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mehr um seiner Liebe willen verstoßen. Und ob er

       wohl noch lebte? – Da machte der alte Graf sich auf,

       den Sohn zu suchen, und suchte ihn ab und zu am

       Rheinstrom und in den Flußtälern, die in diesen münden,

       und in den Seitentälern und auf den Bergen. Da

       kam er einst ermüdet an ein kleines Winzergehöft,

       und da traf er ein Winzerpaar, Mann und Frau und

       wohl auch Kinder, und sahe, wie diese Leute ringsum

       den Felsboden gerodet hatten und hatten Reben gepflanzt

       und gewannen ihr Brot, das sie mit ihm teil-

       ten, denn er war hungrig, und das junge Weib bot ihm

       Trauben aus irdener Schüssel, und der Mann trat

       dazu, auf der Schulter den blinkenden Karst, blinkend

       von stetem, fleißigem Gebrauche. Da erkannte der

       alte Graf mit einem Male seinen Sohn in dem Häcker

       und fiel ihm um den Hals und weinte und segnete.

       Darauf hat der Ritter über sein Weinberggehöft sich

       eine Burg gebaut und sie mit den Seinen bezogen,

       denn er wollte nicht mehr hinweg von dem Stück

       Erde, das er mit seinem Weibe gerodet und bebaut

       hatte. Das nannte man hernach den Grafenroder oder

       kurzweg Graroder Hof, weil ein Graf es gerodet hatte.

       Der alte Graf lebte noch lange Jahre glücklich bei seinen

       Kindern und Enkeln, und der junge Graf nahm

       zum Helmkleinod einen bärtigen Mann im schwarzen

       kurzen Rock, auf der Schulter eine silberne Rodhaue

       tragend, zum Andenken, daß er selbst mit seiner Geliebten

       den Boden gerodet habe. In der alten Kirche

       zu Schierstein am Rhein sind noch Grabmäler des Geschlechts

       zu sehen.

       73. Not Gottes

       Zu Rüdesheim am Rhein bewohnte das mannliche

       Geschlecht der Brömser von Rüdesheim ihre uralte

       graue Feste, deren Aufbau in die Römerzeit fällt, und

       weiter stromabwärts an der Waldberger Höhe ist das

       Kloster gelegen, welches den wunderbarlichen Namen

       Not Gottes trägt. Ein Brömser von Rüdesheim zog

       nach Palästina, tat allda viele mannliche Taten, bezwang

       viele Sarazenen und kämpfte mit einem Drachen,

       den er auch erlegte, aber bei dieser Gelegenheit

       oder bald darauf fiel er in die Hände der Ungläubigen,

       die ihm schwere Ketten zu tragen auferlegten. Da gelobte

       er in seinem Kerker, seine Tochter, die er als ein

       junges Kind verlassen, dem Himmel zu weihen, wenn

       sie am Leben bleibe und er in die Heimat rückkehre.

       Und siehe, des Ritters Ketten fielen von ihm ab, der

       Himmel nahm das dargebotene Opfer an, der Ritter

       entkam und eilte der Heimat zu. Freudvoll empfing

       ihn seine schön erblühte Tochter, und er offenbarte ihr

       sein Gelübde. Da wurde die Tochter bleich wie der

       Tod – sie war in Minne einem jungen Ritter zugetan,

       dessen Hand zugesprochen zu erhalten sie von ihrem

       Vater zuversichtlich gehofft. Aber es halfen nicht Flehen,

       nicht Tränen, der Vater glaubte dem Himmel vor

       allem schuldig zu sein, sein ritterliches Wort zu hal-

       ten. Da enteilte die Tochter laut wehklagend der

       Brömserburg, erklimmte den nächsten Felsen und

       stürzte sich in den Strom hinab. –

       Groß war des Vaters Schmerz, und da er nun sein

       Gelübde nicht halten konnte, und um des teuern Kindes

       Schatten zu söhnen, tat er ein abermaliges Gelübde,

       er wollte ein Kloster erbauen. Es ging aber ein

       Mond nach dem andern hin, und mochte wohl so

       kommen, daß der alte Brömser durch alten Rüdesheimer

       seinen Schmerz hinwegbannte und darob sein

       Gedächtnis etwas schwach ward – da hatte er einmal

       ein nächtliches Gesicht: der Drache, den er in Palästina

       erlegt, war wieder bei ihm, und lebendig, und

       fauchte ihn mit weitaufgesperrtem Rachen an und

       drohte ihn zu verschlingen mit Haut und Haar – da

       sah er die Gestalt seiner Tochter, die winkte den Drachen

       hinweg und blickte gar wehmutvoll auf den

       Brömser und verschwand.

       Am Morgen aber kam des Brömsers Ackerknecht

       und sagte an, wie er in aller Frühe mit dem Pflug und

       den Stieren zu Acker gezogen sei, habe er eine klagende

       Stimme vernommen, die immerfort gerufen:

       Not Gottes! Not Gottes! Und die Stiere hätten nicht

       anziehen wollen, sondern immer am Boden gescharrt.

       Sogleich begab sich Ritter Brömser selbst hinaus auf

       das Ackerfeld, und da vernahm er dieselbe wehklagende

       Stimme: Not Gottes! Not Gottes!, die ganz in

       der Nähe von der Stelle drang, wo die Ochsen standen

       und scharrten, und zwar kam die Stimme aus einem

       hohlen Baume. Der Ritter rief und suchte, aber er entdeckte

       nichts, da ließ er den Baum spalten, und da

       entdeckte sich innen am Boden des hohlen Stammes

       eine Monstranz mit dem heiligen Leib und ein hölzernes

       Bild des Schmerzensmannes. Als diese Kleinode

       dem Baum entnommen waren, schwieg die Stimme,

       und die Stiere waren ruhig. Ein Jude hatte beide heiligen

       Stücke aus einer nahen Kirche entwendet und

       allda verborgen. Das erinnerte nun den Brömser stark

       an die Erfüllung seines Gelübdes; er gründete ein

       Kloster, ließ an des hohlen Baumes Stelle den Altar

       aufrichten und stellte das Christusbild darauf, und geschahen

       zu dem Kloster, das Zur Not Gottes genannt

       ward, und zu dem Bilde viele Wallfahrten rheinab

       und -auf, daß öfters an einem Tage sechzehntausend

       andächtige Waller da waren, und das Bild tat vordem

       große Wunder.

       74. Räderberg

       Auf dem Räderberge ohnweit Nassau soll vorzeiten

       ein Kloster gestanden haben, davon man noch einige

       Trümmer sieht, aber niemand wisse, wes Ordens.

       Einst ging ein Metzger aus Nassau gegen Abend aus,

       Vieh einzukaufen, und wandelte auf der Landstraße

      

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