ Schaeflein atmete schwer. „Aber …!“

      „So nennt sich diese Sekte. Auf geradem Weg zu Gott. Klingt doch sehr religiös“, ließ sich Lauheim kleinlaut vernehmen. „Man sollte nicht voreingenommen sein!“

      „Ich weiß auch nicht, worüber wir uns hier aufregen!“ Hildebrandt trank den letzten Schluck aus seinem Bierglas und stand auf. „Es ist doch eh alles unter Dach und Fach. Sie werden sehen: Viel Lärm um nichts! Ich muss weg. Habe noch einen Termin. Einen Todesfall, Sie verstehen.“

      Wir verstanden. Inzwischen hatte Hildebrandt seinen Job als Leichenbestatter zum Hauptberuf gemacht und hatte alle Hände voll zu tun in Forstenau, aber auch in den Nachbargemeinden, denn gestorben wird ja bekanntlich immer. Mit der Art seines Stresses hatten sich die Gremien, die mit ihm zusammenarbeiteten, längst abgefunden. Sie wussten, dass er meist zu spät zu den Treffen kam und auch, dass er dieselben meist vorzeitig verlassen musste. Versuchte er dann doch einmal pünktlich zu sein, waren es Anrufe auf seinem Mobiltelefon, die für seinen vorzeitigen Abgang sorgten.

      Auch Schaeflein erhob sich und legte einen Geldschein auf den Tisch.

      „Ignoranten! Alles Ignoranten. Sie werden noch an mich denken, aber dann wird es zu spät sein!“, wetterte er im Hinausgehen und ich bildete mir tatsächlich ein, eine dunkle Zorneswolke über seinem Hut feststellen zu können, die ihn auf seinem Weg nach draußen begleitete.

      Ich nahm mir vor, in den nächsten Tagen das Haus dieser Sekte aus entsprechender Distanz einmal in Augenschein zu nehmen, aber mehr auch nicht, ganz privat. Schließlich war die Existenz anderer Glaubensgemeinschaften als der gewohnten nicht strafbar und solange sie nicht gegen das Gesetz verstießen, waren ihre Anhänger harmlose Bürger wie alle anderen auch.

      Lisa, meine Lebensgefährtin, hatte heute Kirchenchorprobe und mir deshalb einen Zettel mit einer Nachricht hinterlassen.

      Seit dem Vorfall in Bad Sobernheim mit ihrer Freundin Christine war sie ängstlicher geworden und ließ mich stets wissen, wo sie erreichbar war.

      Weder sie noch Christine hatten sich so richtig von dem erlittenen Schock erholt, als ihre Freundin fast Opfer einer illegalen Organhandel-Bande geworden war. In letzter Minute konnten wir sie aus den Fängen der Verbrecher befreien und den gesamten Ring sprengen. Ich war kaum zu Hause und hatte die Beine auf der Couch hochgelegt, da war ich auch schon eingeschlafen. Irgendwann weckte mich Lisa. Sie trug ihr dunkelblondes langes Haar heute offen, und als sie mich küsste, vereinnahmte ihre Haarpracht mein Gesichtsfeld komplett.

      Widerstandslos ließ ich mich von Lisa ins Schlafzimmer führen und entschwand, kaum lag ich im Bett, mit einer geflüsterten Entschuldigung ins Reich der Träume.

      3. Kapitel

      Es war Samstag, kurz vor 9 Uhr. Lisa und ich hatten endlich mal wieder so richtig ausschlafen können, was an den Wochenenden schon lange nicht mehr der Fall gewesen war. Ich hatte mich an diesem Morgen sogar aufgerappelt, war in die Küche geschlichen, während Lisa noch schlief und hatte Frühstück gemacht.

      Während der Kaffee in der Maschine vor sich hin brabbelte suchte ich Brot, Butter und die üblichen Dinge zusammen, die ein Frühstück ausmachten und stellte zwei Frühstücks-Eier zum Kochen auf den Herd auf.

      Ein paar Minuten später erfüllte Kaffeeduft die gesamte Wohnung. Ein herrlicher Geruch, den ich allzu selten in meinen eigenen vier Wänden wahrnehmen konnte. Immer wieder kam irgendetwas dazwischen, so dass ich meist, mit der Tasse in der linken, einer Scheibe Brot in der rechten Hand und auf dem Sprung, an irgendeinem Tatort erwartet wurde.

      Heute fühlte ich mich wie ein König. Bei Lisa konnte ich Punkte sammeln. Ein Frühstück im Bett, dafür würde sie eines ihrer schönsten Paar Schuhe hergeben. Heute schien es zu funktionieren. Auch ich war erleichtert. Endlich mal wieder ein Wochenende, an dem ich mit Lisa etwas unternehmen konnte.

      Ich schnappte mir das Tablett mit dem Frühstück für zwei und wollte gerade mit vor Stolz gewölbter Brust Lisa im Schlafzimmer als treusorgender Fast-Ehemann meine Aufwartung machen, da läutete die Türklingel.

      Erstaunt sah ich erst auf Lisa, dann auf meine Uhr und mit einem Schulterzucken warf ich mir den Morgenmantel um und öffnete die Haustür. Ich zwinkerte mit den Augen, denn die Junisonne schlug mir voll auf die Pupillen. Warum das so war, stellte ich fest, nachdem sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten.

      Vor mir standen zwei Gestalten männlichen Geschlechts, beide in schneeweiße Anzüge gehüllt. Anzüge war eigentlich nicht der richtige Ausdruck für die Kleidungsstücke. Ich schaute mir die beiden Gestalten näher an, musste dabei die Augen immer noch zur Hälfte geschlossen halten. Da standen zwei Figuren vor mir, von denen ich annahm, dass es sich um Männer handelte. Beide waren um die fünfzig, schätzte ich jedenfalls, beide waren glattrasiert, beide waren braun gebrannt.

      Urlauber! Ja, Urlauber, die ihre Zeit hier im Hunsrück verbringen wollten, Ausländer offenbar. Vielleicht Inder oder so. Dafür würden auch die Kleidungsstücke sprechen. Weiß, alles weiß. Schneeweiß. Weiß die Hose, weiß die Schuhe, weiß das, was sie darüber trugen. Es waren keine Jacketts, es waren Umhänge oder Pelerinen, ohne Knöpfe, ohne Reißverschlüsse, einfach Umhänge mit einem Loch, durch das man den Kopf steckte, ärmellos. Darunter trugen sie Hemden mit langen Ärmeln, die Kragen hatten beide über die Öffnung am Hals gelegt. Auf ihren Köpfen trugen sie kleine Kappen, ähnlich wie Matrosen sie trugen, jedoch ohne die beiden Bändchen an der Nackenseite und … wie konnte es anders sein … natürlich in Weiß.

      Was nicht zu ihnen passte, waren die beiden Plastiktüten, die sie, jeder eine, in ihren Händen hielten.

      Sie wollten mich sicher nach dem Weg fragen, nach irgendeinem Hotel hier in Forstenau, die beiden Urlauber. Ob ich sie in Englisch anreden sollte, überlegte ich, doch der eine von ihnen, ich glaube er war etwas älter

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