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Attich diesem sein Kind zum Ehegenoß

       und gebot Ottilien, sich nicht länger zu weigern.

       Das erschreckte die fromme Jungfrau gar sehr, sie

       suchte Trost und Rettung im Gebet und fand endlich

       einen Ratschluß, welcher kein anderer war als schnelle

       Flucht. Da nun der Bräutigam am Morgen angeritten

       kam, war die Braut abhanden und nirgend zu finden.

       Boten ritten und liefen wohl im Vogesengebirge

       umher und auf und ab all um den Rhein, und keiner

       fand Herrn Attichs Tochter, bis nach dreien Tagen

       endlich die Kunde kam, Ottilia sei in einem Schifflein

       über den Rhein gefahren, mutterseelenallein, und

       mochte wohl ein Engel ihr Ferge gewesen sein. Da

       forschten nun ihr Vater und der Graf gar fleißig nach

       ihr und waren weit aus und kamen bis gen Freiburg

       im Breisgau, und als sie dort im Tale ritten, sahen sie

       auf einmal auf einer Bergeshöhe die Jungfrau wandeln

       und sprengten eilend hinan. Wie nun Ottilia ihre ihr

       schon nahen Verfolger erkannte, erschrak sie heftig

       und rief den Himmel um seinen Schutz an, und da sie

       an eine Felswand kam, die ihre Schritte gänzlich

       hemmte, da tat vor ihr die Wand sich auf und schloß

       sich wieder hinter ihr zu. Aus dem Felsen aber rieselte

       alsbald ein klarer Wasserquell, und die Verfolger

       standen davor und wußten nicht, wie ihnen geschehen

       war.

       Nun begann Herr Attich, aufs neue in sich zu

       gehen, seufzte nach der Tochter, blieb an der Quelle

       und rief dem starren Fels das Gelübde zu, wenn Ottilia

       wieder zu ihm komme, so wolle er an diesen Ort

       eine Kapelle bauen und aus seiner Burg ein Kloster,

       und das mit reichem Gut begaben. Solches alles geschah,

       und der Brunnen aus dem Fels ward der Ottilienbrunnen

       geheißen und übte wundersame Kraft an

       kranken Augen. Ottilia aber wurde Äbtissin des neuen

       Klosters, pflegte und heilte Kranke, ward ein Schutzengel

       des ganzen Gaues, ließ an den Bergesfuß noch

       ein Kloster, Niedermünster, bauen, und als sie endlich

       sanft und selig verschieden, ist sie heilig gesprochen

       worden und ward die Patronin der Augen und von

       Augenleidenden insonderheit angerufen.

       36. Vater und Sohn

       Es war ein Graf im Oberelsaß, Herr Hug von Egisheim,

       dem gebar sein Ehegemahl einen Sohn, der

       ward Bruno genannt in der heiligen Taufe. Aber ein

       böser Argwohn umdüsterte des Grafen Herz, als sei

       das Söhnlein nicht sein eigen, und da befahl er einem

       Knecht, daß er es hinaustrage in den Wald, es töte

       und ihm sein Herz, der Tat zum Zeugen, darbringe.

       Den Knecht aber jammerte des unschuldigen Kindleins,

       und konnte solchen Mord nicht über das eigene

       Herz bringen. Er gab das Kind in sichere Hut, erlegte

       ein Rehkälbchen und brachte dessen Herz seinem

       grausamen Herrn. Der Knabe erwuchs und kam weit

       hinweg, die Jahre vergingen, und über den alten Grafen

       kam die Reue, denn es war ihm klar und offenbar

       geworden, daß er damals im Irrwahn befangen die

       schrecklichste Sünde begangen hatte. Und da litt es

       ihn endlich nicht länger mehr in der Heimat, er verließ

       seine Schlösser und sein Land und ging in Pilgertracht

       über die Alpen und wandelte gen Rom, dem

       Heiligen Vater seine schwere Schuld zu bekennen und

       eine Buße sich auferlegen zu lassen. Und er kam zum

       Papste und kniete zu dessen Füßen und beichtete sein

       Verbrechen und flehte zerknirscht um Entsündigung.

       Da erhob sich von seinem Thronsitz der Heilige Vater

       und sprach: Graf Hugo von Egisheim! Der allbarmherzige

       Gott hat nicht gewollt, daß Bruno, dein Sohn,

       sterbe, sondern hat ihn aufbehalten zu hohen Dingen.

       Und Gott verzeiht dir durch mich, den Knecht seiner

       Knechte, den grausamen Vorsatz. Deine Reue soll

       deine Buße gewesen sein. Stehe auf, Graf Hugo, umarme

       mich, ich bin es, der dir Verzeihung kündet, ich

       bin Bruno, dein Sohn, Leo der Neunte geheißen auf

       St. Petri heiligem Stuhle! – Dem alten Grafen war, als

       ob er träume, als ob der Himmel sich ihm erschließe.

       37. Die Münsteruhr

       Zu Straßburg im Münster ist ein kostbar und verwunderungswürdiges

       Uhrwerk, das seinesgleichen in der

       ganzen Welt nicht hat. Hoch und stolz, ein wundersames

       figurenreiches Gebäu, steht es da vor Augen,

       aber leider steht es eben und geht schon längst nicht

       mehr. Im Piedestal zeigt sich neben einem Himmelsglobus

       ein Pelikan, darüber erhebt sich ein Kalender,

       in dessen Mitte die Erdkugel ersichtlich ist, zu beiden

       Seiten stehen der Sonnengott und die Mondgöttin,

       welche mit ihren Pfeilen Tages- und Nachtstunden

       zeigen. Schildhalter an den vier Winkeln des Kalendariums

       lassen Wappen erblicken. Darüber fuhren in

       Wagen, von verschiedenen Tiergespannen gezogen,

       die sieben Planetengötter als Tagesboten, jeden Tag

       zeigte sich sanft vorrückend ein anderes Gespann,

       stand in der Mitte zur Mittagsstunde und gab dann

       allmählich dem nachfolgenden Raum. Darüber ein

       großer Viertelstundenzeiger und zur Seite vier Gebilde,

       die Schöpfung, Tal Josaphat, Jüngstes Gericht

       und Verdammnis. Zur Rechten des Beschauers steht

       ein freier Treppenturm am Uhrgebäu, zur Linken ein

       ähnlicher von anderer Form mit Göttergestalten, auf

       der Spitze ein großer Hahn, welcher die Stunden

       krähte und mit den Flügeln schlug. Am Sockel der

       Türme halten zwei große aufrechtsitzende Löwen je

       einer den Helm mit dem Kleinod, der andere das

       Wappenschild Straßburgs. Recht in der Mitte ist das

       riesiggroße mannigfach verzierte und mit kunstvollem

       Triebwerk versehene Zifferblatt, umgeben von den

       Bildern der vier Jahreszeiten, darüber

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